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»Es tut mir so Leid. Das … wusste ich nicht. Man sagte mir, du seist Witwe, aber dass es so war …«

Lovisa lachte bitter auf.

»Witwen sind Witwen, gleichgültig, wie ihr Mann zu Tode kam. Ich denke, Eriks Tod hätte ich verwunden, irgendwann.

Aber was ich Gustav Adolf nie verzeihen werde, ist ein anderes Leben, das mir teuer war.«

Mühsam riss sie den Blick von einer Kogge los, die Kurs auf die Schleuse nahm, um in die Ostsee hinauszufahren, und wandte sich Elin zu. Elin erschrak, so verändert sah Lovisa aus. Aus der grell geschminkten herrischen Hofdame war eine zu früh gealterte, unglückliche Greisin geworden.

»Erik und ich hatten uns so viele Jahre Kinder gewünscht«, sagte sie. »Aber Jahr für Jahr saß ich mit einem leeren Schoß da, während alle anderen Frauen Kinder bekamen. Du kannst dir vorstellen, wie glücklich ich war, als Gott sich doch noch erbarmte. Ich war alt damals – siebenunddreißig Jahre. Der König selbst gratulierte mir zu diesem späten Segen. Er war ein fröhlicher Mann, ich mochte ihn sehr gerne. Er konnte uns wohl am besten verstehen, waren er und seine Brandenburgerin doch selbst lange mit Kinderlosigkeit geschlagen. Er schenkte mir einen vergoldeten Wolfszahn – ein Schutzamulett, das Neugeborene bis zur Taufe vor dem Teufel schützen soll. Nun, meinem kleinen Mädchen hat es nichts genützt. Ich gebar es viel zu früh in der Nacht, nachdem die Wasa gesunken war – und ich bin sicher, sie ist an meinem Entsetzen gestorben. Dafür verfluche ich Gustav Adolf – für seine Ungeduld und sein Ungestüm, das auch seine Tochter geerbt hat.«

»Weil er deinen Mann aufs Schiff berufen hat?«

»Oh nein. Mein Erik war ein Kriegsmann, mit seinem Tod musste ich rechnen. Was ich Gustav Adolf nicht verzeihe, sind seine Briefe aus Polen. Er schickte Befehle und immer wieder neue Anweisungen, als das Schiff schon halb fertig war. Noch mehr Segel, noch ein zweites Batteriedeck, noch mehr Kanonen – so lange, bis die Schiffsbauer eine nicht seetüchtige Todesfalle zu Wasser ließen. Ach, hätten doch nicht alle so blind gehorcht und stattdessen ein besseres Schiff gebaut!« Mit einem traurigen Lächeln streckte sie die Hand aus und strich Elin über das Haar. »Mein kleines Mädchen wäre heute zwei Jahre jünger als die Königin – und nur wenig älter als du.« Elin nahm Lovisas Hand und drückte sie an ihre Wange. Sie sah Lovisas Angst und ihren Kummer, der unter der Schminke und dem herrischen Gebaren verborgen lag, und schämte sich für jeden abfälligen Satz, den sie zu ihr gesagt hatte. Ob ihre Mutter auch so sehr um sie getrauert hätte?

»Du wirst nicht mitfahren«, sagte sie zu Lovisa. »Ich verspreche es dir. Niemand wird dich zwingen, auf ein Schiff zu steigen – auch die Königin nicht.«

Niedergeschlagen stand Elin am Skeppsbron und sah zu, wie Diener die Vorräte an Bord brachten. Zwei Träger hatten einen langen Stock geschultert, an dem mit Seilen ein Fass aufgehängt war. Im Takt ihrer Schritte gluckerte darin der Wein. Es war so früh am Morgen, dass noch Nebel über dem Wasser lag. Mit gemischten Gefühlen betrachtete Elin das Schiff. Es war ein kleiner Zweimaster, schnittig und schnell. Was mochte es für ein Gefühl sein, an Deck zu stehen und zu spüren, wie das Schiff untergeht?

Trotz der frühen Stunde hatten sich bereits Schaulustige am Hafen eingefunden. Einige Eisenträger gingen im Hintergrund vorbei zu den Verladestellen an der Schleuse – auf den Schultern lange Stangen von schwerem Roheisen, die sie geschickt durch die schmalen Gassen zum Hafen balancierten.

Kristina erschien spät und in Begleitung von Axel Oxenstierna, der ein letztes Mal versuchte sie umzustimmen.

»Ich bitte Sie, Majestät: Empfangen Sie sie hier, wie es sich gehört. Wenn Sie schon Ihrem Stolz nicht folgen wollen, dann denken Sie wenigstens an das Wetter. Es könnte stürmen.«

»Ich liebe die Stürme«, erwiderte Kristina. »Und ich sehe nichts Ehrenrühriges daran, eine kranke Frau so zu begrüßen, wie es sich für eine Tochter geziemt.«

Wie immer, wenn der Kanzler in ihrer Nähe war, machte Elin, dass sie davonkam. Heute führte der einzige Weg, der ihr offen stand, direkt auf das Schiff. So schnell sie konnte, lief sie die Holzstiege hinauf und ließ sich von einem Matrosen an Deck helfen.

Nur wenig später erschien Kristina, die Zornesröte noch im Gesicht.

»Endlich!«, rief sie ihrem Kammerdiener Johan Holm zu. »Ich dachte schon, der Kanzler würde mich am Hafen anketten, um mich zurückzuhalten.« Sie entdeckte Elin und riss die Augen auf. »Was machst du denn hier? Wo ist Lovisa?« Elin griff zum Geländer und machte sich auf einen Wutanfall gefasst.

»Sie kommt nicht mit.«

»Wie bitte? Ich habe ihr befohlen mitzufahren!«, brüllte Kristina. Elin nickte und versuchte ruhig und überlegt zu antworten.

»Es ist meine Schuld«, sagte sie. »Ich habe ihr gesagt, dass Sie mich an ihrer Stelle mitnehmen werden. Niemand sollte dazu gezwungen werden, über das Grab eines geliebten Menschen zu fahren.«

Kristina fluchte. »Diese schwedischen Witwen! Sie bereiten mir Kopfschmerzen wie schwarze Krähen, die noch Jahre über der Grabstätte kreisen.«

Es war nicht klug, Kristina eine Antwort zu geben, wenn sie so schlecht gelaunt war wie an diesem Tag. Trotzdem hatte Elin das Gefühl, Lovisa verteidigen zu müssen.

»Sie wissen, warum sie trauert«, erwiderte sie. »Es erscheint mir grausam, ihren Schmerz nicht zu respektieren.«

Kristina zog spöttisch eine Augenbraue hoch.

»Ach ja? Na, an diese weisen Sätze werde ich dich erinnern, wenn du die Königin aller Witwen kennen lernst.«

Elin atmete auf. Sie durfte also mitfahren – und Lovisa würde nicht, wie Elin befürchtet hatte, doch noch zum Schiff gerufen werden. Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass Kristinas Wut bereits wieder abkühlte.

»Freuen Sie sich denn nicht darauf, Ihre Mutter wieder zu sehen?«, fragte Elin leise.

Kristina ließ sich Zeit mit einer Antwort. Sie sah nachdenklich zu den Inseln hinüber und seufzte.

»Das ist ja das Seltsame«, sagte sie und lächelte plötzlich wieder. »Dass ich mich trotz allem ein wenig freue. Ich muss verrückt sein. Sehnt sich ein Gefangener nach seinem Kerkermeister?«

Das Schiff legte ab und nahm langsam Fahrt auf. Staunend betrachtete Elin Stockholm zum ersten Mal mit den Augen einer Reisenden. Wie majestätisch es wirkte, wenn man nur die Front der prächtigen Häuser sah, die den Hafen säumten!

Händler, die die lichtlosen und zum Teil schäbigen Gassen dahinter nicht zu Gesicht bekamen, mussten den Eindruck gewinnen, eine sehr reiche Stadt vor Augen zu haben. Es war seltsam, im Stehen an dieser Pracht vorbeizugleiten. Vage erinnerte sich Elin an den Geruch von Salz und Pfeifenrauch, seltsam fern und doch wie der Duft einer längst vergessenen Heimat. Als Kind war sie auf einem Schiff nach Schweden gebracht worden – war es möglich, dass sie sich nun daran erinnerte?