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Instinktiv machte sie einen Schritt auf den Gleiter zu, aber Skudder hielt sie zurück. Das unheimliche Glühen des Schiffsrumpfes hatte noch an Intensität zugenommen - und plötzlich begann das Schiff vor ihren Augen zu schrumpfen! Sein Rumpf verbog sich, wurde kleiner, schien wie von unsichtbaren Riesenfäusten gepackt und wie ein Modell aus Silberpapier zusammengedrückt zu werden. Binnen weniger Sekunden schrumpfte es auf ein Drittel seiner ursprünglichen Größe zusammen und schmolz weiter. Etwas Schwarzes begann seine Umrisse nachzuzeichnen, als löse es sich im Feuer einer schwarzen Sonne auf.

»Großer Gott, was ist das?« flüsterte Skudder.

»Das ist noch gar nichts! Das ist erst der Anfang - wenn wir Glück haben!«

Verwirrt senkte Charity den Blick und sah auf Gurk herab. Die Stimme des Zwerges hatte nichts mehr von ihrem gewohnt spöttischen Klang. Sie zitterte vor Angst, und die gleiche, unbeschreibliche Furcht stand auch in seinen Augen geschrieben, während er der Vernichtung des Moroni-Gleiters zusah. Plötzlich fuhr er herum, riß sich mit einer überraschenden Bewegung von Skudder los und deutete haßerfüllt auf Kias.

»Weißt du, was sie getan haben?« kreischte er. »Weißt du, was diese Wahnsinnigen getan haben!?«

Charity sah sich schaudernd in der Runde um, ehe sie antwortete. Alles war so schnell gegangen und so unwirklich gewesen, daß sie sich bisher nicht einmal gefragt hatte, wo sie überhaupt waren. Aber immerhin erkannte sie, daß der flüchtige Eindruck, den sie kurz vor der Explosion des Monitors auf dem Bildschirm gehabt hatte, richtig gewesen war: Der Gleiter befand sich nicht mehr im Raum; über ihnen spannte sich eine gewaltige, eisengraue Kuppel, ein Dom aus Stahl, der mindestens einen halben Kilometer Durchmesser haben mußte, und...

... und plötzlich wußte sie, wo sie waren.

»Das Schiff!« flüsterte sie überrascht. »Wir ... wir sind am Nordpol!«

»Ja«, bestätigte Gurk säuerlich. »Solange er noch existiert.«

Sie waren in der Schwarzen Festung, dachte Charity verwirrt. Aber die Festung war kaum wiederzuerkennen.

Es war nicht das erste Mal, daß sie hier war. Sie war der erste lebende Mensch gewesen, der das Schiff der Moroni betreten hatte, und sie hatte es auch später noch einmal gesehen, wenn auch nur kurz und unter Umständen, die nicht unbedingt dazu angetan waren, sie sich in aller Ruhe umsehen zu lassen. Trotzdem fiel es ihr im ersten Moment schwer, diese zerstörte, brennende Trümmerwüste mit der gigantischen Transmitterstation am Nordpol zu identifizieren, die sie alle unter dem Namen Schwarze Festung kannten. Ein Teil der gewaltigen Eisenkuppel war zerstört worden. Überall brannte es. Die riesigen Maschinenblöcke, die sie bei ihrem letzten Besuch hier gesehen hatte, waren fast völlig vernichtet worden. Nur wenige Meter entfernt hatte sich das Wrack eines zweiten Gleiters in den Boden gebohrt. Tote Ameisen lagen zwischen den Trümmern, und der große Transmitterring, das Tor zu den Sternen, durch das die Invasoren von Moron gekommen waren, war verschwunden. An seiner Stelle gähnte ein schwarzes Loch in der Wirklichkeit.

Charity fand keine andere Beschreibung. Wo der dreißig Meter durchmessende Silberring gehangen hatte, drehte sich ein schwarzer, kochender Wirbel, hinter dem das Nichts begann. Hastig riß sie ihren Blick von der unheimlichen Erscheinung los und griff automatisch nach ihrer Waffe, als sich einige der spinnengliedrigen Insektenwesen auf sie zuzubewegen begannen.

»Das ist nicht nötig, Captain Laird«, sagte Kias rasch. »Sie haben nichts zu befürchten. Es sind Jared.«

Charity warf ihm einen unsicheren Blick zu und zog die Hand wieder zurück, behielt die näher kommenden Ameisen jedoch im Auge. Es waren acht oder zehn der sechsgliedrigen Gestalten, und sie unterschieden sich in nichts von den Moroni, die sie kannte.

»Wir haben die Schlacht gewonnen«, fuhr Kias fort. »Die Schwarze Festung gehört uns.«

»Unsinn«, sagte Gurk leise.

Charity ignorierte ihn. »Was hat das zu bedeuten?« fragte sie. »Wieso ... sind wir hier?«

»Alles ist plangemäß verlaufen«, behauptete Kias. »Meine Brüder haben diese Festung angegriffen, während wir die die Black-Hole-Bombe unschädlich gemacht haben.«

»Plangemäß?!« kreischte Gurk. Mit wild gestikulierenden Armen deutete er auf das saugende schwarze Nichts, das die Stelle des Transmitters eingenommen hatte. »Das da nennst du plangemäß!«

»Bitte, Gurk!« sagte Charity. Es fiel ihr immer schwerer, Ruhe zu bewahren. Eine Sekunde lang überlegte sie, ob es vielleicht nichts anderes als Gurks Nervosität war, die sie ansteckte, aber sie spürte selbst, daß dem nicht so war. Gleichgültig, was Kias und seine Brüder auch behaupten mochten: Irgend etwas war hier ganz und gar nicht plangemäß verlaufen.

Kias hob eine seiner vier Hände. »Es wäre besser für Sie und Ihre Begleiter, diesen Ort zu verlassen. Wir haben den Kampf gewonnen, aber die Gefahr ist noch nicht ganz vorbei.«

»Das kannst du laut sagen, Krötenfresse!« giftete Gurk. Er deutete auf das zuckende Loch in der Wirklichkeit. »Hat einer von euch überhaupt eine Ahnung, was ihr angerichtet habt?« Ohne Kias' Antwort abzuwarten, wandte er sich zu Charity herum und fuhr mit schriller Stimme fort: »Diese Wahnsinnigen! Weißt du, was sie getan haben?«

»Nein.« Charity seufzte. Kias machte einen Schritt auf sie zu, und Skudder bemerkte in resignierend klingendem Tonfalclass="underline" »Aber du wirst es uns gleich erzählen, nehme ich an.«

»Dazu ist im Moment nicht der ...« begann Kias, aber Charity unterbrach ihn: »Laß ihn, Kias. Ich fürchte, vorher bekommen wir ohnehin keine Ruhe.« Sie lächelte, obwohl sie plötzlich wieder von Mißtrauen erfüllt war. Kias verschwieg ihnen etwas. Etwas Wichtiges. Mit einer auffordernden Geste wandte sie sich an Gurk.

»Sie haben die ganze Orbit-Stadt in einen Transmitter verwandelt!« sagte der Zwerg.

»Ich weiß«, antwortete Charity ruhig. »Ich bin nicht blind. Ich habe die Projektoren gesehen, kurz bevor die Bombe explodierte.«

»Du meinst, als sie explodierte«, berichtigte sie Gurk. »Begreifst du denn nicht? Sie ist nicht hier über der Erde explodiert!«

»Verdammt, was soll das?« mischte sich Skudder ein. »Wenn das so wäre, könnten wir kaum hier stehen und uns dein dummes Gerede anhören. Natürlich ist sie nicht über der Erde explodiert. Ich nehme an, sie haben sie an einen Ort geschickt, an dem sie keinen Schaden anrichten konnte.« Er deutete dorthin, wo der Sternentransmitter gestanden hatte. »Damit.«

»Das haben sie vielleicht vorgehabt«, sagte Gurk abfällig. »Aber sie haben sich verrechnet. Nicht wahr, Kias?«

Der Jared starrte ihn an und schwieg, aber in seinen Augen war plötzlich etwas, das Charity nicht gefiel; eine Drohung, wie sie sie noch nie zuvor an einem Jared bemerkt hatte. Gurk schien dieser Ausdruck zu entgehen - oder er beeindruckte ihn nicht, denn er fuhr im gleichen gehässigen Ton fort: »Nur um eine Kleinigkeit, nicht wahr? Das Ding ist nicht irgendwo in der Galaxis explodiert, sondern im gleichen Moment, in dem es in das Entmaterialisierungsfeld geriet. Richtig?«

Ohne daß Charity den Grund benennen konnte, jagten ihr Gurks Worte einen eisigen Schauer über den Rücken. Sie blickte Kias an. Der Jared schwieg noch immer, aber sie glaubte Zorn in seinem Blick zu entdecken. »Ist das ... wahr?« fragte sie.

»Mit großer Wahrscheinlichkeit«, antwortete Kias. »Ein Teil der Energie scheint in das Transmitternetz geflossen zu sein, so daß es zu einer kurzzeitigen Funktionsstörung kam. Das würde auch die sonderbaren Umstände unser Wiederverstofflichung erklären.«

»Eine kurzzeitige Funktionsstörung« kreischte Gurk. »Ihr hättet das gesamte Transmitternetz zerstören können!«

»Das wäre vielleicht nicht das schlechteste«, bemerkte Skudder trocken.

Gurk funkelte ihn an. »Und nicht das schlimmste«, fügte er hinzu. »Zum Teufel, versteht doch - niemand weiß, wie diese Transmitter überhaupt funktionieren! Aber das Netz ist gigantisch. Es umfaßt diese ganze Galaxis, vielleicht sogar mehr.«