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Die spitzen Zähne der Bestie schlossen sich um den Arm. Sie durchdrangen den Stoff von Jacke, Hemd und Unterhemd und bohrten sich schmerzhaft in Jacobs Fleisch.

Gleichzeitig rammte der Mann das Messer in die Seite der Bestie. Die ließ von ihm ab und heulte auf.

Aus dem Heulen wurde ein Röcheln, als Jacob die Klinge aus der Seite des Wolfs zog und sie eine Sekunde später, wie bei dem anderen Tier, tief in den Hals stieß, bis zum Heft. Dann drehte er die Klinge mit aller Kraft herum.

Und der zweite Wolf verendete.

Als Jacob sich taumelnd erhob, sah er, daß auch der Appaloosa einen der Angreifer mit dem Hinterhuf voll erwischte. Das Raubtier wurde durch die Luft geschleudert und krachte mit dem Rücken gegen einen Pappelstamm.

Knochen knackten vernehmlich. Wahrscheinlich war es das Rückgrat gewesen. Das Tier rutschte an dem Baumstamm zu Boden und rührte sich dort nicht mehr.

Nur noch drei Gegner!

Die Hälfte der Angreifer ausgeschaltet, das war kein schlechtes Ergebnis. Aber es bedeutete noch längst nicht den Sieg.

Daß die drei verbliebenen Wölfe keineswegs entmutigt waren, bewies ihr nächster Angriff. Zwei stürzten sich auf den Grauen, und der dritte der größte Wolf des ganzen Rudels flog mit einem gewaltigen Sprung auf Jacob zu.

Der große Wolf war so schnell, daß der Auswanderer sein Messer nicht mehr rechtzeitig hochreißen konnte. Die Klinge ritzte nur das dichte Fell.

Der Aufprall des schweren Tiers riß den Mann abermals zu Boden. Seine Rechte schlug auf einen spitzen Stein. Ein Schmerz durchzuckte die Hand, und der Messergriff entglitt ihr.

Als hätte die Bestie das mitbekommen, verstärkte sie die Wut ihres Angriffs.

Jacob riß beide Hände hoch und umklammerte den kräftigen Hals. Nur so konnte er im letzten Augenblick verhindern, daß der Angreifer die spitzen Zähne in seine Kehle schlug. Der üble Atem der Bestie schlug ihm ins Gesicht.

Zwischen Mensch und Tier entspann sich eine Kraftprobe.

Je länger sie währte, desto sicherer erschien Jacob, daß er unterlag. Seine Rechte schmerzte von dem Aufschlag und der linke Arm vom Biß des anderen Wolfs. Hinzu kam seine verletzte Schulter.

Die Bestie dagegen war durch das Messer kaum verletzt worden. Jedenfalls nicht so, daß ihre Kampfkraft beeinträchtigt wurde.

Mit jedem noch so winzigen Stück, das die Reißzähne Jacobs Kehle näher kamen, verstärkte der Wolf noch seine Anstrengungen. Er schien zu spüren, daß der Widerstand des Menschen kurz vor dem Erlahmen war.

Und dann ließ die Kraft in Jacobs Armen nach.

*

»Möchtest du, daß dein Bastard am Leben bleibt?«

John Bradden stellte diese Frage. Er stand breitbeinig vor Irene. Sein Narbengesicht blickte die Frau kalt an.

»Ja!« keuchte sie ohne zu überlegen. Welche Mutter, die ihre Sinne beisammen hatte, hätte etwas anderes geantwortet?

»Tu alles, was wir von dir verlangen!« sagte der Treck-Captain im befehlsgewohnten Ton. »Und vor allen Dingen tu nichts, was uns verraten könnte! Nur dann wirst du deinen kleinen Schatz zurückbekommen, lebend und wohlbehalten.«

»Ich soll Sie nicht verraten?« fragte Irene verwirrt. »Was meinen Sie damit, Bradden?« Sie preßte die Hände gegen ihren Kopf, als könne sie dadurch den Alptraum bannen, der sie gefangen hielt.

»Wir erreichen heute Molalla Spring«, erklärte der Mann mit dem Narbengesicht ruhig. »Dort darfst du nichts von unserem Überfall auf das Dorf der Nez Perce erzählen. Wir werden den Leuten in der Mission sagen, die Rothäute hätten uns grundlos angegriffen. Und dein Indianerfreund wurde von den Roten umgebracht. Kapiert?«

»Ja«, murmelte Irene und nickte schwach.

»Gut«, brummte der Treck-Captain zufrieden. »Wenn du brav bist, kriegst du den Kleinen zurück, sobald wir Molalla Spring wieder verlassen.«

»Das verstehe ich nicht«, stammelte die Frau. Ihr verzweifelter, hilfloser Blick war auf den heftig weinenden Sohn gerichtet.

»Meine Frau Eliza wird sich um deinen Sohn kümmern. Als kleine Sicherheit, daß du keine Dummheiten machst.«

»Nein«, schluchzte Irene auf. »Nehmt mir nicht meinen Sohn, bitte!«

»Reg dich nicht auf!« schnappte John Bradden. »Denk daran, daß wir euch beide auch ganz einfach umbringen könnten.«

»Aber Jamie braucht mich. Ich. muß ihn doch stillen!«

»Right«, brummte der Treck-Captain. »Das darfst du. Aber sonst bleibt Jamie bei meiner Frau - und bei meinem Bruder. Vergiß nicht, Dutch-Lady, daß Frazer noch eine Rechnung mit dir offen hat!«

Frazer Bradden nickte zur Bestätigung.

»Ich werde alles tun, was Sie verlangen«, versprach Irene. »Aber bitte, tun Sie Jamie nichts!«

»Das ist doch ein guter Handel«, befand ein zufriedener John Bradden und drehte sich zu seinem Bruder um. »Steck deinen Zahnstocher wieder ein, Frazer. Ich glaube, die Dutch-Lady ist vernünftig. Sie vergißt bestimmt nicht, wie schmerzempfindlich und zerbrechlich ein kleines Kind ist.«

»Wer weiß«, erwiderte der Bruder des Treck-Captains achselzuckend, als warte er nur auf eine Gelegenheit, die Verletzlichkeit des Kindes unter Beweis zu stellen.

Als er das Bowiemesser zurück in die Scheide steckte, hatte das für die junge Frau aus Deutschland gar nichts Beruhigendes an sich.

Er tat es ganz langsam, fast andächtig. Und dabei bohrte er seinen haßerfüllten Blick in Irenes Augen.

*

Eben noch waren die gefletschten Zähne der Bestie ganz nah vor Jacobs Gesicht, dann waren sie auf einmal verschwunden.

Es schien verrückt. Ausgerechnet das gleichzeitige Nachlassen seiner Kraft in beiden Armen hatte ihn davor bewahrt, daß der große Wolf seine Kehle zerfleischte.

Von seinem eigenen Angriffsschwung mitgerissen, flog das Raubtier über den Menschen hinweg und vollführte hinter ihm einen ungeschickten Purzelbaum.

Jacob stemmte sich hoch. Er wußte, daß die Gefahr nicht vorüber war.

Gerade noch rechtzeitig kam er auf die Beine, um einem erneuten Angriff der Bestie auszuweichen. Sie wischte an ihm vorbei und landete in dem gelöschten Lagerfeuer, eine dichte Aschewolke aufwirbelnd. Gleichzeitig stieß sie ein jammerndes Heulen aus.

Der Wolf sprang aus der Feuerstelle und schüttelte sein aschebeschmutztes Fell. Es stank nach verbranntem Fleisch. Unter der Asche mußte noch die Glut des Feuers schwelen.

Jacob handelte. Er stürzte zur Feuerstelle und wühlte hastig in der Asche, bis er einen langen Ast fand, dessen eines Ende noch glühte. Damit lief er auf den großen Wolf zu, der sich allmählich von dem Schreck erholte.

Aber das Tier blieb stehen, wandte nur den Kopf und blickte dem Mann entgegen. Wahrscheinlich wurde es dadurch verwirrt, daß seine scheinbar schon sichere Beute plötzlich zum Angriff übergegangen war.

Jacob stieß den glühenden Ast vor, direkt in eins der Wolfsaugen. Zu spät riß das Tier den Kopf zur Seite und entfernte sich durch einen plötzlichen Satz von dem Gegner. Jacob hatte ihm bereits das rechte Auge ausgebrannt.

Unter lautem Geheul drehte das Tier sich um sich selbst. Wie wahnsinnig. Oder wie auf der Suche nach dem verlorenen Auge.

Jacob nutzte die Verwirrung der Bestie und wagte einen weiteren Angriff. Was er kaum zu hoffen gewagt hatte, gelang auf Anhieb: Der Wolf verlor auch sein anderes Auge.

Die eben noch gefährliche Bestie war auf einmal vollkommen hilflos. Sie rannte, immer wieder schmerz- und schreckerfüllt aufheulend, über die Lichtung und verschwand schließlich im Unterholz.

Unbändige Freude über diesen Sieg stieg in dem Auswanderer hoch. Eben, als er am Boden und der Wolf auf ihm lag, hatte er sich schon tot gesehen, von der wilden Bestie zerfleischt.

Doch die Freude währte nicht lange. Das verzweifelte Wiehern des Appaloosas riß Jacob aus der kurzen Euphorie.

Erschrocken sah er sich nach dem Pferd um.