»Gerne! Aber so etwas habe ich noch nie gemacht.«
»Federn nach der Größe sortieren kannst du sicher. Die fingerlangen hierher und die Schwungfedern auf die linke Seite. Nimm den kleinen Korb dort hinten.«
»Wofür wird dieser Schwan denn gebaut?«
»Für das Julfest in zwei Wochen. Der Schwan muss anmutig und so echt aussehen, als würde er noch lebendig auf dem Silbertablett sitzen. Zwischen die Flügel wird der Schwanenbraten gelegt. Hast du schon mal Schwan gegessen?«
Elin schüttelte den Kopf.
»Bis vor kurzem habe ich noch von Rüben und gegorenem Hering gelebt. Und mein Kleid ist auch nicht mein richtiges Kleid. Ich war Scheuermagd.«
»Was du nicht sagst«, sagte die Frau ungerührt. »Nun, ein Rübengericht wird es zum Wild auch geben. Ich bin Helga Lundell.« Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter. »Und ich nehme an, du bist das Mädchen aus Uppsala. Willkommen im Schloss!« Elin hätte am liebsten geflucht, weil ihr die Schürze fehlte, um sich die Tränen abzuwischen, die ihr plötzlich über die Wangen rannen. In ihrer Verzweiflung zupfte sie das Taschentuch, das Lovisa ihr gegeben hatte, hervor. Zu spät fiel ihr ein, dass das kostbare, mit Fransen versehene Tuch nur zur Zierde in der Hand getragen werden und niemals zum Naseputzen gebraucht werden durfte. Helga hielt bestürzt in ihrer Arbeit inne und legte Elin die Hand auf den Arm.
»Was ist denn los, Mädchen? Geht es dir nicht gut?« Die freundliche Berührung war endgültig zu viel. Elin drückte das Taschentuch gegen die Augen und schluchzte. Ohne es zu wollen, sprudelte alles aus ihr heraus, was ihr auf der Seele lag: Lovisas ständige Schelte, der Spott der Kammerfrauen, das Gefühl, nirgendwo dazuzugehören, die Sehnsucht nach Emilia und die Demütigung durch diesen alten Adligen. Helga nickte und arbeitete ruhig weiter, bis Elin endlich die Worte und die Tränen ausgingen. Das Taschentuch war hinüber.
»Du bist Axel Oxenstierna in einem ungünstigen Moment über den Weg gelaufen«, sagte Helga schließlich. »Aber gräme dich nicht, sei lieber stolz darauf, wie klug du ihm geantwortet hast.« Sie zwinkerte Elin zu. »Anscheinend sind Frau Lovisas Lektionen, über die du dich so beklagst, doch nicht so unnütz gewesen.«
»Axel Oxenstierna? Der Reichskanzler?«
»Oh, erschrick nicht. Er ist kein Ungeheuer – er ist nur streng und nicht gerade entzückt, katholische Ausländer am Hof zu haben. Unsere Königin ist so damit beschäftigt, ihre gelangweilten französischen Gäste zu zerstreuen, dass er einen Teil ihrer Arbeit macht.«
»Die Königin arbeitet?«
»Oh ja. Der ganze Flügel des Schlosses, in den du dich verirrt hast, ist nur für die Verwaltung des Landes da. Der Reichssaal wurde eigens dafür gebaut, die Vertreter der vier Stände zu Ratschlüssen und Audienzen zu empfangen. Königin Kristina ist eine kluge Frau – klug genug, um zu wissen, dass man nichts, was gut getan werden soll, aus der eigenen Hand legen sollte. Und wenn, dann nur in die Hände von Menschen, die am richtigen Ort das Richtige tun.«
»Dann hat sie sich bei mir geirrt«, meinte Elin und wischte sich die Nase ab. »Ich komme mir vor wie ein Spielzeug, das sie mitgenommen hat – nur um es dann zu vergessen.«
Helga Lundell lächelte wieder.
»Die Königin hat dich nicht vergessen.« Überrascht sah Elin ihr Gegenüber an, aber das freundliche, unbewegte Gesicht gab kein Geheimnis preis.
»Heute haben wir noch einiges zu tun«, fuhr Helga fort. »Du kannst dir bei mir gerne ein paar Öre verdienen. Wenn die Herrschaften von ihrer Schlittenfahrt zurückkommen, werden sie hungrig sein. Bringe mir die weißen Servietten dort vom Regal.«
Mit dem Küchendienst, den Elin zu verrichten gewohnt war, hatte Helgas Arbeit so wenig gemein wie das Ausmisten des Stalls mit der hohen Reitkunst. Hier ging es darum, die Nahrungsmittel zu einem Kunstwerk anzurichten. Elin polierte silberne Salzschälchen und lernte Servietten in der Form von fliegenden Tauben zu falten. Und bald saß sie mit glühenden Wangen vor dem Schwanengestell und klebte dem Tier Feder für Feder an die ausgestopfte Brust. Nach und nach nahm der Vogel Gestalt an. Harz verklebte Elins Finger und Helga reichte ihr ein großes Tuch. Es hatte bräunliche Flecken, die süß und fremd dufteten. Elin prüfte, ob die Rückseite sauber war, und band es sich wie eine Schürze um die Taille, um den kostbaren Stoff ihres Kleides zu schützen.
In diesen wenigen Stunden, in denen sie Splitter von duftendem Konfekt kosten durfte, lernte sie von Helga mehr über die Speisen, die Abfolge von Tellern und Gläsern, als sie je in ihrem Leben über irgendetwas gewusst hatte. Bald schallten Rufe durch die Gänge: »Die Herrschaften sind von der Jagd zurück!«, und ein wenig später: »Wo bleibt der Wein?«
Und dann ein weiterer, schriller Ruf, der Elin vor Schreck beinahe die silberne Konfektschale aus der Hand gleiten ließ.
»Elin!«
Lovisa war so blass, dass sie mit den weißen Haaren wie ein Gespenst aussah. »Im ganzen Schloss habe ich dich gesucht!« Mit zwei Schritten war sie bei Elin und zerrte sie einfach hinter sich her. »Und wie du aussiehst«, zeterte sie. »Sogar Harz hast du in den Haaren!«
»Lass mich los, Lovisa!«
»Den Teufel werde ich tun! Wenn du noch einmal wegläufst, sperre ich dich ein, verstanden?«
»Aber du hast mich doch selbst weggeschickt.«
»Aha, wir verstehen die Dinge jetzt nur noch so, wie wir sie verstehen wollen, ja? Glaub ja nicht, dass du damit durchkommst!« Grob zerrte sie Elin hinter sich die Treppen hoch. »Die Königin will dich morgen Früh in ihrer Kanzlei sehen.«
»Wirklich?«
»Freu dich nicht zu früh! Lieber Gott im Himmel, wie soll ich dir nur bis morgen Benehmen beibringen?«
Inzwischen lief Elin so schnell, dass sie Lovisa überholte. Im ersten Stock musste sie warten, bis die alte Hofdame ihr hinterhergeschnauft kam. Schon wollte sie um die Ecke weiterlaufen, als sie wie festgenagelt stehen blieb. Musik und Gelächter schallten über den Gang, die Flügeltüren zu einem Zimmer standen weit offen – und davor, an einem der hohen Fenster, stand der junge Marquis mit zwei Höflingen und der blassen Madame Toulain. Im selben Moment, als Lovisa Elin erreichte, entdeckte er die beiden. Sein Lächeln kühlte sofort ab.
Er nahm Lovisas Gruß mit einem arroganten Nicken entgegen und verschränkte die Arme. Sein Blick wanderte von Elins verklebtem Haar über ihre Wange, auf der er etwas sehr Amüsantes zu entdecken schien.
»Mach deinen Knicks«, raunte ihr Lovisa zu. Elin machte den Mund auf, um zu erwidern, dass sie eher bis zum Ende ihrer Tage im Kerker sitzen würde, als etwas Unglaubliches geschah. Der Marquis machte eine elegante Handbewegung und zog mit seinem Fuß einen zierlichen Halbkreis. Das schmerzende Knie bereitete ihm Mühe, aber trotz des Stocks, auf den er sich stützte, erkannte man, dass es eine ironisch übertriebene Verbeugung darstellte. Zweimal klopfte er mit seinem Stock auf den Boden und rief im Ton eines Haushofmeisters: »Regardez la reine de la cuisine!«
Die verblüfften Gesichter der Höflinge lösten sich aus der Erstarrung. Schallendes Gelächter ergoss sich über Elin wie ein Trog voll schmutzigem Waschwasser. Finger deuteten auf ihren Rock – und erst als sie an sich heruntersah, erkannte sie, dass sie immer noch die fleckige Schürze trug.
Der junge Marquis bog sich vor Lachen. Nur mühsam brachte er einen weiteren Satz heraus, der die Höflinge noch mehr entzückte. Sie klatschten und riefen »La reine! La reine avec le concombre!«
Madame Joulain war die Einzige, die nicht lachte. Sie sandte Elin einen mitleidigen Blick zu und rauschte an den Herren vorbei ins Musikzimmer. Nur zögernd folgte ihr die Hofgesellschaft. Zwei Diener schlossen die Flügeltüren.
»Nun, die Regeln der Höflichkeit musst du noch üben«, sagte Lovisa wütend.
»Ich? Er hat mich verspottet und gesagt, ich sei die Königin der Küche!«