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Ein Indianerjunge lief herbei, um den Neuankömmlingen zu helfen. Er und Martin kümmerten sich um die Maultiere, während Urilla mit Irene zu Jamie, Mrs. Bradden und Ebenezer Owen ging.

Als Martin kam, um mit Urilla zum Missionshaus zu gehen, fragte er Irene, ob sie mitkommen wolle.

»Ich bleibe lieber mit Jamie hier, an der frischen Luft«, antwortete sie.

»Wir sehen uns nachher«, versprach Martin und nahm Urilla mit.

Irene fühlte sich erleichtert und beschwert zugleich.

Erleichtert darüber, daß ihre Freunde nichts bemerkt hatten und daß Jamie nichts zugestoßen war.

Beschwert, weil sie Martin und Urilla belogen hatte. Und weil das junge Paar jetzt ebenfalls in Gefahr schwebte.

*

Nach einer knappen Stunde kehrten Martin und Urilla zurück. Sie schienen sich ähnlich zu fühlen wie Irene. Ihr leichter Gang verriet, daß eine Last von ihnen genommen war. Aber ihre Mienen wirkten eher düster.

Irene saß noch mit Mrs. Bradden und Jamie vor dem Gästehaus. Ebenezer Owen war zum Missionshaus gegangen, um nach seiner Frau zu sehen. Frazer Bradden lungerte in der Nähe des Gästehauses herum und tat so, als schnitze er mit seinem großen Bowiemesser einen Holzscheit zurecht. In Wahrheit hobelte er nur dicke Späne ab. Jede seiner Bewegungen verriet, mit welcher Lust er die scharfe Klinge führte.

»Wir werden heiraten«, erklärte Martin. »Ich hoffe, du verstehst das nicht falsch, Irene.«

»Warum sollte ich?«

»Weil Jacob erst so kurze Zeit. tot ist. Wir haben daran gedacht, erst später zu heiraten. Woanders, in Deutschland, hätten wir es so gehalten. Aber wer weiß, wann wir hier wieder einmal einem Geistlichen begegnen?«

»Ihr müßt euch nicht entschuldigen«, sagte Irene. »Ich verstehe das voll und ganz.«

»Gut«, sagte Martin erleichtert.

Urilla fragte: »Du bist doch bei unserer Hochzeit dabei?«

Irene sah zu Frazer Bradden hinüber und erwiderte: »Ich weiß nicht, ob ich dann noch hier bin.«

»Bestimmt«, sagte Urilla. »Die Trauung ist in einer Stunde.«

»So schnell schon?« fragte Irene überrascht.

»Ja, so schnell«, nickte Martin. »Mr. Mercer hielt es für besser. Und wir auch. Wenn die Nez Perce wirklich auf dem Kriegspfad sind, ist es wichtig, daß Urilla und ich morgen schon heimkehren. Wir müssen unsere Freunde in Abners Hope vor den Indianern warnen.«

»Ja, das stimmt«, meinte Irene.

Es war wirklich am besten so, auch für Martin und Urilla, fand Irene nach kurzem Nachdenken. Je eher das Paar Molalla Spring wieder verließ, desto besser.

Nicht nur für die beiden.

»Kommst du mit uns?« fragte Urilla.

»Wie?« Irene blickte die Freundin fragend an.

»Urilla möchte wissen, ob du mit uns nach Abners Hope zurückkehrst«, erklärte Martin. »Wir würden uns sehr darüber freuen.«

»Ich weiß nicht«, sagte Irene zögernd.

Natürlich begrüßte sie die Gelegenheit, von dem Treck der Verdammten wegzukommen. Die Frage war nur, ob die Leute aus Greenbush sie so einfach gehen ließen. Sie und Jamie!

»Natürlich würden wir dir helfen, nach Kalifornien zu kommen, um Carl Dilger zu finden«, sagte Martin. »Sobald unser Kind da ist und sich die Indianerunruhen gelegt haben.«

»Ich überlege es mir«, erwiderte Irene.

*

Eine Stunde später rief das helle, fordernde Läuten der Kirchenglocke die Menschen zur Trauung zusammen. Und sie strömten in die große Kirche, den Mittelpunkt der Missionsstation.

Martin und Urilla, die sich umgezogen hatten und nun ihre besten Kleider trugen.

Martin einen dunklen Anzug, dem man bei näherer Betrachtung allerdings ansah, daß er schon viele Jahre auf dem Buckel hatte. Der sommersprossige Bauernsohn aus der Lüneburger Heide konnte nicht sein erster Besitzer sein.

Urillas hellblaues, rüschenverziertes Kleid stammte noch aus der Zeit als Saloongirl in Kansas City. Aber das sah man dem hochgeschlossenen, wirklich schönen Kleidungsstück nicht an.

Die meisten der Indianer wohnten der Hochzeit bei, so daß die langen Holzbänke nicht für alle Gäste ausreichten. Mehr als dreißig Leute mußten hinter den Bänken stehen. Narcissa Mercer spielte mit mehr Leidenschaft als Können auf einer kleinen Orgel, die in dieser Wildnis bestimmt etwas Besonderes darstellte.

Irene kam in der Begleitung von Eliza Bradden und Anne Myers. Mrs. Bradden trug Jamie im Arm.

Niemandem schien aufzufallen, daß die Männer aus Greenbush sämtlich fehlten.

Nur Irene wunderte sich darüber.

Und sie ahnte Böses.

*

Die lauten Töne der Orgel drangen durch die geschlossene Kirchentür gedämpft zu den sechs Männern, die sich hinter dem Stall des Missionshauses versammelten. Es waren die Braddens und die Myers, sämtlich schwer bewaffnet und mit harten, entschlossenen Gesichtern.

»Wo bleibt bloß Ebenezer?« fragte Frazer Bradden nervös.

»Da kommt er schon«, antwortete sein Bruder und zeigte zur kleinen Hintertür des Missionshauses, durch die der vollbärtige Owen seine massige Gestalt zwängte.

»Ihr wollt es also wirklich tun«, sagte er zu den anderen, als er deren Waffen sah.

»Deshalb sind wir hergekommen«, erwiderte der Treck-Captain hart. »Wie geht es Carol?«

»Wie Mercer sagte, ist sie auf dem Weg der Besserung.«

»Gut«, grinste John Bradden. »Dann brauchen wir den guten Onkel Doktor nicht mehr. Genauso wenig wie ihn unsere Leute noch brauchen, die in Greenbush begraben liegen.«

»Und warum wollt ihr gerade jetzt zuschlagen?« fragte Owen.

»Weil solch eine Gelegenheit so schnell nicht wiederkommt«, antwortete der Mann mit der Narbe. »Die Mercers und fast alle Rothäute sind in der Kirche versammelt. Wir kriegen sie auf einen Streich!«

»Ein paar Rote sind noch bei ihren Hütten«, warf Fred Myers ein.

»Um die kümmern wir uns zuerst«, entschied John Bradden. »Wir machen kurzen Prozeß mit ihnen. Die anderen werden davon nichts mitkriegen, so laut dudelt die Musik.« Der Treck-Captain sah wieder zu Owen und erklärte: »Außerdem sollten wir so schnell wie möglich weiter zur Küste. Wenn die Krieger der Nez Perce hier auftauchen, möchte ich nicht mehr hier sein.« Er zeigte auf die Schlinge. »Machst du mit, Ebenezer? Oder willst du lieber deinen Arm pflegen?«

»Ich mache nicht mit. Aber nicht wegen meiner Verletzung, sondern weil ich kein Mörder bin!«

»Davon haben wir aber im Dorf der Nez Perce nichts gemerkt!« wandte Frazer Bradden ein.

»Damals wußte ich nicht, was ich tat«, erwiderte Owen leise, und seine dunklen Augen blickten traurig. »Der Schmerz um den Verlust meiner Kinder hatte meinen Geist verdunkelt.« »Wie auch immer, komm uns nicht in die Quere, Ebenezer!« warnte John Bradden. »Wir können keine Rücksichten nehmen - auf niemanden!«

Ein Mann bog um die Ecke, blieb erstaunt stehen und fragte: »Was ist denn hier los? Seid ihr auch zu spät dran?«

Es war der alte Walt Hickly, der sich fein herausgeputzt hatte. Der graue Anzug und der gleichfarbige Bowler waren ihm zwar etwas zu groß, wirkten aber gleichwohl feierlich.

Sein Lächeln erstarb, als er die Waffen sah.

»Was soll denn das bedeuten? So etwas braucht man aber nicht bei einer Trauung.« Seine Augen blickten plötzlich skeptisch. »Oder wollt ihr gar nicht zur Hochzeit?«

»Wir wollen das!« rief Frazer Bradden.

Er sprang zu Hickly, zog dabei das große Bowie und schlitzte mit einer raschen Bewegung die Kehle des Alten auf.

Gurgelnd sank Hickly zu Boden. Der Bowler fiel von seinem Kopf. Ein Blutschwall befleckte den Festtagsanzug.

Ebenezer Owen schluckte schwer bei diesem Anblick und stammelte: »Was hat euch dieser Mann getan?«

»Er kam uns in die Quere«, antworte der Mörder kalt und wischte die blutige Klinge an Hicklys Hosenbein ab.