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»Was machst du da?«, fragte der Suppenkoch.

»Ich soll Victor einen Beinwärmer bringen«, murmelte Elin. »Einer der Gäste hat darum gebeten.« Sie hoffte, der Koch würde nicht sehen, wie rot sie wurde. Aber der knurrte nur etwas und drängte sie beiseite. Elin drückte die Kapsel an sich und schob sich zur Tür.

»He!«, rief Greta. »Wo willst du hin?«

»Zu Victor!«, antwortete der Suppenkoch an Elins Stelle. »Er will die Wärmflasche für einen Gast haben.«

»Du gehst nicht!«, befahl Greta. »Maditt – bring du sie ihm! Das fehlt mir gerade noch, dass eine räudige Katze wie die da der Herrschaft vor den Füßen herumläuft.«

Alle Blicke richteten sich nun auf Elin. Das Kupfer der Wärmflasche hatte die Hitze des Eisens noch nicht angenommen, dennoch fühlte Elin sich, als würde Glut durch ihre Adern strömen, jeden Gedanken und jede Vernunft verzehrend. In diesem Augenblick hasste sie die Köchin aus vollem Herzen – mehr, als sie die Gudmunds je gehasst hatte.

Sie warf Greta einen herausfordernden Blick zu, drehte sich zur Tür und rannte los. Gretas empörter Aufschrei beflügelte ihre Schritte. »Dir gerbe ich das Fell!« Grimmiger Triumph wallte in Elin auf. Es würde Prügel setzen, ja, aber dafür musste Greta sie erst einmal erwischen! Bei jedem Schritt schlug das Eisen gegen die Wände seiner kupfernen Kammer.

»Haltet sie!«, zeterte Greta am Ende des Dienstbotengangs. Doch Elin hatte bereits die Treppe erreicht. Mit einer Hand raffte sie ihren Rock und nahm zwei Stufen auf einmal. Keuchend sprang sie weiter, die heiße Kapsel fest unter den Arm geklemmt. Schon war sie sicher, jeden Moment eine Hand auf ihrer Schulter zu spüren, als ihr plötzlich klar wurde, dass die Schritte, die sie hörte, nur ein Hall waren, der von den glatten Wänden zurückgeworfen wurde. Die Rufe waren verstummt. Elin erreichte die letzte Stufe, fegte um die Ecke und hielt keuchend inne. Sie drückte sich an das kalte Mauerwerk und lauschte den trommelnden Schlägen ihres Herzens. Tatsächlich, niemand folgte ihr! Zumindest ein wenig Zeit hatte sie gewonnen. Mit zitternden Fingern rückte sie ihre verrutschte Haube zurecht. Schließlich holte sie tief Luft und betrat den Seitengang, der zur großen Vorhalle führte.

Sie hatte Glück – in der Halle befanden sich keine Gäste, nur Victor saß auf einem Holzstuhl neben der Treppe und wartete geduldig wie immer darauf, dass jemand durch das Tor eintrat.

»Victor!«, rief sie ihm leise zu. Der Lakai schrak hoch und stand wenig später kerzengerade neben dem Stuhl. In seiner Jugend musste Victor ein schöner Mann gewesen sein, nun aber hingen die prächtig bestickten Schöße seiner Livree traurig herab und seine Beine in den Halbhosen und den hellen Strümpfen sahen mager aus. Als er erkannte, wer ihn gerufen hatte, verlor er seine gerade Haltung und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken.

»Die Kleine von den Königshügeln«, brummte er. »Was bringst du?«

»Heute kein heißes Bier«, antwortete Elin. »Dafür aber etwas zum Aufwärmen.«

»Oh gut«, sagte er. »Meine alten Knochen sind heute aus Eis.« Sein hageres Gesicht verzog sich zu einem besorgten Lächeln. »Dein Gesicht glüht ja, Kind. Hast du Fieber?«

»Greta ist hinter mir her«, flüsterte Elin. »Ich brauche deine Hilfe!«

»Greta, hm. Da kann ich dir nicht helfen. Sie ist deine Herrin, ich bin nur für die Gewänder zuständig.«

»In der Küche verdächtigen sie Emilia, das Medaillon gestohlen zu haben!«, sprudelte es aus Elin heraus. »Ich will nicht, dass sie ihre Arbeit verliert.«

Victors Gesicht verdüsterte sich. Resigniert schüttelte er den Kopf.

»Diese Meute«, murmelte er. »Emilia würde nie stehlen. Aber ich fürchte, jemand wie du kann da nichts machen.«

»Vielleicht doch! Aber dazu muss ich etwas wissen – über Fräulein Sparre.«

»So? Was denn?«

»Ich habe gehört, dass sie heute im Park war.«

»Ja, natürlich. Ganz verfroren war sie, als sie vom Spaziergang zurückkehrte. Und unser französischer Gast auch …«

»Sie trug ein Tuch. Hat sie es bei dir abgelegt? Kann ich … es sehen? Bitte!« Victor runzelte die Stirn. »Es ist weiß«, drängte Elin. »Mit Blumenranken.«

»Ach das! In der Kleiderkammer ist es nicht. Als sie es abnahm, ist sie mit ihrem Ring daran hängen geblieben und aus der Stickerei haben sich Fäden gezogen. Deshalb habe ich das Tuch nach dem Spaziergang auf Fräulein Sparres Geheiß der Kammerfrau der französischen Gäste bringen lassen. Sie versteht sich auf diese Art der Stickerei und wird es ausbessern. Was hast du vor?«

Auf der Treppe zum Dienstbotengang wurden Schritte laut. Elin trat näher an Victor heran.

»Sie dürfen mich nicht finden«, flüsterte sie. »Ich kann Emilia vielleicht helfen. Aber dazu muss ich erst das Tuch sehen.« Der alte Diener war bleich geworden. Seine Unterlippe zitterte vor Anspannung. »Wo ist die Kammer, in der das Tuch liegt, Victor? Ich schwöre, ich mache dir keine Schwierigkeiten – wenn dich jemand fragt, sag einfach, du hast mich nie gesehen!«

Elin blickte sich um. Gleich würde die Tür auffliegen und Greta würde Elin in die Küche zurückschleppen. Und diesmal würde sie sicher nicht mit einem blauen Fleck davonkommen. Victor schien den gleichen Gedanken zu haben.

»Gut, Mädchen. Geh diese Treppe hier hinauf und nimm oben die Schürze ab, verstanden? Die Gardisten und die Diener sind heute nicht besonders aufmerksam – und wenn dich jemand fragt, sag, du bringst die bestellte Wärmflasche für Madame Joulain. So heißt die Kammerfrau der Marquise. Kannst du dir das merken?« Elin hielt die Luft an und nickte. In knappen Worten beschrieb der alte Diener den Weg.

»Danke!«, flüsterte sie und rannte los. Nur ganz am Rande vernahm sie, wie unten die Tür zum Dienstbotengang aufging. Victors unterwürfige Stimme klang zu ihr herauf. Völlig außer Atmen kam sie endlich bei der obersten Treppenstufe an und rannte zu einem der Fenster, durch die diffuses Schneelicht hereinfiel. Obwohl es erst Nachmittag war, senkte sich bereits die Dunkelheit über Uppsala. Elin zog die Schürze aus, knüllte sie zusammen und verbarg sie unter einem der Vorhänge. Sie drückte das beruhigend heiße Kupfer an ihre Brust und lief los.

Niemals zuvor war sie in diesem Teil des Schlosses gewesen. Einmal zog sie sich hinter einen Vorhang zurück, bis zwei Gardisten an ihr vorbeigegangen waren. Sie huschte an Türen vorbei und vernahm Gesprächsfetzen in fremden Sprachen. Unbehelligt kam sie am dritten Gang an und stand, wie Victor es ihr gesagt hatte, vor einer getäfelten Tür. Elin nahm ihren ganzen Mut zusammen und klopfte.

Das Gesicht einer Kammerfrau erschien. Sie war in ein schwarzes Kleid geschnürt und sah aus wie ein trauriger Schoßhund. Ihr weißes Haar war zu winzigen Löckchen gedreht, ein beinahe erschreckender Kontrast zu ihren tiefen Falten und ihrem zerknitterten Mund. Elin wurde sich bewusst, dass sie das groteske Gesicht anstarrte. Schnell machte sie einen Knicks.

»Der Beinwärmer für Madame Joulain«, sagte sie leise.

Die Frau runzelte die Stirn.

»Wir haben nicht danach rufen lassen.«

Elin tat so, als würde das große Gewicht der Kapsel sie nach unten ziehen.

»Davon weiß ich nichts«, sagte sie unterwürfig. »Mir wurde lediglich aufgetragen, Ihnen das hier zu bringen.«

»Seit wann verrichtet das Küchenpersonal die Arbeit der Diener?«

»Alle Diener sind auf der Suche nach dem Medaillon.«

Angewidert betrachtete die Frau Elins Rock, der am Saum noch durchnässt war. Elin verzog das Gesicht, als hätte sie sich an dem heißen Kupfer verbrannt, und schüttelte die Hand in gespieltem Schmerz.

»Nun gut, komm herein«, sagte die Kammerfrau endlich. Die Tür schwang auf. Ein rechteckiger Raum mit zwei Verbindungstüren zu den anderen Zimmern wurde sichtbar. Im Kamin flackerte ein träges Feuer vor sich hin. Vor dem Fenster, das halb hinter schweren Vorhängen verborgen war, trieb Schnee vorbei. Die alte Kammerfrau mit den Locken eines jungen Mädchens sagte etwas in französischer Sprache, das sich für Elin anhörte, als würde jemand mit einer Halsentzündung nuscheln.