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»Sie wissen, dass ich nicht gerne tanze.«

»Eine Sünde. Du und meine Belle auf der Bühne – was für ein wunderbarer Anblick wäre das! Aber hör zu, Elin – ich möchte dir etwas schenken. Schönheit vergeht, die Kunst ist ewig. Deshalb schenke ich dir ein Porträt. Mein Hofmaler David Beck wird es anfertigen. Ein schönes, großes Gemälde für dich – und ein kleines Porträt für mich. Damit ich mich, wo ich auch bin, immer an dich erinnere.«

Elin schnappte nach Luft. Ihr Zorn wich der Verzweiflung. In diesem Moment bedeutete ihr das Geschenk der Königin nichts. Schwer wie eine nicht eingelöste Schuld lag Henris Zaumzeug in ihrer Hand.

»Danke, Majestät«, murmelte sie und machte sich auf den Weg zu den Stallungen. Noch nie war es ihr so tröstlich erschienen, die heubestäubten Gänge zu betreten und Enhörnings Atem in ihrer Hand zu spüren. Wie so oft stritt sie mit Lars darüber, dass sie alleine ausreiten wollte – und gewann zu ihrer Überraschung das Wortgefecht. Der Reitmeister schüttelte den Kopf und warf resigniert die Arme in die Luft.

»Gut, Fräulein Scheuermagd«, wetterte er. »Wenn du meinst, dass du alles gelernt hast, dann fliege!«

Und Elin flog. Auf Enhörnings Rücken verschwammen die Bäume am Ufer zu einer verwaschenen Abfolge von Licht und Schatten und wirbelnden Sommerfarben. Der Wind kühlte ihr Gesicht. Zum ersten Mal ließ sie den Gedanken zu, dass sie ihre Mutter nie finden würde. Erst als sie Enhörning zum Stehen gebracht hatte, erkannte sie, wohin sie instinktiv geritten war: zu der Stelle, an der Henri sie festgehalten hatte.

David Beck, der Hofmaler, hatte so helle Wimpern und Brauen, dass Elin sie auf die Entfernung nicht erkennen konnte. Wenn er malte, machte der Künstler einen spitzen Mund wie eine alte Dame, die an einem heißen Getränk nippte. Der Stoff seiner schwarzblauen Ärmel war geschlitzt, sodass bei jeder Bewegung, die er an der Staffelei ausführte, die weißen Wäscheärmel hervorblitzten. Und sie blitzten oft.

Gerade zog er einige Skizzenstriche und ließ seinen Blick immer wieder über Elins Züge wandern. Noch nie hatte jemand ihr Gesicht so lange und so unbarmherzig nach Schatten, Fältchen und Linien abgesucht.

»Sehen Sie etwas weiter nach rechts, Fräulein Elin. Ja, das ist besser, so kommt die Linie der Wange besser zur Geltung. Sie haben schöne Wangenknochen.«

Lovisa blickte von ihrer Stickerei auf und musterte den Maler wie ein Hofhund den Fuchs vor dem Hühnerstall. Elin verkniff sich nur mühsam ein Lächeln.

»Wenn wir mit dem Ölbild anfangen, können Sie sich entscheiden, was für ein Gewand Sie tragen wollen«, fuhr Beck fort. »Ihre Augen haben einen besonderen Farbton. Ein Grau, das grün oder blau schimmern kann – je nachdem, welche Stofffarbe den Augen schmeichelt.«

»Wechselhaft wie ihr Gemüt«, bemerkte Lovisa trocken.

»Grün!«, rief Elin. »Ich möchte, dass meine Augen grün sind.«

»Ein Hündchen wäre passend«, meldete sich Lovisa wieder zu Wort. »Das biblische Symbol der Treue.«

»Ein Jagdhund!«, schlug Elin vor. »Die Königin wird begeistert sein, wenn einer ihrer Jagdhunde auf dem Porträt ist.«

»Ich dachte da eher an das weiße Schoßhündchen von Madame Chanut«, entgegnete die Kammerfrau. »Das passt auch auf die Miniaturen.« Sie nickte Herrn Beck zu und bat ihn fortzufahren. Den Rest der Sitzung fiel es Elin besonders schwer, ruhig zu sitzen. Kaum hatte Herr Beck seine Kohle zur Seite gelegt, sprang sie auf und folgte der Kammerfrau zu den Mädchenräumen.

»Lovisa!«, rief sie ihr hinterher. »Warte! Was für Miniaturen? Die Königin hat nur eine bestellt.«

»Eine für die Königin, eine für mich – und eine als Geschenk für eine besondere Person«, sagte Lovisa geheimnisvoll. »Und nun muss ich sehen, dass ich für dich ein hellgrünes Kleid finde.« Und mit einem Lächeln fügte sie hinzu: »Schließlich sollst du Augen haben wie die Waldfeen aus den Märchen.«

Doch da war noch etwas, was Elin seit dem Streit mit Kristina auf der Seele lag.

»Lovisa, kanntest du die Königin, als sie ein junges Mädchen war?«

»Ihre Tante kannte ich gut, die selige Katharina. Warum?«

»Was ist mit Kristinas Mutter?«

»Die Brandenburgerin«, murmelte Lovisa abfällig. »Gustav Adolf nannte sie sein ›Hauskreuz‹ und er hatte Recht damit.« Sie trat näher an Elin heran. »Für Kristina ist es ein Segen, dass ihre Mutter vor sechs Jahren aus Schweden floh. Obgleich sie sich einen besseren Zufluchtsort als ausgerechnet unseren Erzfeind Dänemark hätte aussuchen können. Frage also besser nicht nach der Landesverräterin. Hier spricht man nicht über sie.« Lovisas Stimme wurde noch leiser. »Wahnsinnig ist Maria Eleonora. Sie hat sich in Gustav Adolf verbissen wie ein tollwütiger Hund und ihm das Herz aus der Brust gerissen. Und das meine ich wörtlich.«

Elin schauderte. Die anatomischen Lehrtafeln mit den hautlosen Menschen kamen ihr in den Sinn. Sie wagte nicht weiterzufragen, aber ein mulmiges Gefühl blieb. Und zu dem Gespenst der weißblonden Frau gesellte sich in den folgenden Nächten ein Nachtmahr, der ein bluttriefendes Herz in den Händen hielt.

Das Kleid, das Elin bei der nächsten Sitzung trug, war tief dekolletiert. Weiße Spitze bedeckte züchtig ihre Schultern. Ebbas Silberkreuz hing um ihren Hals. Aus den Augenwinkeln schielte Elin zu der Palette, auf der der Maler mit flinken Bewegungen eine Farbe anmischte.

»Berggrönt – Berggrün, so wie die Farbe Ihres Kleides«, erklärte er, als er ihre Neugier bemerkte. »Es wird aus zerstoßenem Malachit gewonnen. Und für den Himmel im Hintergrund verwende ich Kopparblätt, das ist Azuritblau.«

»Wozu brauchen Sie so viel Schwarz?«, fragte sie gepresst. Es war anstrengend, in dieser starren Pose mit dem unnatürlich gestreckten Hals zu sprechen.

»Elfenbeinschwarz«, sagte Beck geheimnisvoll.

»Müsste es nicht ›Elfenbeinweiß‹ heißen?«

»Das ist das Wundervolle an der Kunst. Hier wird Schwarz manchmal Weiß und Weiß Schwarz. Dieses hier wird aus dem Elfenbein von Pottwalzähnen hergestellt. Dafür zerreibt man es zu Pulver und brennt es in eisernen Töpfen. Das Schwarz, das dabei entsteht, bekommt in Kombination mit Bleiweiß einen wunderbaren Blaustich, ideal für Schatten und die Vorhänge, die ich am Bildrand malen werde.« Konzentriert tupfte David Beck den Pinsel in das zarte Grün und machte sich ans Werk. Maler und Modell waren so vertieft in ihre Arbeit, dass sie das Klopfen an der Tür gar nicht bemerkten. Erst als sie klickende Krallen auf dem Holzboden hörte, wurde Elin aufmerksam.

»Um Himmels willen«, murmelte Lovisa.

In der Tür stand Hampus. Um seine Hand gewickelt war eine lederne Leine, an der einer der Jagdhunde der Königin zerrte.

»Sie gestatten, Frau Lovisa. Es war Elins Wunsch, einen Jagdhund für das Porträt zu bekommen. Dieser hier ist der sanfteste und der geduldigste.«

Lovisa musterte Hampus von oben bis unten, dann gab sie ihren Widerstand erstaunlich schnell auf.

»Also gut.«

Hampus strahlte über das ganze Gesicht und wagte erst jetzt, sich Elin zuzuwenden. Bei ihrem Anblick entglitt ihm das höfliche Lächeln.

»Nicht lachen, Fräulein Elin«, beschwerte sich Herr Beck. »Lieblich und würdevoll! Würdevoll!«

Mühsam zog Elin die Mundwinkel nach unten und zwinkerte Hampus zu. Endlich fing er sich, schloss den Mund wieder und lächelte zurück.

»Na los«, befahl Lovisa. »Bringen Sie das Vieh zum Fräulein. Wenigstens ist der Hund von guter Rasse.«

Der Student schluckte und führte den Hund zu Elin. Sie fühlte seine Hand, die seltsamerweise ein wenig zitterte, und nahm die lederne Leine entgegen. Hampus befahl dem Hund, Platz zu nehmen, dann entfernte er sich rasch wieder in Richtung Tür.

»Bitte, Lovisa«, sagte Elin leise. »Lass Herrn Hampus eine Weile zusehen, wenn er möchte. Er studiert doch die Anatomie und den Sitz der Muskeln am menschlichen Körper. Als Studie ist ein solches Gemälde sicher interessant für ihn. Dabei kann er noch etwas lernen.«