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Kari sah ihn überrascht an. »Sie haben Fredrik Ansgar bei der Polizei angezeigt?«

»Nein, ich habe ihm das Angebot gemacht, unbehelligt und in Ruhe zu kündigen. Andernfalls wäre ich mit dem wenigen, das ich hatte, weitergegangen. Für eine Verhandlung oder gar einen Rausschmiss hätte das sicher nicht gereicht, aber es hätte ihm die Flügel gestutzt und seine Karriere auf Eis gelegt. Er hat eingewilligt.«

Auf Karis Stirn trat eine Ader hervor. »Sie … Sie haben ihn gehen lassen?«

»Wir konnten einen faulen Apfel loswerden, ohne die Polizei selbst in den Dreck ziehen zu müssen. Ja, ich habe ihn gehen lassen.«

»Man kann solche Leute doch nicht einfach so laufenlassen!«

Sie klang verärgert. Aber wenn schon. »Fredrik ist ein kleiner Fisch, und er wäre uns so oder so durch die Maschen geschlüpft. Er hat nicht mal verheimlicht, einen guten Deal gemacht zu haben. Er hat tatsächlich das Gefühl, dass er mir einen Gefallen schuldig ist.«

Simon sah sie an. Natürlich war das als Provokation gemeint gewesen, und sie hatte darauf reagiert. Aber ihr Engagement schien bereits wieder zu verpuffen. Vermutlich war das für sie jetzt nur noch ein Argument mehr, dieser Branche schnellstmöglich den Rücken zu kehren.

»Und was für eine Geschichte ist das mit dem Zwilling?«

Simon zuckte mit den Schultern. »Es heißt, er habe tatsächlich einen eineiigen Zwilling gehabt. Mit elf Jahren soll er zweimal hintereinander geträumt haben, seinen Bruder zu töten. Und da sie ja eineiige Zwillinge waren, ging er davon aus, dass auch sein Bruder diese Träume gehabt hatte. Deshalb war es aus seiner Sicht nur noch eine Frage der Zeit, wer dem anderen zuvorkam.«

Karis sah Simon an. »Wer dem anderen zuvorkam«, wiederholte sie.

»Entschuldigung«, sagte Simon und lief hinter Else her, die auf eine Glaswand zusteuerte.

Fidel Lae sah den Wagen, bevor er ihn hörte. Das war das Besondere an den neuen Autos, sie machten kaum Geräusche. Wehte der Wind von der Straße über das Moor zum Hof, hörte er manchmal das Knirschen der Räder auf dem Kies, das Schalten oder die etwas höheren Umdrehungen an der Steigung. Ansonsten musste Fidel auf seine Augen vertrauen. Bei Autos. Bei Fußgängern und Tieren hingegen hatte er das beste Alarmsystem der Welt. Einen Zwinger mit neun Dobermännern. Sieben Hündinnen, die jedes Jahr Welpen warfen, die er das Stück für zwölftausend Kronen verkaufen konnte. Das war der offizielle Teil der Zucht: für den Käufer chipmarkierte Rassehunde mit Stammbaum und Papieren.

Der andere Teil der Zucht lag weiter im Inneren des Waldes.

Zwei Hündinnen und ein Rüde. Nirgends registriert. Argentinische Doggen, vor denen die Dobermann-Pinscher eine Heidenangst hatten. Fünfundsechzig Kilo Aggression und Loyalität pur, mit einem albinoartig weißen Fell. Deshalb trugen Fidels Hunde alle den Beinamen Ghost: Die Hündinnen hießen Ghost Machine und Holy Ghost, der Rüde Ghost Buster. Die neuen Besitzer konnten die Welpen nennen, wie sie wollten, wichtig war nur, dass sie bezahlten. Hundertundzwanzigtausend. Der Preis spiegelte die Seltenheit der Hunde ebenso wider wie den ausgeprägten Mordinstinkt und die Tatsache, dass die Rasse in Norwegen und einer Reihe anderer Länder verboten war. Da seine Kunden in der Regel aber weder auf das Geld schauten noch sich für die norwegischen Gesetze interessierten, gab es keinen Grund, die Preise zu senken – eher im Gegenteil. Deshalb hatte er die Zwinger in diesem Jahr noch etwas weiter in den Wald hineinverlegt, damit das Bellen mit Sicherheit nicht bis zum Hof drang.

Der Wagen wollte zum Hof, der Weg führte nur dorthin, so dass Fidel langsam nach unten ging. Das Tor war immer verschlossen, nicht damit die Hunde nicht wegliefen, sondern damit kein Unbefugter hereinkam. Und da jeder außer einem Kunden unbefugt und nicht willkommen war, hatte Fidel eine umgebaute Mauser M98 in dem Waffenschrank an der Wand des Schuppens neben dem Tor. Er hatte noch raffiniertere Waffen, aber bei der Mauser konnte er immer vorgeben, sie für die Jagd von Elchen zu benutzen, denn schließlich gab es davon einige hier draußen in den Mooren. Vorausgesetzt, das Wild nahm nicht die Witterung der weißen Gespenster im Wald auf.

Fidel erreichte das Tor gleichzeitig mit dem Auto, das auf dem Seitenfenster das Logo einer Autovermietung hatte. Der Fahrer schien mit dem Wagentyp nicht vertraut zu sein, das hatte Fidel schon am Schalten erkannt. Jetzt brauchte der Typ lange, um das Licht und die Scheibenwischer auszuschalten und den Motor abzustellen.

»Was wollen Sie?«, fragte Fidel und sah sich den Mann, der ausstieg, genau an. Kapuzenpulli und schwarze Schuhe. Ein Kerl aus der Stadt. Nur selten fand jemand den Weg zu ihm, ohne vorher einen Termin zu vereinbaren. Fidel machte keine Reklame wie die anderen Züchter und hatte auch keinen Internetauftritt. Der Kerl kam zum Tor, das Fidel aber nicht öffnen wollte.

»Ich interessiere mich für einen Hund.«

Fidel schob seine Mütze ein Stück weit nach hinten. »Tut mir leid, aber dann haben Sie den Weg umsonst gemacht. Ich rede nicht mit potentiellen Käufern, ehe ich nicht ihre Referenzen gesehen habe. So ist das nun mal. Dobermänner sind keine Schoßhunde, die brauchen einen Besitzer, der sich auskennt. Rufen Sie mich am Montag an.«

»Ich bin nicht auf der Suche nach einem Dobermann«, sagte der Mann und sah an Fidel vorbei in Richtung Wald. »Und meine Referenz heißt Gustav Rover.« Er hielt ihm eine Visitenkarte hin. Fidel warf einen flüchtigen Blick darauf. Rovers Motorradwerkstatt. Rover. Fidel erinnerte sich an den Motorradfreak mit dem Goldzahn. Schließlich sah er nur wenige Menschen. Der Mann war mit Nestor hier gewesen und hatte einen Argentino gekauft.

»Er meinte, deine Hunde eignen sich dazu, ein paar weißrus­sische Haushaltshilfen in Schach zu halten, damit sie nicht abhauen.«

Einen Moment kratzte sich Fidel die Warze auf seinem Handgelenk. Dann öffnete er das Tor. Das war kein Polizist, denn die durften keine kriminellen Handlungen – wie den Verkauf illegaler Hunde – provozieren, sonst war die ganze Sache vor Gericht nicht mehr verwendbar. Das hatte ihm jedenfalls mal sein Anwalt gesagt.

»Hast du …?«

Der Kerl nickte, griff in die Tasche seines Pullovers und zog ein paar dicke Geldbündel heraus. Tausender.

Fidel öffnete den Waffenschrank und nahm die Mauser heraus.

»Ohne die gehe ich nie zu ihnen hoch«, erklärte er. »Sollte einer mal ausbrechen …«

Sie brauchten zehn Minuten bis zu dem Zaun im Wald. In den letzten fünf Minuten hörten sie zunehmend das lauter werdende Kratzen der Krallen und das Winseln der Tiere.

»Die glauben, dass sie Futter kriegen«, sagte Fidel und verkniff sich den Zusatz »dich!«.

Die Hunde warfen sich wütend gegen das Zwingergitter, als sie in Sichtweite waren. Fidel spürte es unter sich vibrieren, wenn die Tiere vom Gitter zurück auf den Boden sprangen. Er wusste genau, wie tief die Pfosten eingegraben waren, fürchtete aber trotzdem, es könne nicht tief genug sein. Die aus Deutschland importierten Zwinger hatten eine metallene Bodenplatte, so dass grabende Hunde wie Terrier, Dachs- und Bluthunde nicht ausbrechen konnten. Blechdächer hielten die Nässe fern und sorgten dafür, dass die Viecher auch nicht oben aus dem Zwinger springen konnten.

»Im Rudel sind sie am gefährlichsten«, sagte Fidel. »Dann folgen sie ihrem Anführer, Ghost Buster. Das ist der Größte.«

Der Kunde nickte nur und musterte die Hunde. Fidel wusste, dass der junge Mann das Herz in der Hose haben musste. Die aufgerissenen Schnauzen mit dem Kranz speichelnasser, blitzender Zähne in blassrotem Zahnfleisch jagten selbst ihm immer wieder Angst ein. Nur wenn er mit einem, am besten einer der Hündinnen, allein war, konnte er sich sicher sein, dass er der Chef war.

»Bei den Welpen ist es wichtig, dass man ihnen gleich zeigt, wer der Anführer ist, und das muss auch so bleiben. Denk immer dran, dass Entgegenkommen und Nachsicht grundsätzlich als Schwäche aufgefasst werden. Ungehöriges Verhalten muss unbedingt bestraft werden, und das ist dein Job. Verstanden?«