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Der Raum schwankte, die schattigen Gespenster feixten im zitternden Kerzenlicht. Elin rieb sich die Augen und starrte auf die Landkarte der neuen Welt, die an der Wand hing. Da waren sie – die Americas, die Africas, das Kap der Stürme und Terra Australis. Länder und Kontinente, die sie nie sehen würde. Müde stand Elin auf und schlich aus der Bibliothek.

In der Nähe der königlichen Gemächer blieb sie verwundert stehen. Ihre Nase kitzelte. Es roch … nach verbranntem Holz? Sie lief die Treppe hinauf und erschrak. Rauch quoll unter einer Türritze hervor. So schnell, dass sie beinahe gestürzt wäre, rannte Elin die Treppe wieder hinunter und hämmerte an die Türen der Gemächer.

Wenig später war das Schloss in heller Aufruhr. Lakaien, Gardisten und Reitknechte wimmelten durcheinander. Aus Küchen und Ställen wurden Eimer herbeigeschafft. Die Küchenmädchen wurden aus dem Schlaf gerissen und kamen herbeigerannt, um beim Löschen zu helfen. In dem Chaos dauerte es eine ganze Weile, bis man eine Löschkolonne gebildet hatte, die sich lückenlos bis zum Brunnen erstreckte. Eimer um Eimer wurde hochgeholt. Inzwischen schlugen die Flammen aus mehreren Räumen im Verwaltungstrakt und den Gemächern der Königin. Elin stand mitten auf der Treppe. Ihre Arme waren längst lahm. Es war sicher schon der fünfzigste Eimer, den sie weiterreichte. Zu ihrer Erleichterung entdeckte sie am Fuße der Treppe Kristina – unversehrt, immer noch in ihrer Tageskleidung. »Lasst die verdammten Wandteppiche!«, schrie sie mit rauer Stimme. »Rettet die Akten!«

»Geben Sie her, Mademoiselle!« Der volle Eimer wurde Elin aus der Hand gerissen. Erst als der junge Mann im Studentenrock ihr flüchtig zulächelte, wusste sie, woher sie seine Stimme kannte. Es schien Jahre her zu sein, dass sie in Uppsala Schnee für die Küche geholt hatte.

»Hampus? Was machst du denn hier?«

Irritiert runzelte er die Stirn. Elin wurde klar, dass er sie mit ihrem rußverschmierten Gesicht nicht erkennen konnte.

»Arbeiten. Und studieren. Mademoiselle, der Eimer!«

Erst gegen Morgen war der Brand gelöscht. Zurück blieben Haufen von versengten, durchnässten Teppichen und verkohlten Tischen und Stühlen. Jeder, der mit anfassen konnte, half dabei, die Trümmer in den Hof zu schleppen. Die wenigen Gardinen, die durch das Löschwasser vom Feuer verschont geblieben waren, hingen starr gefroren in den verwaisten Räumen.

»Auch hier sind keine Akten beschädigt worden«, stellte Ebba Sparre fest. Ihre Hände waren schwarz von Ruß. An der Stelle, an der sie sich eine Locke hinter das Ohr gestrichen hatte, prangte ein dunkler Streifen wie eine kunstvolle Verzierung. »Ich wusste es«, flüsterte sie immer wieder. »Die Gespenster haben das Unglück angekündigt.«

»Dann kannst du jetzt ja wieder ruhig schlafen«, sagte die Königin. »Das Unglück ist passiert.« Obwohl sie beherzt klang, sprach ihr Körper eine andere Sprache. Mehrmals fielen ihr Gegenstände aus den Händen und als Elin herbeisprang, um sie aufzuheben, scheuchte die Königin sie unwillig weg. »Belle, sei so gut und hole ein paar Diener«, wandte sie sich schließlich an Ebba. »Sie sollen zusehen, dass der Kamin wieder in Gang kommt, bevor uns die Wände durchfrieren.« Kaum hatte die Hofdame den Raum verlassen, wurde Kristina aschfahl und schwankte. Elin konnte sie gerade noch stützen.

»Hast du die Fenster gesehen, Mädchen?«, flüsterte sie. Elin nickte.

»Sie waren alle weit geöffnet. Jemand wollte das Feuer nähren.« Kristina lächelte matt und stützte sich schwer auf das verkohlte Fensterbrett. »Beneidest du mich immer noch um mein Los als Königskind?«

»Wer will Sie töten?«

»Wer will es nicht? Meine eigenen Adligen, die um ihre Lehen und Privilegien fürchten und das Königtum am liebsten abschaffen würden? Oder vielleicht Geistliche, die nicht dulden, dass Katholiken an meinem Hof sind? Bürger oder Bauern? Möglicherweise war es sogar ein Agent der polnischen Wasa, die nur darauf lauern, dass Schwedens Thron verwaist ist. Dann könnten sie ihre eigenen Erbansprüche geltend machen.«

»Der Thron ist nicht verwaist«, sagte Elin. »Sie leben.«

»Fragt sich nur, wie lange noch«, erwiderte die Königin in ihrer trockenen, harschen Art. Nachdenklich starrte Elin auf das verschmierte Fensterglas. Erst jetzt erkannte sie, dass sich ein Handabdruck darauf abzeichnete – der Ruß machte die Fingerspuren sichtbar.

»Bauern waren es sicher nicht«, sagte sie leise. »Der Mann vor Jüterbocks Haus war besser gekleidet.« Kristina musste nah herangehen, um mit ihren kurzsichtigen Augen die Fingerabdrücke zu erkennen, auf die Elin deutete.

»Als ich ihn sah, hielt er den kleinen Finger betont abgespreizt«, erklärte Elin. »Und ich habe beobachtet, dass ein Mensch, der auf eine Wand schreibt, seine Hand auf Augenhöhe hält. Wenn der Attentäter beim Öffnen des Fensters ebenso gehandelt hat, würde auch die Größe passen.«

Nach dem Brandanschlag wurde die Königin krank und litt an Schüttelfrost und Fieber. Fräulein Ebba wachte an ihrem Bett, um ihr die Stirn abzuwischen, wenn die Fieberträume sie unruhig schlafen ließen. Gerüchte trieben durch das Schloss. Die Königin liege im Sterben, hieß es. Als Kristinas Kammerdiener Johan Holm erschien und Elin zur Königin bat, war sie überzeugt davon, dass es zu Ende ging. Da ihre Privatgemächer ausgebrannt waren, hatte man die Königin in einem anderen Flügel des Schlosses untergebracht. Elin erwartete, eine Atmosphäre behutsamer Stille vorzufinden, stattdessen erklang von weitem eine laute Stimme. Mit betretenem Gesicht blieb Holm stehen und bat Elin mit einer höflichen Geste, sich zu gedulden. Die Gardisten lauschten gespannt.

»Nie werde ich meine Unterschrift unter diesen Beschluss setzen!«, donnerte die Stimme des Kanzlers Oxenstierna. »Solange ich lebe, werden die Reichsräte und der Reichstag ihn nicht als Thronerben anerkennen!«

»Karl Gustav ist die beste Wahl!«, gab die Königin zurück. Das klang nicht wie die Stimme einer schwachen Kranken.

»Es war schwer genug, den Rat davon zu überzeugen, dass dieser Pfalzgrafensohn Ihr Gemahl werden soll«, rief der Kanzler. »Dann allerdings sagten Sie, Sie würden keinen Mann unter Ihrem Stand heiraten, also soll Karl Gustav nun zum Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen in Deutschland ernannt werden. Sogar dieser Wunsch wurde vom Rat respektiert. Aber Karl Gustav will nicht nach Deutschland. Er will Sie endlich heiraten!«

»Eine tote Braut nützt weder ihm noch Schweden«, erwiderte Kristina. »Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Erst das Attentat in der Kirche vor einigen Monaten – nun der Brandanschlag. Begreifen Sie denn nicht, dass Schweden für den Fall meines Todes einen Nachfolger braucht?«

Oxenstierna senkte die Stimme.

»Einen Erben braucht Schweden.«

»Nicht von mir!«, schrie Kristina. »Niemals werde ich heiraten! Nie!«

In der Pause, die entstand, kam es Elin so vor, als würde die Zeit stehen bleiben.

»Nun, Kristina«, sagte der Kanzler schließlich. »Sie sind jung. Das Privileg der Jugend ist es, dass sie sprunghaft sein darf und ihre Meinungen immer wieder ändern kann.«

Elin überraschte der väterliche Tonfall des Kanzlers. Ein Scharren war zu hören und sie drückte sich in die Ecke. Mit großen Schritten verließ der Kanzler das Gemach der Königin. Wie immer trug er seine schwarzen Gewänder und den weißen Männerkragen. Aus seinen Bewegungen sprach Resignation. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie alt doch der eiserne Kanzler war.

Wenig später winkte ihr der Kammerdiener, in das Schlafzimmer der Königin zu kommen. Dort lag Kristina in einem riesigen Bett. Auf den Bettvorhängen waren in regelmäßigen Abständen goldene Kronen aufgestickt. Die Königin war blass, schwarze Schatten lagen unter ihren Augen. Ihre Nase ragte wie ein Habichtschnabel aus ihrem Gesicht. Sobald sie Elin sah, setzte sie sich auf und schickte mit einem Wink den Kammerdiener weg.