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Er benutzte sein Feuerzeug noch zweimal, dann stießen seine tastenden Finger auf Widerstand. Kyles Gesicht. Er ließ die Hand einen Sekundenbruchteil länger darauf ruhen, als nötig gewesen wäre. Kyles Haut fühlte sich heiß und trocken an, obwohl sie von einem dünnen Schweißfilm benetzt war. Er konnte spüren, wie schnell und ungleichmäßig sein Puls ging. Hartmann erschrak. Er hatte Kyle bisher für unverwundbar gehalten. Aber vielleicht waren selbst die unheimlichen Regenerationskräfte des Megamannes irgendwann einmal erschöpft.

»Was ist mit Ihnen?« fragte Hartmann.

»Ich bin verletzt«, antwortete Kyle. »Aber das spielt keine Rolle. Können Sie aufstehen?«

»Sicher«, antwortete Hartmann. »Sie sind verletzt? Wo? Ist es schlimm?«

»Meine Beine«, antwortete Kyle. Hartmann hob sein Feuerzeug und wollte sich vorbeugen, aber Kyle ergriff blitzschnell sein Handgelenk und hielt es mit so eiserner Kraft fest, daß Hartmann vor Schmerz zusammenzuckte.

»Ich sagte doch, es spielt keine Rolle«, sagte Kyle noch einmal. »Außerdem glaube ich nicht, daß Sie das wirklich sehen wollen.«

»Oh«, sagte Hartmann nur.

»Stehen Sie auf«, wiederholte Kyle. Diesmal gehorchte Hartmann ohne Widerspruch.

»Treten Sie an den Transmitter heran«, befahl Kyle. »Er befindet sich genau hinter mir. Sie müssen versuchen, ihn einzuschalten. Ich würde es selbst tun, aber ich kann nicht aufstehen.«

Hartmann streckte tastend wie ein Blinder beide Arme aus, machte einen Schritt und fühlte glattes Metall unter den Fingern. Er wollte sein Feuerzeug wieder entzünden, aber Kyle rief ihn mit scharfer Stimme zurück. »Lassen Sie das! Das Gas reicht nicht ewig, und Sie werden das Licht vielleicht noch bitter nötig brauchen.«

»Ich denke, Sie können im Dunkeln sehen?« fragte Hartmann.

»Das kann ich«, antwortete Kyle ruhig. »Sie auch?«

Hartmann gab auf. Vermutlich hatte Kyle recht - außerdem hatte es wenig Sinn, mit ihm zu streiten. Seufzend steckte er sein Feuerzeug wieder ein und fragte: »Was soll ich tun?«

»An der linken Seite ist ein Schaltkasten«, antwortete Kyle. »Fühlen Sie ihn?«

»Ja.«

»Gut. Drücken Sie die beiden oberen Tasten. Gleichzeitig und so fest Sie können.«

Hartmann gehorchte. Ein metallisches Klicken erscholl.

»Versuchen Sie es noch einmal«, sagte Kyle. Irrte sich Hartmann, oder hörte er wirklich so etwas wie Panik in der Stimme des Megamannes?

Er gehorchte und versuchte es noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal. Sinnlos.

»Das habe ich befürchtet«, murmelte Kyle. »Verdammt!«

»Was haben Sie befürchtet?« Allmählich wurde Hartmann zornig. »Verdammt, Kyle, hören Sie auf, den Geheimnisvollen zu spielen.«

»Die Transmitter, Hartmann«, sagte Kyle leise. »Sie funktionieren nicht mehr.«

»Natürlich funktionieren sie nicht mehr!« ereiferte sich Hartmann. »Sie haben doch selbst gesehen, wie Ihre Freunde sie abgeschaltet haben. Wahrscheinlich wollten sie nicht, daß wir aus der Festung entkommen.«

»Ich wollte, es wäre so«, murmelte Kyle. »Aber Sie täuschen sich. Man kann einen Transmitter nicht abschalten. Nicht wirklich.«

Hartmann schwieg einen Augenblick. Ein sehr ungutes Gefühl beschlich ihn. »Dieser hier ist abgeschaltet«, murmelte er schließlich.

»Ich weiß«, antwortete Kyle. »Ich wußte es schon vorher. Ich ...« Er brach ab, lachte leise und unsicher und suchte einen Moment nach Worten. »Manchmal tut man Dinge eben wider besseres Wissen, nicht wahr? Ich meine, nur um ... um etwas nicht zugeben zu müssen. Ich fürchte, das ganze Netz ist zusammengebrochen.«

»Das ganze Netz?«

Hartmann hatte Nets Schritte nicht einmal gehört, und so schrak er heftig zusammen, als ihre Stimme plötzlich neben ihm erklang. »Sie meinen - alle Transmitter? Jeder einzelne auf der Erde?«

»Vielleicht nicht nur auf der Erde.«

Obwohl er wußte, wie sinnlos es war, hob Hartmann die Hand und drückte noch einmal die beiden Schalter. »Vielleicht ... ist nur dieser eine hier kaputt«, murmelte er. »Ich meine ... vielleicht ... vielleicht ist er durchgebrannt oder irgend so etwas.«

»Diese Geräte gehen nicht kaputt«, sagte Kyle ruhig. »Niemals.«

»Na gut!« sagte Net heftig. »Dann ist dieses verdammte Transmitternetz eben zusammengebrochen! Was ist so schlimm daran? Wenn ich mich richtig erinnere, dann sind wir genau aus diesem Grund zum Nordpol geflogen, um das verdammte Ding in die Luft zu sprengen!«

Das stimmte nicht ganz, wie Hartmann sehr wohl wußte, aber Kyle verzichtete darauf, sie zu korrigieren. »Ich fürchte, ganz so einfach ist das nicht«, sagte er ernst. »Erinnern Sie sich, was geschah, bevor wir geflohen sind?«

»Ich erinnere mich vor allem an das, was Sie gefaselt haben, Kyle«, antwortete Net heftig. »Was haben Sie damit gemeint - der Hyperraum reißt auf? Was zum Teufel soll das sein?«

»Nur ein nützlicher Ausdruck für etwas, das niemand wirklich versteht«, antwortete Kyle. »Ein übergeordnetes Kontinuum, das ...«

»Bitte, keine wissenschaftlichen Vorträge, Kyle«, unterbrach ihn Hartmann nervös. Es war ihm plötzlich nicht mehr möglich, still zu stehen. Er weigerte sich noch selbst, es zuzugeben - aber er hatte Angst. Das, was Kyle gesagt hatte, erfüllte ihn mit einer an Panik grenzenden Furcht. »Von was für einer Bombe haben Sie gesprochen?«

»Von der Waffe, die Captain Laird und Skudder entschärfen wollten«, antwortete Kyle.

»Ich nehme an, sie haben es geschafft«, sagte Net. Ihre Stimme klang nervös. »Wenn nicht, wären wir kaum hier.«

»Es tut mir leid, aber ich fürchte, Sie täuschen sich«, sagte Kyle. »Man kann diese Waffe nicht entschärfen. Sie ist so konstruiert, daß sie auf jeden Fall explodiert, wenn der Zünder einmal betätigt wurde.«

Net atmete scharf ein, und obwohl Hartmann sie nicht sehen konnte, spürte er, wie ihr Schrecken jäh in Zorn umschlug. »Und das hast du gewußt?« fragte sie. »Und hast sie trotzdem gehen lassen? Du hast gewußt, daß ...«

»Es war die einzige Möglichkeit«, unterbrach sie Kyle. »Einer von uns mußte hinauf zur Raumstation. Es tut mir leid, wenn ich euch die Wahrheit verschweigen mußte.«

»Die Wahrheit verschweigen!?« Net schrie beinahe. »Du ... du hast sie und die anderen in den sicheren Tod geschickt - und das nennst du die Wahrheit verschweigen!«

»Es ist nicht sicher, daß sie tot sind«, sagte Kyle. »Ganz im Gegenteil - sie hatten eine gute Chance, davonzukommen. Ich bin fast sicher, daß sie es geschafft haben.«

»Bevor was passiert?« fragte Net erregt. »Vor fünf Sekunden hast du behauptet, man könnte diese Bombe nicht entschärfen! Ist das wieder eine neue Lüge?«

»Nein«, sagte Kyle. »Es ist die Wahrheit. Wir haben ein Transmitterfeld erschaffen, das die Waffe an einen Ort teleportieren sollte, an dem sie keinen Schaden mehr anrichtet.«

»Sollte?« fragte Hartmann betont.

Kyle schwieg einige Sekunden. »Ich fürchte, wir waren nicht schnell genug«, gestand er dann. »Es ist nur eine Vermutung, aber nach dem, was ich in der Schwarzen Festung gesehen habe ...« Er atmete hörbar ein. Als er weitersprach, hatte sich seine Stimme verändert und klang sachlich, beinahe dozierend. Aber es war eine erzwungene Ruhe, und sie vermochte seine wirklichen Gefühle nicht ganz zu verbergen. »Die Transmitter benutzen eine übergeordnete Dimension«, sagte er, »die wir den Hyperraum nennen. Wir wissen wenig darüber; im Grunde kaum mehr, als daß es ihn gibt. Selbst dieses Wort ist eigentlich nur ein Begriff, um etwas zu beschreiben, das man nicht beschreiben kann. Aber ich fürchte, die Bombe ist im gleichen Moment explodiert, in dem sie in diese Dimension versetzt wurde. Es muß zu einer Art ... Kurzschluß gekommen sein.«

»Und dieser Kurzschluß hat das gesamte Transmitternetz lahmgelegt?« fragte Hartmann. Es gelang ihm nicht ganz, seine Stimme so beherrscht klingen zu lassen, wie er wollte. Er hatte die furchtbaren Bilder, die er in der riesigen Transmitterhalle der Schwarzen Festung gesehen hatte, nicht vergessen. So wenig wie das entsetzliche Gefühl, das dabei von ihm Besitz ergriffen hatte. Im Grunde bedurfte es Kyles Antwort gar nicht mehr. Sie alle hatten überdeutlich gespürt, daß etwas Unvorstellbares geschah.