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Vielleicht hätte ich den Tanzenden Narr auch noch ausschalten können, bevor er sich mit den Yeomen Warders angelegt hätte, aber ich hatte ihn nie sonderlich gemocht.

Erst dann sah ich mich nach Big Aus um. Das Lächeln gefror auf meinen Lippen, als ich entdeckte, dass ich ihn nicht entdecken konnte. Ich raste zum Rabenhaus hinüber, aber die Tür war immer noch fest verschlossen. Die Raben waren sicher. Aber Big Aus war nicht da. Natürlich war er nicht da, er war nie wirklich an den Raben interessiert gewesen. Alles, was er gesagt und getan hatte, hatte etwas anderes getarnt.

Sein eigenes Jahrhundertverbrechen.

Ich sah mich schnell um und schnappte gerade noch den Schatten einer düsteren Gestalt auf, die unauffällig in einen Durchgang aus Stein schlüpfte, der zum Whitechapel Tower führte. Sofort rannte ich hinter ihm her, denn jetzt wusste ich, was er beabsichtigte. Und ich hatte das möglich gemacht, durch meine Einmischung. Ich hatte uns hierher gebracht, an den Geistern und Fallen vorbei. Ich hatte den Tanzenden Narren den Yeomen Warders überlassen und so ihre Aufmerksamkeit abgelenkt. Aber selbst so - ich konnte mir nicht vorstellen, dass Big Aus glaubte, er käme damit davon.

Ich sprach meine aktivierenden und im nächsten Augenblick glitt die goldene Rüstung, die sich

in meinem Torques verbarg, über meinen gesamten Körper. Für die Yeoman Warders musste es so aussehen, als wäre ich aus dem Nichts erschienen, denn gleichzeitig ließ ich auch den Tarnschirm fallen. Die goldene Statue eines Mannes, glatt und nahtlos. Sie glühte im schattigen Hof, als ich schneller durch den Durchgang raste als menschenmöglich schien.

Wenn ich die Drood-Rüstung trage, bin ich übernatürlich schnell und stark, und es ist beinahe unmöglich, mich zu verletzen. Das ist die große Geheimwaffe der Drood-Familie, dank der wir in der Lage sind, es mit Göttern und Monstern aufzunehmen und ihnen so kräftig in den Arsch zu treten, dass sie sich wieder an ihren Platz erinnern.

Noch mehr menschliche Wachen erschienen vor mir, schrien verwirrte Halte- und Identifikationsbefehle, aber ich war schon an ihnen vorbei, bevor sie irgendwie reagieren konnten. Kampfmagier wedelten mit den Armen und riefen mit schroffer Stimme Zauberworte, aber ihre Magie prallte an meiner goldenen Rüstung ab, ohne Schaden anzurichten. Eine automatische Waffe begann aus einem Fenster über mir zu feuern, aber meine Rüstung absorbierte die Kugeln einfach. Die Wand hinter mir allerdings erhielt ein Muster aus Pockennarben. Ein halbes Dutzend Wachen versammelte sich und sperrte den Eingang zum Whitechapel Tower ab. Sie waren entschlossen, mich fernzuhalten, aber ich hatte keine Zeit anzuhalten und das mit ihnen auszudiskutieren. Sie wussten nicht, dass der australische Fuchs schon im Hühnerhaus war. Also tauchte ich durch sie hindurch, warf sie mit der unmenschlichen Kraft meiner goldenen Rüstung beiseite und hoffte, dass ich sie nicht zu sehr verletzte.

Sie hätten wirklich wissen sollen, dass man einen Drood nicht an der Ausübung seiner Pflicht hinderte.

Ich nahm die Stufen zwei auf einmal, um in die große Kammer oben im Whitechapel Tower zu gelangen, aber als ich dort ankam, war Big Aus bereits in die Juwelenkammer eingedrungen und lächelte glücklich auf die Kronjuwelen hinunter, die hinter den Gitterstäben ausgestellt waren. Er sah sich um, als ich die Kammer betrat, erkannte meine goldene Rüstung und lachte atemlos. Ich stand einfach nur sehr still im Türrahmen und beobachtete ihn durch meine gesichtslose goldene Maske. (Ich hätte Löcher für die Augen entstehen lassen können, aber das tat ich nie. Ich konnte selbst perfekt durch die Maske hindurchsehen und außerdem - eine Gesichtsmaske ohne Züge erschreckt die bösen Jungs zu Tode. Meistens jedenfalls.)

Big Aus winkte großzügig zu mir herüber, ich möge hereinkommen und das tat ich. Meine goldenen Füße klangen laut auf dem nackten Fußboden. Big Aus wich zurück und brachte so die Kronjuwelen zwischen uns. Die Kronen und Diademe, die Diamanten und Rubine, die glorreichen Insignien der vergangenen Jahrhunderte.

Genug Reichtum, um jeden Mann zu einem König zu machen.

Big Aus grinste mich an, seine dunklen Augen waren voller Spott. »Sieh an, Shaman Bond ist also ein Drood. Das habe ich nicht erwartet. Aber es macht keinen Unterschied. Weißt du, ich habe das alles so sorgfältig geplant, dass nicht einmal ein Drood-Agent mich jetzt noch aufhalten kann. Ich habe mein Team so sorgfältig ausgesucht: gierig genug, um sogar dahin zu gehen, wo selbst die Engel sich nicht hinwagen würden, und dumm genug, um diesen Quatsch mit den Raben zu schlucken. Der Tower kann immer andere Raben haben. Ich habe von meinem Plan gerade genug herumerzählt - ich wusste, ich würde damit einen Drood anlocken, der sich getarnt unter mein Team mischen würde. Immerhin war ich derjenige, der deiner Familie erst den anonymen Tipp zugespielt hat. Ich wollte sichergehen, dass ihr dabei seid. Allerdings hatte ich nicht gedacht, dass du es bist, Shaman. Ich will dich nicht beleidigen, aber du bist mir nie als besonders schlau aufgefallen.«

Ich sagte nichts. Ich ging nur um den großen Ausstellungskäfig herum, sodass er weiter vor mir zurückweichen musste.

»Ich brauchte einen Drood, weißt du«, fuhr Big Aus fort. »Ich wusste, ohne die Hilfe eines Droods würde ich nie durch all die Schutzschilde kommen. Ich dachte wirklich, dass der Tanzende Narr der Drood wäre. Er war immerhin ein Kämpfer, und so arrogant und blöde konnte doch niemand in Wirklichkeit sein. Aber wie dem auch sei, du hast deinen Part wunderbar gespielt. Du hast mich an den Schutzzaubern vorbeigebracht, die menschlichen Wachen abgelenkt und mir genug Zeit verschafft, dass ich zu den Kronjuwelen vordringen konnte. Ich bin dir sehr verpflichtet, wirklich.«

»Die Juwelen sind geschützt«, sagte ich. Ich konnte die Selbstgefälligkeit in seiner Stimme nicht mehr ertragen. »Und du bist vielleicht reingekommen, aber du wirst nicht mehr rauskommen.«

»Natürlich werde ich das«, erwiderte Big Aus. »Du kannst mich nicht aufhalten. Ich bin vorbereitet. Sogar auf einen Drood.«

Und plötzlich hatte er einen Zeigeknochen der Aborigines in der Hand, einen Kundela. Einen kleinen, farblosen Menschenknochen, der mit Blut und mörderischer Magie getränkt war. Ein Schamane der Aborigines, der sich damit auskannte, konnte mit so einem Ding auf die Gegenstände zeigen, die er in seiner Welt nicht haben wollte, und sie verschwinden lassen. Big Aus stach mit dem Kundela nach mir. An meinem gerüsteten Arm prallte etwas auf wie eine Kanonenkugel. Der Knall echote durch die Juwelenkammer, als hätte jemand eine große goldene Glocke angeschlagen, aber ich blieb stehen und rührte mich nicht. In meiner wunderbaren Rüstung fühlte ich keinen Einschlag. Ich ging langsam auf Big Aus zu, während er weiter mit dem Kundela in meine Richtung stach. Doch jedes Mal wurde der Einschlag und auch der Klang leiser und weniger heftig.

Big Aus zuckte flink mit den Achseln, stopfte den Knochen wieder in seine Tasche und plapperte etwas in einer fremden Sprache, das ich nicht verstand. Das machte mir ein klitzekleines bisschen Sorgen, weil mein Torques eigentlich jede Sprache hätte übersetzen müssen, die es gab. Zum Mindesten hätte er mich mit wenigstens annähernd richtigen Untertiteln versorgen müssen. Aber diese Worte waren so alt, so fremdartig und altertümlich, dass sie älter waren als die Druiden, aus denen dann die Droods hervorgegangen waren. Big Aus hatte seine Hausaufgaben wirklich gemacht.

Ich war beinahe in Reichweite seines Arms. Ich zeigte ihm eine goldene Faust, mit Spikes auf den Knöcheln. Jetzt grinste er nicht mehr, man konnte seiner Stimme die Anstrengung der uralten Worte anhören. Sein breites Gesicht glänzte vor Schweiß. Er wich jetzt so schnell zurück, dass er beinahe rannte, aber er blieb dicht bei den Kronjuwelen, als weigere er sich, sich von ihnen zu entfernen. Als er die letzten Worte ausspuckte, erschien auf einmal aus dem Nichts eine riesenhafte Schlange und wickelte sich um mich herum.