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Auch bei den Kindern spart er nicht mit dem Rohrstock.

Der neue Seneschall trug - wenn auch nicht mehr öffentlich - den Namen Cedric. Da ist etwas an bestimmten Namen, das dafür sorgt, dass die, die damit geschlagen sind, ihre ganze Kindheit hindurch gemobbt und gehänselt werden. Manchmal denke ich, das machen die Eltern mit Absicht, damit ihr kostbarer Nachwuchs auch ganz bestimmt abgehärtet wird. Mit einem Namen wie Cedric war er wohl dazu bestimmt, eines Tages Seneschall zu werden. Entweder das oder Serienkiller.

Er stand fest im Türrahmen und mir absichtlich im Weg. Finster starrte er mich an und hatte die Arme vor seiner beeindruckenden Brust verschränkt. Ich sah ihn nachdenklich an und versuchte, ihn einzuschätzen. Als ich die Familie geführt hatte, war ich von der Familiendisziplin ausgenommen, aber jetzt war ich ja wieder nur ein einfacher Agent. Was mich betraf, war ich allerdings immer noch eine Ausnahme. Ich hatte schon immer Probleme mit Autoritäten gehabt; auch als ich selbst eine war. Ich glaube fest an Regeln und Disziplin innerhalb der Familie, solange sie nicht auf mich zutreffen. Ich war versucht, den Seneschall mit der Heiterkeitsbombe zu bewerfen, die ich noch hatte - einfach um zu sehen, was dann passierte. Mir gefiel der Gedanke, Cedric nackt auf dem Rasen sitzen zu sehen, wie er die Greifen umarmte und ihnen Schlager vorsang. Aber - ich hatte mir selbst versprochen, brav zu sein. Jedenfalls solange, bis ich herausgefunden hatte, was denn so wichtig war, mich derart dringend zurückzubeordern.

Und wie tief ich in der Scheiße steckte.

»Hallo, Cedric«, sagte ich. »Wie läuft's denn so?«

»Weg mit dem Auto«, erwiderte er. Seine Stimme war nur wenig mehr als ein Flüstern und wirkte umso bedrohlicher. Sein kalter, starrender Blick hätte einen Mann mit weniger Haltung in Tränen ausbrechen lassen.

»Mach's doch selbst«, erwiderte ich fröhlich. »Wirklich, ich würde zu gern sehen, wie du das machst. Jeder, der versucht, dieses Auto gegen seinen Willen vom Fleck zu bewegen, lieber Seneschall, wird sich beinahe sicher in kleinen Einzelteilen wiederfinden, die über eine weite Fläche über dem Rasen draußen niederregnen.«

»Vor dem Herrenhaus zu parken ist gegen die Regeln«, sagte der Seneschall. Er hatte wirklich einen beeindruckenden Blick drauf. Wahrscheinlich hätte er bei jedem anderen sogar gewirkt.

»Das bin ich auch«, antwortete ich. »Und jetzt schieb deinen unglaublich großen Hintern aus meinem Weg, sonst petze ich der Matriarchin, dass du gemein zu mir warst. Ich bin hier, um mich mit ihr und dem Rat zu treffen.«

»Weiß ich. Und du bist zu spät«, sagte der Seneschall. Er beugte seine massige Gestalt leicht über mich. »Mich interessiert nicht, wer du bist oder was du getan hast. Versuch nicht, den Molli mit mir zu machen, oder ich sorge dafür, dass du gar nicht mehr kommst. Dann bist du nämlich der verstorbene und nicht mehr der verspätete Eddie Drood!«

»Siehst du, und schon hast du's wieder verdorben«, meinte ich. »Niemals so übel kalauern, Cedric.«

Sein Ausdruck änderte sich nicht, aber er trat zurück, damit ich an ihm vorbeikonnte. Ich tat es mit der Nase in der Luft. Hinein ins Herrenhaus, das auch mein Heim war, ob ich das nun wollte oder nicht. Zurück in den kalten Schoß und die gefährlichen Intrigen meiner geliebten Familie.

Ich ging ohne Eile durch die langen Korridore und Gänge. Die großen offenen Salons und Galerien waren mit den Beutestücken der Vergangenheit vollgestellt. Dem Sieger gehört die Beute, und wir wurden mit Beute verwöhnt. Das Herrenhaus ist vollgestopft mit angesammelten Schätzen, einschließlich Meisterwerken der Kunst und berühmten Statuen von unsterblichen Künstlern. Geschenke von dankbaren Regierungen und anderen. Oder vielleicht nur ein Tribut an die heimlichen Herren der Welt. Genauso zur Schau gestellt waren die Rüstungen und Waffen aus vergangenen Jahrhunderten und die nicht wenigen aus der Zukunft; alle mit ihren eigenen Geschichten und Legenden, alle schimmernd und glänzend und bereit für die Nutzung. Es gab wunderbare Teppiche und üppige Draperien. Über allem fielen lange Sonnenstrahlen durch die großen, bleiverglasten Fenster. Die Zeit schien stillzustehen.

Die anderen warteten in einer Halle auf mich, die gewöhnlich das Sanktum genannt wurde; eine große höhlenartige Kammer, die einmal das Herz beherbergt hatte, das der Familie die Rüstung und damit ihre Macht gegeben hatte. Ein einziger massiver Diamant, so groß wie ein Bus, mit Millionen brillierender Facetten, stellte sich das Herz als ein Flüchtling aus einer anderen Dimension heraus. Es ernährte sich von Schrecken, Tod und Schmerz, bis ich es zerstörte. Jetzt war das Sanktum leer, und die Rüstung der Familie und ihre Macht kommen von einer anderen außerdimensionalen Kreatur mit wesentlich freundlicherer Gesinnung. Sie besteht darauf, Ethel genannt zu werden, obwohl ich Gott weiß wie sehr versucht habe, ihr das auszureden. Ethel manifestiert sich im Sanktum als ein beruhigend rot leuchtendes Licht, das die ganze Kammer mit fröhlicher Laune und Rosenduft durchtränkt.

Der Innere Zirkel wartete ungeduldig an einem alten Eichentisch in der Mitte der Kammer. Er hätte in so einer Umgebung klein, ja sogar unwichtig ausgesehen, wenn da nicht die Gestalten gewesen wären, die um ihn herum Platz genommen hatten. Ich schlenderte hocherhobenen Hauptes durch die Kammer und behielt meine demonstrative Gelassenheit unter ihrem anklagenden Blick bei. Meine Schritte klangen laut in der Stille. Ich setzte mich und lächelte die anderen freundlich an.

»Also, was gibt's denn so Dringendes?«

Sie lachten nicht. Nicht der ganze Zirkel war anwesend, nur die Matriarchin und der Waffenmeister. Martha Drood saß mit steifem Rücken in ihrem Stuhl; groß, elegant und königlicher als eine Königin. Sie war einst eine gefeierte Schönheit gewesen, und man konnte die Macht dieser Schönheit immer noch in ihrem ausgeprägten Knochenbau sehen. Sie trug ein Twinset aus Tweed im Landhausstil und ihre Perlen. Ihr langes, graues Haar war in altmodischer Weise zu einem Knoten gesteckt. Sie war meine Großmutter, auch wenn ihr das bei dem, was sie hatte tun müssen, nie im Weg gestanden hatte. Sie hatte versucht, mich umzubringen, aber das hatten wir bereinigt - beinahe. Sie musste jetzt Anfang Siebzig sein, aber kein bisschen Schwäche war ihr anzumerken. Sie sah mich mit ruhigen, grauen Augen abschätzend an und wartete ab, bis ich ihr meine Reverenz erwiesen hätte, also nickte ich absichtlich fröhlich dem Waffenmeister zu.

Ein glatzköpfiger Mann in mittleren Jahren, mit dichten weißen Augenbrauen und einem ständigen Schmollen im Gesicht. Onkel Jack sah immer, wenn man ihn aus seiner geliebten Waffenmeisterei fortrief, mürrisch aus und so, als fühle er sich ausgenutzt. Er war teuflisch talentiert, wenn es darum ging, gefährliche und hinterhältige Gerätschaften zu erfinden, aber er hatte keine Lust mehr, soziale Kompetenz zu zeigen. Er war zu seiner Zeit ein großartiger Agent gewesen, aber jetzt verließ er die Waffenmeisterei kaum noch.

Ich bevorzuge Gegenstände und keine Personen, hatte er mir einmal gesagt. Gegenstände kann man reparieren, wenn sie nicht funktionieren.

Der Laborkittel, der um seine spindeldürre Gestalt schlotterte, war vermutlich einmal weiß gewesen, aber war jetzt von Rissen, chemischen Flecken, Brandstellen übersät und trug sogar an einigen Stellen die Blutflecken eines anderen. Sowie etwas, das vielleicht Senf war. Unter dem Laborkittel trug der Waffenmeister ein schmuddeliges T-Shirt mit der Aufschrift: Massenzerstörungswaffen aller Art - nur bei uns. Er hatte die großen, knochigen Hände eines Maschinisten und freundliche Augen.