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»Nein, außerdem haben Sie gesehen, dass der Typ mit dem Kopfschuss Schmauchspuren auf der Haut hatte und dass an dem Hemd des anderen verbrannte Baumwollfäden waren. Was sagt uns das?«

»Dass sie aus nächster Nähe erschossen wurden, als sie lagen. Und das passt zu den Hülsen, die neben ihnen gefunden wurden, und zu den Kugeln im Boden.«

»Stimmt. Aber finden Sie es nicht merkwürdig, dass beide erst umfallen und dann erschossen werden?«

»Vielleicht sind sie aus Panik über die Waffe ins Stolpern ge­raten. Oder sie wurden gezwungen, sich hinzulegen, und dann richtiggehend hingerichtet.«

»Ein guter Gedanke. Aber noch eine andere Frage: Ist Ihnen bei dem, der näher am Fahrstuhl lag, etwas an der Blutlache aufgefallen?«

»Dass es viel war?«

»Ja.« Er zog das a in die Länge. Das war also noch nicht alles.

»Das Blut ist unter dem Kopf in einer Lache zusammengelaufen«, sagte sie. »Das heißt, er wurde nach dem Schuss nicht mehr bewegt.«

»Ja, aber am Rand der Lache sind Blutspritzer. Das ausgelaufene Blut hat sich also auch in einem Bereich ausgebreitet, in dem vorher Blutspritzer waren, die nur vom Kopf stammen können. Und bei der Länge und Verteilung dieser Spritzer muss das Opfer aufrecht gestanden haben, als es erschossen wurde. Deshalb hockt Nils auch mit der Lupe über ihm, die Blutspuren stimmen nämlich nicht.«

»Für Sie aber schon?«

»Ja«, sagte Simon nüchtern. »Der Mörder hat den ersten Schuss im Fahrstuhl abgegeben. Er traf den Kopf seines Opfers, und die Kugel schlug in die Wand. Die Stelle, die Sie gesehen haben. Die Hülse ist im Fahrstuhl auf den Boden gefallen und …«

»… über den schiefen Boden in den Spalt gerollt und in den Schacht gefallen.«

»Genau.«

»Aber … die Kugel im Boden?«

»Der Mörder hat noch einmal auf ihn geschossen, aus nächster Nähe.«

»Die Eingangswunde …«

»Unser Freund vom Kriminalamt meint, es ist ein grobes Ka­liber verwendet worden, aber wüsste er mehr über Waffen, wäre ihm nicht entgangen, dass die leeren Hülsen von feinkalibrigen Kugeln stammen. Die große Eintrittswunde stammt in Wahrheit von zwei Kugeln. Die Schüsse überlappen sich. Der Täter hat bewusst versucht, es wie einen Schuss aussehen zu lassen. Deshalb hat er auch die erste Kugel mitgenommen, die in die Wand geschlagen ist.«

»Dann war das kein altes Einschussloch, wie der Techniker vermutet hat«, sagte Kari. »Deshalb auch der frische Putz auf dem Boden.«

Simon lächelte. Sie konnte sehen, dass er mit ihr zufrieden war, und merkte zu ihrer Überraschung, dass sie das freute.

»Schauen Sie mal nach der Typbezeichnung und der Seriennummer auf der Hülse. Das ist eine andere Munition als die, die wir oben gefunden haben. Also hat er den Schuss aus dem Fahrstuhl mit einer anderen Waffe abgegeben als denen, mit denen er später auf die Opfer geschossen hat. Ich denke, die Ballistiker werden herausfinden, dass diese Schüsse mit den Waffen der Opfer abgegeben wurden.«

»Waffen der Opfer?«

»Eigentlich ist das ja Ihr Ressort, Adel. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass drei Leute unbewaffnet in einer Drogenzentrale sitzen. Er hat ihre Waffen mitgenommen, damit wir nicht gleich herausfinden, dass er sie benutzt hat.«

»Sie haben recht.«

»Die Frage ist nur«, sagte Simon und schob sich hinter eine Straßenbahn, »warum es ihm so wichtig war, dass wir die jeweils erste Kugel und die dazugehörige Hülse nicht finden.«

»Ist das nicht einleuchtend? Der Abdruck des Schlagbolzens würde uns die Seriennummer verraten, die uns über das Waffenregister dann zu …«

»Falsch. Sehen Sie sich mal die Rückseite der Hülse an. Kein Abdruck. Die Pistole, die er benutzt hat, muss also älter sein.«

»Okay«, sagte Kari und gab sich selbst das Versprechen, nie wieder das Wort »einleuchtend« zu benutzen. »Ich habe keine Ahnung, aber Sie werden es mir sicher gleich sagen …«

»Und ob. Die leere Hülse, die Sie da in der Hand halten, tja, das ist die gleiche Munition, mit der auch Agnete Iversen getötet wurde«, sagte Simon und bremste bei Gelb, weshalb der Autofahrer hinter ihnen hupte. »Er hat die Hülsen bei Iversens nicht wegen des Abdrucks auf dem Schlagbolzen mitgenommen. Da habe ich falsch gelegen. Sondern weil er bereits einen weiteren Mord plante und deshalb so wenig Spuren wie möglich hinterlassen wollte. Wir sollen keinen Zusammenhang herstellen können. Ich tippe also mal, dass die leeren Hülsen, die er bei Iversens mitgenommen hat, die gleichen wie die hier sind.«

»Die gleiche Munition, aber eine durchaus weitverbreitete, oder?«

»Ja.«

»Was lässt Sie dann an einen Zusammenhang glauben?«

»Sicher bin ich mir nicht«, sagte Simon und starrte auf die Ampel, als wäre sie eine Zeitbombe. »Aber immerhin sind nur zehn Prozent aller Menschen Linkshänder.«

Sie nickte. Versuchte, selbst zu einem Schluss zu kommen. Gab auf und seufzte. »Ich muss wieder passen.«

»Kalle Farrisen ist von einem Linkshänder an die Heizung gefesselt worden. Agnete Iversen wurde von einem Linkshänder erschossen.«

»Das Erste habe ich verstanden, aber das Zweite …«

»Ich hätte früher darauf kommen müssen. Der Winkel der Schussbahn durch die Türöffnung bis in die Küchenwand. Wäre der Schuss, der Agnete Iversen getötet hat, von dort, wo ich gestanden habe, mit rechts abgegeben worden, hätte der Täter neben den gepflasterten Weg treten müssen und wir hätten Spuren in der lockeren Erde gefunden. Richtig ist natürlich, dass er mit beiden Füßen auf dem Weg stand und mit der linken Hand geschossen hat. Schlechte Ermittlungsarbeit von mir.«

»Lassen Sie mich sehen, ob ich das richtig verstanden habe.« Kari schloss die Augen und stützte Kinn und Nase in die zusammengelegten Handflächen. »Es gibt einen Zusammenhang zwischen Agnete Iversen und den drei Opfern heute. Und da der Täter alles getan hat, damit wir diesen Zusammenhang nicht bemerken, muss er fürchten, dass uns dieser Zusammenhang zu ihm führen kann.«

»Gut, Kommissar Adel. Sie verändern Perspektive und Standort und sehen plötzlich wieder etwas.«

Kari hörte ein wütendes Hupen und öffnete die Augen.

»Es ist Grün«, sagte sie.

Kapitel 23

Es regnete nicht mehr so stark, aber Martha hatte sich trotzdem die Jacke über den Kopf gezogen, als sie Stig dabei zusah, wie er einen Schlüssel vom Balken über der Kellertür fischte und aufschloss. Der Keller war wie die Garage vollgestopft mit Dingen aus der Geschichte einer Familie; Rucksäcke, Zeltheringe, ausgetretene rote Stiefel, die aussahen, als wären sie für irgendeinen Sport benutzt worden, vielleicht Boxen. Ein Schlitten. Ein Handrasenmäher, der durch den benzinbetriebenen in der Garage ersetzt worden war. Eine große längliche Kühlbox mit einer Respatexplatte als Deckel. Breite Regale mit Saftflaschen und Marmeladengläsern, die durch Spinnweben miteinander verbunden waren, und ein Nagel mit einem Schlüssel. Aber der Anhänger mit der Aufschrift, wofür dieser Schlüssel war, war längst verblichen. Martha blieb an der Reihe von Skiern stehen, einige hatten noch Wachsreste auf der Unterseite. Der längste und breiteste war der Länge nach gespalten.

Als sie nach oben kamen, spürte Martha sofort, dass hier schon lange niemand mehr wohnte. Vielleicht lag das am Geruch, vielleicht an der unsichtbaren Schicht aus Zeit und Staub. Im Wohnzimmer festigte sich dieser Eindruck. Sie sah nicht einen Gegenstand, der aus den letzten zehn Jahren stammte.

»Ich mache Kaffee«, sagte Stig und verschwand in der Küche.

Martha sah sich die Bilder an, die auf dem Kamin standen.

Ein Foto von einem Brautpaar. Die Ähnlichkeit, insbesondere mit der Braut, war unverkennbar.