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Gudmund stand da wie vom Blitz getroffen. Die Nachbarn wichen vor ihm zurück, als hätte er die Pest. Nur seine Frau blieb bei ihm stehen und drückte sich ängstlich an seinen Rücken.

»Hier«, sagte Gudmund heiser. Hampus nickte mit strenger Miene.

»Isak Gudmund wurde für schuldig befunden, falsche Aussagen über Gräfin de la Feinte getätigt zu haben.« Bei diesen Worten deutete er auf Elin. Alle Blicke wandten sich ihr zu. »Widerruft er die Falschaussage nicht, habe ich den Befehl, ihn zu verhaften.« Die Soldaten schauten grimmig. »Elin?«, flüsterte Frau Gudmund entsetzt. »Unsere Elin … eine … Gräfin?«

»Keiner wage es, die Gräfin despektierlich anzusprechen«, wies Hampus sie zurecht. Henri sprang vom Pferd und machte eine tiefe Verbeugung vor Elin.

»Erlauben Sie mir, Ihnen vom Pferd zu helfen, Madame de la Feinte«, sagte er laut auf Französisch. Elin schluckte und ließ es zu, dass Henri sie vom Pferd hob. Ihre Schuhe sanken im Schlamm vor dem Hof ein. Sofort wurden Bretter herbeigeschafft und ein Holzweg ausgelegt.

»Ich möchte allein mit den Gudmunds sprechen«, sagte Elin leise. Gudmunds Frau rannte ins Haus, Truhendeckel klapperten. Henri reichte Elin den Arm. An seiner Seite schritt sie zum Haus, das so viele Jahre ihre Heimat gewesen war. Beim Anblick der rauchgeschwärzten Kate und dem Geruch nach gärendem Sauerhering schnürte es ihr die Kehle zu. So klein und schäbig war der Hof, so verwahrlost!

»Wo ist Madda?«, fragte sie.

Frau Gudmund senkte den Kopf.

»Verstorben, Gräfin de … de …«

»Lasst es gut sein«, sagte Elin. Mit einem Mal taten ihr die Bauern Leid. Sie schämte sich für diese Maskerade, schämte sich dafür, den armen Teufeln Angst einzujagen. Hampus ergriff das Wort.

»Die Anklage …«

»Hampus«, unterbrach sie ihn. »Lass mich selbst sprechen.«

Sie ging zu Frau Gudmund und betrachtete ihr graues Gesicht.

»Sagen Sie mir, was Sie über meine Eltern wissen«, bat sie und fügte auf gut Glück hinzu: »Ich weiß von Emilias Geheimnis und von Kester Leven. Ihnen wird nichts geschehen und das Vergangene ist vergessen. Aber sagen Sie mir die Wahrheit.«

Frau Gudmund ließ den Blick zu den glänzenden Waffen der Soldaten vor der Tür huschen und schnappte nach Luft.

»Wir mussten es schwören …«, flüsterte sie.

»Wem haben Sie geschworen?«

Frau Gudmund schluckte.

»Deiner seligen Tante«, sagte Herr Gudmund. »Sie fürchtete sich so, dass es herauskäme und sie verhaftet würde. Sie würden sein Andenken schänden und …« Sie verstummten und sahen sich an. Elins Herz schlug bis zum Hals.

»Warum verhaftet?«, fragte sie ruhig. Die Gudmunds zögerten. Schließlich drehte sich Frau Gudmund um und ging hinaus. Spinnweben klebten an ihren Fingern, als sie wenig später zurückkam. Ihre Hand zitterte, während sie Elin eine Kette aus geschliffenen Halbedelsteinen reichte. Es war ein Rosenkranz.

»Der hat ihm gehört«, sagte Frau Gudmund. »Wir wollten ihn vernichten, aber er ist zu wertvoll.«

Elin starrte immer noch die Kette an. Schwer wie ein Mühlstein lag sie in ihrer Hand. Frau Gudmund leckte sich wohl schon zum hundertsten Mal über die Lippen. Tränen standen in ihren Augen.

»Emilia hatte ein Schriftstück an sich genommen. Nach dem Tod deiner … Ihrer Tante. Das ist alles, was wir wissen.«

»Wirklich alles?«

Die Gudmunds nickten wie Kinder, die froh waren, den Schlägen entronnen zu sein. Es kostete Elin viel Beherrschung, sich umzudrehen und die Hütte würdevoll zu verlassen. Der Rosenkranz hatte sich in ihrem festen Griff erwärmt und glühte in ihrer Hand. Hampus sprang herbei und begleitete sie zu ihrem Pferd. Mit unbewegtem Gesicht sah Henri zu, wie der Student ihr tröstend den Arm um die Schulter legte und wie Elin die Umarmung ihres Freundes erwiderte, bevor sie auf das Pferd stieg.

Kristina starrte sie an, als hätte sie verkündet, dass sie Kester Leven heiraten wolle.

»Bist du sicher?«, rief sie.

»Nein«, antwortete Elin. »Aber es sieht ganz danach aus, als wäre mein Vater in Deutschland heimlich konvertiert. Wenn meine Vermutung richtig ist, starb er als Katholik. Seine Schwester hat versucht, es zu verheimlichen. Emilia war die Einzige, die davon wusste.«

Kristina holte Luft und stützte sich auf dem Schreibtisch auf.

»Der Rosenkranz beweist gar nichts. Er kann auch Kriegsbeute sein. Für einen einfachen Soldaten ist er einiges wert.«

»Warum hat er ihn dann nicht zu Geld gemacht?«

»Er könnte auch deiner Mutter gehört haben. Es ist gut möglich, dass sie katholisch war.«

»Und warum hüten die Gudmunds das Geheimnis um meinen Vater um jeden Preis? Was ist mit dem Dokument?«

»Weißt du, was es bedeutet, wenn ein schwedischer Bürger katholisch wird?«, sagte Kristina. »Hochverrat. Wäre dein Vater nicht gestorben, hätte man ihn in Stockholm hingerichtet. Bei der Religion verstehen unsere hohen Herren keinen Spaß. Und wie bringst du jetzt Kester Leven ins Spiel?«

»Er nannte mich Papistenkind. Das … könnte bedeuten, dass … ich ebenfalls katholisch getauft wurde. Wie meine Eltern. Emilia hat das Geheimnis bewahrt – sie war die Freundin meiner Tante. Ich bin überzeugt, dass sie sich vor ihrem Tod Kester Leven anvertraut hat. Er hat jetzt alle Unterlagen.«

Kristina stöhnte und vergrub ihre kräftigen Finger in ihrem Haar. »Guter Gott«, sagte sie.

»Was werden Sie tun, Kristina?«

Die Königin zog überrascht die Brauen hoch.

»Tun? Gar nichts. Sollen wir das zu einem Skandal hochspielen? Soll ich einen Bediensteten des Bischofs beschuldigen, Dokumente zu unterschlagen? Emilia hat sie ihm gegeben, alles andere zählt nicht.«

»Aber es sind meine Dokumente, was auch immer darin steht! Es geht um meine Eltern!«

»Deine Eltern sind unwichtig«, sagte Kristina hart. »Es geht um dich. Wenn ich Kester Leven richtig einschätze, wird er Emilias Geheimnis hüten – er mag eitel und dünkelhaft sein, aber er ist mit Herz und Seele Geistlicher und hat hohe moralische Prinzipien. Und du bist heute eine Lutheranerin wie wir alle, gleichgültig, wie deine Eltern dich auf dem Schlachtfeld getauft haben mögen.«

»Aber Kristina!«

»Leven untersteht direkt dem Bischof. Ich kann ihm nicht befehlen, seine Schubladen vor uns auszuleeren.«

Als sie sah, wie Elin mit den Tränen kämpfte, wurde ihr Gesicht ein wenig weicher.

»Versteh mich doch, Elin«, bat sie sanft. »Ich werde versuchen, etwas darüber in Erfahrung zu bringen, das verspreche ich dir. Aber der direkte Weg ist zu gefährlich. Nehmen wir an, jemand zettelt eine Intrige gegen dich an und behauptet, du seist schon immer katholisch gewesen und hättest dich bei Hof eingeschlichen, um deinen Glauben zu verbreiten. Oder du seist eine Spionin der Papisten. Nehmen wir an, die Gudmunds lassen sich bestechen, jeden Eid zu schwören, dass deine Feinde die Wahrheit sprechen. Dann könnte selbst ich dich nicht davor schützen, dass dein Kopf eines Tages am Südtor aufgespießt wird.«

Elin fröstelte. Kristina hatte Recht. Trotzdem brannten Wut und Enttäuschung in ihrer Brust. Die Königin griff zur Feder – ein Zeichen dafür, dass die Unterredung für sie beendet war. »Und nun zu eurer ›Delegation‹«, sagte sie. »Solche Dinge dulde ich auf gar keinen Fall. Du wirst die Gudmunds mit einem angemessenen Betrag aus deinem Privatvermögen großzügig für den Schreck entschädigen. Und Henri de Vaincourt und seine Freunde will ich auf Tre Kronor nicht mehr sehen.«

Elin verabschiedete sich in den frühen Morgenstunden vor der Rückkehr nach Stockholm von Hampus. Er nahm sie in den Arm, drückte ihre Hand. Sie sprachen nicht viel und zur Enttäuschung über Kristinas Reaktion gesellte sich das Gefühl der Einsamkeit. Wer wusste schon, wann sie ihren Freund wieder sehen würde?