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»Ich verstehe«, sagte die Königin nach einer langen Pause. »Aber warum hast du denn nicht einem Lakaien erzählt, wo du das Medaillon vermutest, und ihn die Suche in die Wege leiten lassen? Es war sehr waghalsig, in Madame Joulains Gemach zu schleichen. Du hättest erwischt werden können, dann wärst du es, die jetzt keine Arbeit mehr hätte.«

Darauf fiel Elin keine Antwort ein. Kester Leven sah sie streng an, als hätte er das Urteil über sie bereits gesprochen. Olof trat vor.

»Ich weiß, warum sie es getan hat. Weil sie aus der Küche weglaufen wollte. Sie ist eine Unruhestifterin und sie drückt sich vor der Arbeit.«

»Bekommt sie deswegen Prügel?« Die Frage brachte den Diener sichtlich aus der Fassung.

»Sie ist gestolpert und in einen Stapel mit Holzscheiten gefallen«, antwortete er. »Sie ist … ungeschickt.« Er warf Elin einen warnenden Blick zu. Für einen Moment war es, als könne sie seine Gedanken lesen. Er würde alles tun, um Greta zu schützen. Elins Wort stand gegen seins.

Die Stimme der Königin war unerbittlich.

»Stimmt das, Elin?«

Elin ballte ihre Hände zu Fäusten und funkelte Olof an.

»Nein«, erwiderte sie laut und deutlich. »Greta, die Köchin, hat mich verprügelt.«

Die Königin zog eine Braue hoch und legte die Fingerspitzen aneinander.

»Was sagst du nun, Olof?«

Der Diener fletschte die Zähne zu einem misslungenen Lächeln.

»Mag sein, dass die Köchin ihr eins übergezogen hat«, räumte er ein. »Aber nicht zu Unrecht, das Mädchen ist verstockt und unverschämt.«

»Das stimmt nicht!«, sagte Elin. »Ich bin nicht unverschämter als Ida oder Maditt.«

»Und warum schlägt Greta dich dann?«, bohrte die Königin weiter. »Was hast du getan, Elin?«

»Nichts. Ich … bin nur nicht die richtige Person.«

»Und wer wäre die richtige Person?«

»Gretas Tochter. Greta hat fest damit gerechnet, dass sie für die Zeit des königlichen Besuchs in der Küche aushelfen kann, aber der Herr Sekretär hat stattdessen mich aus der Küche des Bischofs geholt.«

»Ich verstehe«, sagte die Königin. Ebba Sparre räusperte sich, beugte sich zu Königin Kristina und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

»Wie heißt Gretas Tochter?«, wandte sich die Königin an Olof.

Das Gesicht des Dieners war von einer flammenden Röte überzogen, auch wenn er immer noch das verzerrte Lächeln zur Schau trug.

»Annagrit Lund.«

Die Königin nahm ein Blatt, griff zur Schreibfeder und tauchte die Spitze in die Tinte. Gespannt verfolgten alle im Raum, wie sie schnell einige Worte schrieb, während sie weitersprach.

»Nun, nichts ist wichtiger, als die richtigen Personen an den richtigen Stellen zu wissen – das ist im Staatsdienst so und nicht anders in der Küche. Kannst du reiten, Elin?«

Elin glaubte, sich verhört zu haben, aber an den verblüfften Gesichtern der Anwesenden erkannte sie, dass die anderen dieselbe Frage vernommen hatten.

»Nein«, antwortete sie. »Aber auf Gudmunds Hof habe ich oft dabei geholfen, die Pferde anzuschirren.«

Die Königin lächelte und wandte sich an Kester Leven.

»Wenn der Herr Bischof nichts dagegen hat, wird ab jetzt Annagrit Elins Platz in seiner Küche einnehmen. Ich bin sicher, sie wird diese Stelle weitaus besser ausfüllen, denn wie Olof teile ich die Meinung, dass Elin in der Küche nicht an der richtigen Stelle ist.«

Elin schloss für einen Moment die Augen. Aus, vorbei. Sie hatte ihre Arbeit verloren. Man rannte nicht ungestraft die Königin um. Würden die Gardisten sie nun in den Kerker schleppen? Mit einer anmutigen Geste streute die Königin Sand auf das Papier, um die noch feuchte Tinte zu fixieren, stand schwungvoll auf und überreichte das Schreiben dem Sekretär. »Seien Sie so freundlich und überreichen Sie diese Bitte dem Bischof. Sagen Sie ihm, ich möchte diese Angelegenheit heute Abend mit ihm besprechen.«

Kester Leven nahm das Papier mit einer Verbeugung entgegen.

»Natürlich, Ihre Majestät«, murmelte er. »Sie haben eine gute Entscheidung getroffen. Ich selbst habe den Fehler gemacht, Elin aus Barmherzigkeit die Stelle zu geben, für die Annagrit viel besser geeignet ist. Ich werde sie heute noch in die Bischofsresidenz zurückschicken. Es ist sicher in Ihrem Sinne, wenn ein armes Christenkind …«

»Oh nein!«, rief Kristina. »Sie haben mich nicht richtig verstanden. Jemanden, der seinen Verstand so gut zu gebrauchen weiß und dabei auch noch so viel Wagemut zeigt, kann ich besser in Stockholm gebrauchen als hier in der Küche.«

Das Lächeln des Sekretärs gefror. Elin schlug die Hand vor den Mund und starrte die Königin an. Ebba Sparre lächelte. Kester Leven sah mit einem Mal so aus, als hätte er Honig erwartet und Essig bekommen.

»Aber Majestät«, wandte er zähneknirschend ein. »Sie wissen nichts über sie. Sie ist … ein Hurenkind. Ihr Vater war ein schwedischer Soldat und seine deutsche Buhle starb auf einem Schlachtfeld, noch bevor die Tochter zwei Jahre alt war. Er ließ den Bastard nach Schweden zu seiner Schwester bringen. Als diese starb, nahm die Familie Gudmund sie auf, bis ihr Vater heimkehren würde. Nur holte er sie dort nie ab, weil er ebenfalls starb. In ihrer Güte zogen die Gudmunds das Kind auf. Und als ihr Erbe als Unterhaltsgeld aufgezehrt war und die Familie Gudmund keine Mittel mehr hatte, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, bat ich den Herrn Bischof, sie aufzunehmen – für diesen einen Winter, bis sie sich selbst in der Stadt verdingen kann. Wie Sie wissen, war ich früher Pfarrer in Gamla Uppsala und kenne die Familien dort gut. Aber ich ahnte nicht, dass dieses Mädchen so … undankbar ist.«

Elin ballte ihre Hände zu Fäusten und kämpfte gegen die Tränen an.

»Ich bin nicht undankbar«, entfuhr es ihr. »Und wer auch immer meine Mutter gewesen ist, sie hat genauso an Gott geglaubt wie Sie.« Die plötzliche Schärfe ihrer Worte wurde ihr erst in dem Moment bewusst, als sie den Satz aussprach. Unwillkürlich zog sie die Schultern hoch. In Gudmunds Haus hätte sie für eine solche Unverschämtheit eine Ohrfeige eingesteckt.

»Also zur Hälfte eine Hure und zur Hälfte ein Soldat«, erwiderte die Königin trocken. »Sicher nicht die schlechteste Mischung, um sich durchs Leben zu schlagen. Und ehrlich ist sie auch. Was man nicht von allen hier behaupten kann.« Olof blickte zu Boden.

»Elin Asenban hat das Medaillon nicht gestohlen«, verkündete die Königin. »Meine liebe Freundin Ebba ist ihr sehr dankbar, dass sie das Schmuckstück wieder gefunden hat. Ich verlasse mich darauf, dass Emilia nicht länger verdächtigt wird und dass Elin morgen Früh in der Eingangshalle wartet und zur Reise bereit ist.« Sie lehnte sich zurück und blickte sich in der Runde um. »Wir haben unsere Gäste lange genug warten lassen, denke ich. Gehen Sie schon voraus!« Auf ihren Wink zogen sich die Höflinge zurück. Ihr Getuschel und Gekicher war noch lange im Gang zu hören. Der Sekretär warf Elin noch einen drohenden Blick zu, machte nach einer zackigen Verbeugung auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.

»Ich danke dir!«, rief Ebba Sparre der Königin zu. »Ich wusste, dass die Kleine hier unschuldig ist. Du hast klug entschieden!«

»Freu dich nicht zu früh, Belle«, entgegnete die Königin. »Wenn ich sie richtig einschätze, werden wir auf Tre Kronor noch genug Ärger mit ihr haben.«

Tre Kronor! Beim Gedanken an das Schloss zu Stockholm wurde Elin schwindlig. Emilia erzählte jede Nacht davon – in Stockholm waren alle Häuser schön und sauber, die vergoldeten Giebel blendeten jeden, der zu ihnen hochsah, die Arbeit war leicht und die Schiffe aus fernen Ländern brachten prachtvolle Stoffe, duftende Gewürze und Wein, so schwer und süß wie Nektar.

»Oh, wer so gut auf meinen Schmuck aufpasst, für den wird sich schon eine Aufgabe finden«, erwiderte Fräulein Ebba. Ihr Lächeln spiegelte sich im Gesicht der Königin wider und ließ es ein wenig weicher aussehen.