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Sie konnte nicht unterscheiden, wer wer war - aber das spielte auch gar keine Rolle. Das Entscheidende war, daß dieser Kampf überhaupt nicht hätte stattfinden dürfen!

Daß es dem Moroni gelungen war, sich totzustellen und die Jared zu täuschen, das war unglaublich genug.

Aber wieso wehrte er sich noch?

Auch Skudder verfolgte den Zweikampf der Insekten mit wachsender Fassungslosigkeit. Der stumme Kampf wurde mit einer Verbissenheit geführt, die Charity schaudern ließ. Die Ameisen schlugen und hackten mit ihren fürchterlichen Krallen aufeinander ein, versuchten mit den Mandibeln die Augen oder den dürren Hals des Gegners zu packen, ohne daß einer dem anderen wirklich überlegen war.

Charity spürte die unvorstellbar Wut, die beide Gegner beseelte. Ein Haß, der weit über alles hinausging, was sie jemals erlebt hatte. Es war nicht nur einfach Feindschaft, sondern ein Haß, der so alt wie die beiden unterschiedlichen Wesen war, auf deren Seiten die Ameisen kämpften.

Ein grellweißer Laserstrahl schnitt vor Charity durch die Luft und traf eine der Ameisen in den Rücken. Der Gestank von brennendem Horn und Fleisch erfüllte die Luft, und die beiden Ameisen erschlafften.

Erschüttert wandte sich Charity um. Vier, fünf Jared waren herbeigeeilt und hatten ihre Waffen abgefeuert. Für einen Moment war sie fassungslos, dann machte sich ein kaltes, lähmendes Gefühl von Entsetzen in ihr breit. Es war nicht das erste Mal, daß sie miterlebte, wie gnadenlos die Jared ihre eigenen Kameraden opferten, wenn sie glaubten, einen Nutzen davon zu haben. Sie dachte an Leßter, und obwohl sie sich dagegen zu wehren versuchte, brachte diese Erinnerung die Frage mit sich, ob die Jared vielleicht eines Tages das Leben eines ganzen Volkes opfern würden, wenn es ihrer absurden Auffassung von Logik entsprach.

Einer der Jared trat vor und senkte seine Waffe. »Sie sind verletzt«, schnarrte eine metallische Stimme.

Charity wich hastig einen Schritt zurück, als das Wesen eine seiner vier Hände hob und nach ihr greifen wollte. »Rühr mich nicht an!« sagte sie.

»Sie sind verletzt«, wiederholte der Jared stur, ohne auf ihren zornigen, fast schon hysterischen Ton zu reagieren. Vermutlich hatte er ihn nicht einmal zur Kenntnis genommen. »Bitte begleiten Sie mich an Bord unseres Schiffes. Wir werden Sie dort ärztlich versorgen.«

Charity hob die Hand an die verletzte Wange, spürte Blut und erst in diesem Moment den brennenden Schmerz. Trotzdem sagte sie: »Das ist nicht nötig.«

»Wie Sie wollen«, erwiderte der Jared. »Bitte, verzeihen Sie die Gefahr, in die Sie durch unseren Fehler gerieten. Er wird sich nicht wiederholen.«

Wie eine Maschine, die alles getan hatte, was ihr eingespeichertes Programm vorsah, wandte sich der Jared und im gleichen Moment auch seine Begleiter um und stakste davon. Und nur einen Augenblick später blitzte es überall auf der Lichtung grell und weiß auf. Voller neuerlichem Entsetzen begriff Charity, daß die Jared aufgehört hatten, nach Überlebenden zu suchen, und statt dessen auf die reglos daliegenden Moroni-Krieger schossen.

Schaudernd wandte sie sich um und sah noch einmal auf die beiden toten Ameisen neben sich herab. Die beiden Geschöpfe hielten sich noch im Tod umklammert. Die ungeheure Hitze der Laserstrahlen hatte sie regelrecht zusammengeschmolzen, so daß es Charity fast unmöglich war zu sagen, welche Gliedmaßen zu welchem Wesen gehörten. Trotzdem zwang sie sich, die Ameisen noch eingehender zu betrachten.

»Es ist vorbei«, sagte Skudder hinter ihr. »Sie sind tot. Und jetzt vergiß deinen albernen Stolz und laß dich verarzten.«

Charity ignorierte ihn, ließ sich neben den toten Ameisen in die Hocke sinken und streckte eine zitternde Hand aus.

»Was, zum Teufel, tust du da?« fragte Skudder. Es klang gereizt, aber auch besorgt, daß das Ungeheuer noch einmal von den Toten auferstehen und zu Ende bringen könnte, was er begonnen hatte.

Charity antwortete noch immer nicht, sondern streckte mit einem Gefühl größten Widerwillens die Hand aus und berührte den verbrannten Schädel einer der beiden Ameisen. Mit aller Macht überwand sie ihren Widerwillen, griff fester zu und zog die Hand schließlich zurück. In ihren Fingern glitzerte ein dünnes, netzartiges Gebilde, das Schläfen und Hinterkopf des Moroni bedeckt hatte.

»Was hast du da?« fragte Skudder und beugte sich neugierig vor.

Charity stand auf, zuckte mit den Schultern und hielt das Netzgewebe am ausgestreckten Arm so weit von sich fort, wie sie nur konnte. »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie. »Oder vielleicht doch.«

Plötzlich schloß sie die Faust um das Netz, zog die Hand an den Körper zurück und ließ ihren Fund in der Jackentasche verschwinden. Skudder blickte verwirrt.

»Komm«, sagte sie entschlossen, »ich will mir noch ein paar von den anderen ansehen. Und wenn ich das finde, was ich vermute, dann wird mir Governor Stone eine ganze Menge Fragen beantworten müssen.«

*

Nichts geschah. Hartmann drückte noch einmal ab, aber es erklang nur ein leises, metallenes Klicken.

Verzweifelt und zornig zugleich senkte er die Waffe, drehte sie herum - und starrte fassungslos auf das, was vor Momenten noch ein funktionierendes Lasergewehr gewesen war.

Doch was Hartmann nun in der Hand hielt, das war ein stark verändertes Gewehr. Die Waffe war nicht etwa beschädigt worden, der Lauf war lediglich gekappt worden. Wo die klobige Zielautomatik samt der Energiekontrolle und des Nachtsichtgerätes gewesen waren, da begann jetzt übergangslos der Gewehrlauf.

Hartmann schrie und ließ die Waffe fallen, als wäre das Metall plötzlich glühend heiß geworden. Er prallte ein Stück zurück. Er stieß unsanft mit dem Hinterkopf gegen eines der Instrumente, die von der niedrigen Decke hingen und drehte sich in der Hocke herum. Sein Herz stockte. Eine unsichtbare, eisige Hand schien sich um seinen Hinterkopf zu legen und ihn zusammenzupressen.

Hinter ihm stand ein Gespenst.

Hartmann hatte weder Net noch Kyle von seinem unheimlichen Erlebnis erzählt, aber die Gestalt stand vor ihm, groß, in ein unheimliches, inneres grünes Licht getaucht und so transparent, daß er die Umrisse der Gegenstände dahinter wie durch einen Vorhang aus grün leuchtendem Wasser erkennen konnte. Er konnte spüren, wie sich jedes Haar auf seinem Körper aufrichtete. Seine Gesichtshaut spannte sich und begann zu prickeln, als befinde er sich in der Nähe einer starken elektrischen Quelle, und plötzlich raste sein Puls. Er bekam kaum noch Luft. Aus hervorquellenden Augen starrte er die Gestalt an, und obwohl er ihr Gesicht nicht erkennen konnte, spürte er irgendwie, daß sie seinen Blick erwiderte.

Dann hob die Gestalt die Hand und trat auf ihn zu. Hartmann rührte sich nicht, sondern hockte gelähmt und starr da, und das Gespenst führte die Bewegung nicht zu Ende, sondern verhielt seine grün leuchtende, transparente Hand ein kurzes Stück vor seinem Gesicht. Es schien einen Moment zu überlegen - und zog die Hand dann wieder zurück. Hartmann wußte, daß er vor Angst gestorben wäre, hätte das Gespenst ihn berührt.

Einen letzten Moment noch stand das Gespenst da und blickte ihn an, dann drehte es sich um und trat mit einem Schritt in die Wand des Maschinenraumes hinein und war verschwunden. Hartmann starrte die Stelle an, an der es gestanden hatte. Er war wie gelähmt, unfähig, zu denken und irgend etwas zu fühlen.