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Charity streckte die Hand nach diesem unheimlichen Etwas aus, wagte aber nicht, es zu berühren. Statt dessen fuhr sie herum und packte die erstbeste Ameise, die sie erreichen konnte. »Was geht hier vor?« herrschte sie den Jared an. »Was bedeutet das? Was geschieht mit diesen Menschen?«

Der starre Blick der Insektenkreatur verriet Charity, daß sie die Bedeutung ihrer Worte überhaupt nicht verstand. Zornig ließ sie die Ameise los, wandte sich wieder zu der reglosen Gestalt auf der Pritsche um und tat so, als wolle sie den unheimlichen Gesichtsschutz losreißen. Doch plötzlich legte sich eine schmale, chitingepanzerte Hand auf ihren Unterarm und hielt sie mit eiserner Kraft zurück. Zugleich sagte eine schnarrende Computerstimme: »Das sollten Sie nicht tun, Captain Laird. Ganz davon abgesehen, daß Sie den Mann verletzen würden, könnte es sich negativ auf die geistige Stabilität des Mannes auswirken.«

Charity starrte Kias' Hand verärgert an, und der Jared verstand und zog seine Finger fast hastig zurück. Erst dann drehte sie sich herum und blickte ins Gesicht der Ameise. Kias war offensichtlich die ganze Zeit über hier im Raum gewesen, aber sie hatte ihn unter all den knochigen schwarzen Gestalten nicht einmal erkannt. Für sie sah ein Moroni aus wie der andere.

»Was tut ihr hier?« sagte sie noch einmal. Sie beherrschte sich nur noch mühsam.

»Governor Stone versprach Ihnen, für eine Verstärkung Ihrer Truppe zu sorgen«, antwortete Kias. Er deutete mit allen vier Armen zugleich auf vier verschiedene Pritschen, ein Anblick, der so bizarr war, daß Charity einen Moment lang Mühe hatte, seinen Worten zu folgen. »Dies sind die ersten Freiwilligen. Sie erhalten eine Schnellschulung in Ihrer Sprache, Captain Laird. Unglückseligerweise gibt es auf diesem Planeten Dutzende von vollkommen unterschiedlichen Idiomen. Außerdem übertragen wir ihnen ein gewisses Grundwissen im Umgang mit der Technik und den Waffen dieser Militärbasis.«

Es dauerte einen Moment, bis Charity die umständlichen Worte des Moroni verstand. Oder zumindest zu verstehen glaubte. »Schulung?« fragte sie erstaunt.

»Direkte elektrochemische Übertragung von Wissen unter Umgehung des Bewußtseins der lernenden Person«, erklärte Kias. »Ich verstehe, daß Sie der Anblick erschreckt, aber dieses Verfahren ist seit langer Zeit bewährt und so gut wie risikolos.« Er wiederholte seine seltsame Geste. »Diese Einheiten werden erwachen und über ein Wissen verfügen, das auf herkömmlichem Wege zu erlernen sie Wochen gebraucht hätten, vielleicht sogar Monate.«

»Wie kann so etwas funktionieren?« fragte Skudder verstört.

»Eine Art Hypnose-Schulung«, sagte Charity an Skudder gewandt, aber ohne Kias aus den Augen zu lassen. »Bei uns liefen damals Testreihen, um ein ähnliches Verfahren zu entwickeln. Die Idee ist, daß du praktisch im Schlaf lernst.« Sie tippte sich mit den Fingerknöcheln gegen die Schläfe. »Schnell und sicher und vor allem, ohne dich anzustrengen.«

Skudders Gesichtsausdruck nach zu schließen schien ihn diese Erklärung eher zu verwirren, aber seine Antwort bewies, daß dieser Eindruck täuschte. »Schön, wenn sie im Schlaf lernen, ein Flugzeug zu fliegen und einen Computer zu bedienen«, sagte er. »Ich frage mich nur, was sie sonst noch alles beigebracht bekommen.«

»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, sagte Kias.

»Oh, ich glaube, du verstehst ganz gut«, knurrte Skudder. »Ich persönlich hätte etwas dagegen, wenn man an meinem Bewußtsein herumpfuscht.«

»Ich versichere Ihnen, daß sich unsere Behandlung nur auf die Übertragung von reinem Wissen beschränkt«, sagte Kias. »Es steht nicht in unserer Macht, den Willen eines Individuums zu manipulieren. Und es würde auch gegen unsere ethischen Grundsätze verstoßen, so etwas zu tun.«

Skudder setzte zu einer Antwort an, aber Charity machte eine rasche Bewegung und zog Kias' Aufmerksamkeit damit wieder auf sich. »Ich möchte mit Stone reden«, sagte sie. »Sofort. Sag ihm das! Ich erwarte ihn in meinem Zimmer!«

»Governor Stone...«

»Governor Stone«, unterbrach ihn Charity kalt, »wird sicher einige Minuten seiner ach so kostbaren Zeit für mich erübrigen können. Und wenn nicht, dann erinnere ihn daran, daß ich bisher noch nicht zugesagt habe, das Kommando über die Armee zu übernehmen, für die er bereits so fleißig ...« Sie zögerte einen Moment, in dem sie einen langen, beinahe angewiderten Blick auf die reglose Gestalt vor sich warf. »... Freiwillige sammelt.«

»Ich werde es ihm ausrichten«, sagte Kias.

»Tu das«, antwortete Charity kalt und wandte sich mit einem Ruck von der Liege um. »Aber vergiß es lieber nicht. Ansonsten könnte es sein, daß Governor Stone ziemlich böse auf dich wird.«

Sie stürmte aus dem Raum und blieb erst nach ein paar Schritten wieder stehen, damit Skudder zu ihr aufholen konnte, ohne rennen zu müssen. Hinter dem Hopi verließ auch Harris den ehemaligen Lagerraum, um sich ihnen anzuschließen.

Charity fuhr ihn an, noch ehe er sie ganz erreicht hatte: »Haben Sie nichts zu tun, Harris? Oder hat Governor Stone Sie vielleicht beauftragt, uns ein wenig im Auge zu behalten?«

Harris zuckte nur mit den Schultern und verschwand hastig.

Skudder blickte ihm verwirrt nach, dann wandte er sich mit fragendem Gesichtsausdruck an Charity. »Was ist denn plötzlich in dich gefahren? Er wollte nur freundlich sein.«

Charity ging weiter, ehe sie antwortete. »Ich weiß. Aber ich brauche niemanden, der wie ein Schoßhündchen hinter mir herzieht und von dem ich noch nicht einmal genau weiß, wer er ist!«

»Wie meinst du das?«

»Ich meine, daß ...« Charity brach mitten im Satz ab, als ihr klar wurde, daß sie ganz kurz davor stand, Skudder anzuschreien, obwohl er überhaupt keine Schuld an ihrem Zorn trug. Charity schüttelte nur zornig den Kopf und versuchte, sich zusammenzunehmen. In ihrem Quartier schloß Skudder die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust. »Also?«

Charity sagte noch immer nichts, sondern trat wortlos an das Computerterminal auf dem Schreibtisch heran und klinkte sich in die Datenbank der Bunkerstation ein. Skudder trat stirnrunzelnd hinter sie, während sie mit einem Finger zu tippen begann.

»Weißt du noch, wie Harris mit Vornamen heißt?« fragte sie.

Skudder nickte verwirrt. »John, glaube ich - warum?«

Charity setzte ein Komma hinter den Namen Harris, der auf dem Bildschirm erschienen war, tippte ›John‹ ein und nickte mit einer Art grimmiger Befriedigung, als genau das geschah, was sie erwartet hatte - nämlich nichts.

»Würdest du mir vielleicht freundlicherweise verraten, was du da tust!« fragte Skudder mit hörbarer Ungeduld.

Charity deutete zornig auf den Monitor. »Sieh selbst, Skudder. Es gibt keinen John Harris in dieser Station. Der Computer wüßte es.«

Skudder schwieg ein paar Augenblicke. »Versuch es mit Jonathan«, schlug er dann vor.

Charity hätte ihm sagen können, daß das Computerprogramm ihr ganz automatisch auch alle ähnlich klingenden Namen aufgelistet hätte, aber sie tat ihm den Gefallen. Ohne Ergebnis. Es gab keinen Mann mit Namen Harris, der im Computer abgespeichert war.

»Hm«, machte Skudder und runzelte die Stirn. »Und was bedeutet das?«

»Daß es keinen John Harris in diesem Bunker gibt. Wer immer der Kerl ist - er lügt, oder er erinnert sich an etwas, das nie passiert ist.«

»Du hast also auch Angst, sie könnten ihnen falsche Erinnerungen eingegeben haben«, sagte Skudder.

Ehe Charity antworten konnte, sagte eine Stimme von der Tür her: »Ich verstehe zwar, daß Sie diese Befürchtungen haben, aber ich versichere Ihnen, daß sie völlig ungerechtfertigt sind, Captain Laird.«

Charity starrte Stone mit so voller unverhohlener Wut an, daß der Governor für eine Sekunde mitten im Schritt verharrte und sein Lächeln plötzlich sehr unsicher wirkte, als er weitersprach. »Ich versichere Ihnen, daß wir keinerlei Geheimnisse haben.«