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»Sie haben das Medaillon wieder, Fräulein Ebba«, warf Elin ein. »Manchmal ist ein Rabe nur ein Rabe und ein Gespenst nur Nebel zwischen den Bäumen.«

Die Hofdame zeigte ein trauriges Lächeln und seufzte.

»Natürlich«, sagte sie leise und nicht sehr überzeugt. »Das könnten auch Kristinas Worte gewesen sein. Sie spricht nicht gern von Aberglauben und Gespenstern. Und auch über Hexen verliert man in ihrer Gegenwart am besten kein Wort. Sie glaubt nicht daran, dass es Hexen gibt, und will die Prozesse endgültig verbieten lassen.«

»Ich glaube auch nicht daran«, sagte Elin. »An Hexen, meine ich.« Sie schluckte und dachte an Emilias Haar. Durch den Stoff des Beutels hindurch ertastete sie die filigrane Form eines winzigen Kreuzes.

Die junge Hofdame schenkte ihr ein Lächeln und deutete auf das Ufer, an dem sich der rote Palast aus Ziegelwerk erhob.

»Das ist der Palast Makalös – ›Ohnegleichen‹. Das größte Gebäude nach dem Schloss. Macht er seinem Namen nicht alle Ehre?«

Von den Mauern des Schlosses aus gesehen wirkte das Gebäude nicht halb so prächtig wie aus der Nähe. Elin zählte fünf Stockwerke. Ganz oben befand sich eine riesige Dachterrasse – wie gemacht für Feste unter einem Sommerhimmel.

»Unser Reichsmarschall Jakob de la Gardie hat es vor ein paar Jahren erbauen lassen«, erklärte Ebba. »Er ist Magnus’ Vater.«

Vom Wasser führte eine breite Treppe direkt hinauf zum prächtigen Palast. Vier mächtige Türme grenzten das Gebäude an den Ecken ab und erhoben sich zu spitzen Kupferzinnen. Auf den beiden seezugewandten Türmen an der Südseite thronten kupferne Meerjungfrauen mit wehendem Haar. In den Händen hielten sie Pfeil und Bogen. Steinerne, grimmig dreinblickende Löwen bewachten den Eingang in der Mitte eines langen Arkadengangs, an dem bereits Diener auf die Gäste warteten. Ein Mann kam die Treppe herunter und winkte Ebba zu. Vor dem roten Ziegelwerk leuchtete sein Haar wie eine helle Flamme. Magnus de la Gardie!

»Da sind ja meine Gäste!«, rief er und half Ebba aus dem Schlitten. »Meine Frau fragt schon den ganzen Morgen nach dir, Ebba. Sie weiß gar nicht mehr, womit sie unsere Bretonen noch unterhalten soll. Ach, Fräulein Elin – sie geht mit meinem Diener hier. Unser Reitmeister brennt schon darauf, das Mädchen zu sehen, das sich mit unserem launigsten Schlachtross angelegt hat!«

Lars Melkebron war ein Hüne mit einer Stimme, die so laut war wie die eines Befehlshabers. Seine Worte aber trafen Elin wie die Sticheleien einer bösartigen Hofdame. »Lange Reden wirst du bei mir nicht hören, Fräulein Scheuermagd«, sagte er zur Begrüßung. »Und die Titel hebe ich mir für die jungen Kavaliere auf, denen ich beibringen soll, auf dem Schlachtfeld einen ordentlichen Angriff zu reiten und nicht bei der ersten Fanfare vom Pferd zu kippen. Auch den vornehmen Tanzunterricht für Pferde, wie er jetzt in den Reitanstalten in Europa so in Mode ist, wirst du bei mir nicht finden. Nein, die Königin will, dass du eine ordentliche Jagd oder ein Rennen reiten kannst. Und genau das wirst du lernen.«

Nach dem ersten Schreck stahl sich ein Lächeln auf Elins Lippen.

»Dafür, dass Sie nicht viele Worte machen wollen, war das aber eine sehr lange Ansprache.« Sie hatte Mühe, mit seinen langen Schritten mitzuhalten. Lars zog die Brauen hoch und warf ihr einen schelmischen Blick zu.

»Dein Mundwerk wirst du noch im Zaum halten, bevor die Sonne untergeht. Und das ›Sie‹ lass sein. Für dich bin ich Lars. Hast du schon einmal auf einem Pferd gesessen?«

»Nur an einem gehangen.«

Der alte Reitmeister lachte dröhnend und beschleunigte seinen Schritt noch mehr, sodass Elin nur noch laufend mithalten konnte.

Im Vergleich zu Gudmunds niedrigen Stallungen aus Blockholz war diese hier riesig und wirkte beinahe wie ein gemauerter Wohnraum mit hohen Decken.

Pferdeköpfe mit Atemfahnen vor den Nüstern wandten sich den beiden Neuankömmlingen zu. Augen mit langen Wimpern glänzten im Licht einer Stalllaterne. Elin schöpfte Atem. Ihr war warm, ihre Beine schmerzten. Viel zu lange war sie nur wie eine Dame durch die Gänge getrippelt und hatte am Fenster über ihren Stickereien gesessen. Jetzt durchströmte sie ein lange vermisstes Glücksgefühl. Am liebsten hätte sie gejubelt, aber um Lars nicht herauszufordern, hielt sie vorsichtshalber den Mund und folgte dem Reitmeister zu einer Holzwand. Ein bildschöner Sattel lag darauf. Seine Sattelblätter glänzten und als Elin näher heranging, konnte sie den Duft von feinster Sattelseife und Lanolin wahrnehmen.

»Dieser Sattel ist ein Geschenk der Königin«, erklärte Lars. »Simon Jüterbock hat ihn für dich angefertigt – der beste Sattelmacher der Stadt. Na los, im Gegensatz zu einem Pferd kann dieses tote Stück Leder dich nicht beißen.«

Elin war sprachlos. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und befühlte die Riemen und den glatten Lederüberzug.

»Das … ist ein Sattel für einen Mann.«

»So ist es. Aber wenn du willst, kann ich dir natürlich auch einen Damensattel holen lassen.« Es klang, als hätte er angeboten, ihr anstelle eines goldenen Zaums ein durchgekautes Seil zu bringen. Heftig schüttelte Elin den Kopf.

»Ich will wie die Königin reiten!«

Lars nickte, als hätte er keine andere Antwort erwartet, und strich über das Sattelhorn.

»Zuerst siehst du dir den Sattel genau an. Du musst dein Werkzeug gut kennen. Er hat einen Holzrahmen – hier am Horn kannst du ihn fühlen. Ausgestopft ist er mit Pferdehaar und überzogen mit Hirschleder. Den Seidenüberzug hat Jüterbock weggelassen, es ist ein einfacher Jagdsattel, kein Prunksattel für Prozessionen. Steigbügel bekommst du aber trotzdem solche, wie die Frauen sie haben.« Er hob etwas hoch, das aussah wie ein gewöhnlicher Steigbügel – nur hatte dieser hier eine Fußkappe aus geschwärzter Bronze. »Sporen wirst du ebenfalls nicht bekommen – zumindest jetzt noch nicht. Dafür gebe ich dir einen guten Zaum. Komm mit! Wir suchen dir ein Pferd aus.«

Elins Herz schlug einen Trommelwirbel. Schüchtern folgte sie Lars, der an den Verschlagen entlangschritt. Ein dunkler Kopf wandte sich ihr zu. Selbst im Schattenriss erkannte Elin den schwanengleich gebogenen Hals des Rappen sofort wieder. Das Tier schnaubte ein weißes Wolkengespenst in die Luft und spitzte die Ohren.

»Wie heißt dieses Pferd?«, rief sie Lars hinterher. Der alte Reitmeister blieb stehen.

»Oh, der – Enhörning. Er gehört zu Herrn Magnus’ Pferden. Wird mal ein gutes Streitross. Der junge Vaincourt hat ihn geritten.«

»Ich weiß«, sagte Elin. Und in Gedanken setzte sie hinzu: Wenn man es reiten nennen kann.

»Aber nur bis zu seinem Unfall«, meinte Lars. »Dann hat die Marquise darauf bestanden, dass er ein anderes Pferd bekommt.« Er lachte, trat zu dem Tier und klopfte ihm den Hals. »Der Sanftmütigste ist er zwar nicht, aber der Schnellste allemal.«

»Enhörning«, sagte Elin leise zu sich selbst. Einhorn. »Kann ich ihn reiten?«, fragte sie zaghaft. Lars warf ihr einen Blick zu, als hätte sie gefragt, ob sie einen Waldtroll satteln dürfe.

»Wo denkst du hin, Scheuerfräulein!«, rief er. »Ein Pferd ist keine seelenlose Maschine, was auch immer uns die Kriegsherren, die Pfaffen oder irgendwelche Franzosen weismachen wollen. Du kannst nicht jeden beliebigen Reiter draufsetzen.

Ein Reiter muss sein Pferd verstehen. So wie die Königin«, fügte er mit unverhohlenem Respekt hinzu. »Sie könnte Enhörning jederzeit reiten. Er ist dickköpfig, er braucht einen Reiter, der anstelle der Sporen den Verstand gebraucht. Nein, für dich habe ich etwas Passenderes.«