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»Was, mich?« Mit einem Schlag saß ich aufrecht in meinem Stuhl. Ich war wirklich geschockt. »Warum sollte er mich wollen?«

»Er will dich vielleicht, weil du es mit der gesamten Drood-Familie aufgenommen und gewonnen hast«, meinte der Waffenmeister trocken. »Und vielleicht auch ein bisschen deshalb, weil du es warst, der uns gegen die Hungrigen Götter zum Sieg geführt und damit die Menschheit gerettet hat. Wie auch immer, er war sehr bestimmt, was das angeht. Er will, dass du bei diesem … Wettkampf dabei bist.«

»Und du musst hingehen«, sagte die Matriarchin. »Aus Familienstolz und um sicherzugehen, dass der Erfahrungsschatz des Autonomen Agenten nicht in die falschen Hände gerät. Das darf einfach nicht passieren, Edwin. Alexander King kennt Dinge, von denen sonst keiner etwas weiß. Die Art von unterdrückten Wahrheiten, die Regierungen stürzen, Kriege beginnen und wahrscheinlich die ganze Welt einander auf den Hals hetzen kann. Jedes Individuum, jede Organisation mit der Art von Wissen würde zu einer echten Gefahr für die Droods werden, besonders in unserem derzeitigen geschwächten Zustand.«

»Und natürlich auch, weil die Möglichkeit existiert, dass dieses Wissen nicht im besten Interesse der Welt genutzt wird«, fügte der Waffenmeister hinzu.

»Ja, gut, das auch«, meinte die Matriarchin ungeduldig. »Nur wir können mit solchem Wissen umgehen.«

»Einige dieser hypothetischen Leute könnten den Job vielleicht besser machen als wir«, gab ich zu bedenken.

»Sei nicht albern«, sagte die Matriarchin. »Keiner macht das besser als wir.«

»Selbstverständlich nicht«, sagte ich. »Was hab ich mir nur gedacht.«

»King sagt, er weiß, wer unser Verräter ist«, sagte der Waffenmeister. »Du musst gehen, Eddie, und du musst gewinnen. Für die Familie und auch die Welt.«

»Du wirst auch gewinnen, Edwin«, sagte die Matriarchin. »Als was auch immer der Wettkampf sich herausstellen sollte. Wir werden dir jede erdenkliche Unterstützung zukommen lassen, aber am Ende musst du gewinnen. Das ist in jedem Fall notwendig.«

»Ja, das denke ich auch«, sagte ich. Ich hatte immer noch eine Riesenladung Vorbehalte gegen beinahe alles, was diesen Wettkampf anging, aber ich würde meinen Atem nicht daran verschwenden, sie mit der Matriarchin auszudiskutieren. Sie hatte in einem Punkt recht: Wir mussten unseren Verräter finden, für die Familie und die Welt. Alles andere würde ich mir eben unterwegs ausdenken müssen. Wie immer.

Ich nickte langsam. »Wissen wir wenigstens, wer meine Konkurrenten sein werden?«

»Nein«, sagte der Waffenmeister. »King spielt im Moment mit sehr verdeckten Karten. Typisch für den Mann. Wir haben ein paar diskrete Recherchen angestellt, aber es haben sich keine Hinweise auf jemand Besonderen ergeben. Du wirst deine Instruktionen in Kings privatem Hauptquartier bekommen, einer alten Skihütte in den Alpen. Sehr privat, sehr gut geschützt. Die Hütte heißt Place Gloria. Vielleicht erinnerst du dich daran: Ein sehr berühmter Agentenfilm Ende der Sechziger wurde dort gedreht.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich sehe nie Agentenfilme. Die kann ich nicht ernst nehmen.«

»Man erwartet, dass du selbst dorthin findest«, meinte der Waffenmeister. »Scheinbar ist das Teil der Prüfung, ob du's wert bist. Merlins Spiegel könnte dich natürlich direkt vor der Haustür absetzen.«

»Aber du kannst ihn nicht mitnehmen«, sagte die Matriarchin. Ihre Stimme hatte jetzt einen ganz besonders wehmütigen Unterton, und ihr Blick war auf etwas gerichtet, das weit weg war. »Ich hatte eine kleine Affäre mit ihm, im Herbst 1961. In Ost-Berlin, direkt an der neugebauten Mauer. Wir haben uns immer in diesem absolut widerlichen kleinen Café getroffen, das nach gekochtem Kohl roch und seinen Wodka nach russischer Art servierte: mit einer Prise schwarzem Pfeffer auf der Oberfläche. Das tat man, damit der Pfeffer, wenn er auf den Grund des Glases sank, die Unreinheiten im Wodka band. Man konnte von diesem Zeug damals in Berlin wirklich blind werden. Schrecklicher Wodka, schreckliches Essen, aber ich habe immer noch schöne Erinnerungen an dieses kleine Café … oder zumindest an den kleinen Raum, den wir uns darüber immer mieteten. Ach ja, Alexander …! - Das war natürlich, bevor ich deinen Vater getroffen und geheiratet habe, Jack.«

»Natürlich, Mutter.« Der Waffenmeister fühlte sich offenbar mehr als nur unbehaglich beim Gedanken daran, dass seine Mutter etwas mit dem Autonomen Agenten gehabt haben sollte, also übernahm ich das Reden. »Was habt ihr beide denn in Ost-Berlin gemacht, Großmutter?«

»Ach, irgendein Unsinn über einen persischen Dschinn, der unter der Mauer begraben sein sollte, um ihr Stärke zu geben. Natürlich sind wir der Sache nie ganz auf den Grund gegangen. Aber … Du kannst meinen Namen Alexander gegenüber erwähnen, Edwin, für den Fall, dass er sich an mich erinnert. Ein äußerst charmanter Zeitgenosse. Du darfst ihm keine Sekunde lang vertrauen.«

»Natürlich nicht. Er gehört ja nicht zur Familie.«

Und damit war das Ratstreffen beendet. Ich würde in die Schweizer Alpen gehen, um dort eine lebende Legende zu treffen, die im Sterben lag, und an einem Wettkampf teilnehmen, dessen Sinn ich nicht verstand, mit Leuten, die ich nicht kannte, und einem Preis, bei dem ich nicht sicher war, ob es ihn überhaupt gab. Und nein, ich hatte in der Sache nichts zu sagen.

Wie es in der Drood-Familie eben üblich war.

Natürlich würde der Waffenmeister mich nicht ohne seine kleinen technischen Spielereien, die die Massen nicht nur vernichten, sondern auch sonst in die Bredouille bringen können, auf eine Mission gehen lassen. Also gingen wir in die Waffenmeisterei, die tief im felsigen Fundament des Herrenhauses untergebracht ist. So bestand immerhin die Chance, dass bei Explosionen, denen allzu optimistische und phantasievolle Entwicklungen vorausgegangen waren, das Herrenhaus überleben würde. Wie immer summte das große Steingewölbe vor Aktivität. Laborassistenten rannten hierhin und dorthin, manchmal in der Absicht, vor einem wild gewordenen Experiment zu flüchten, manchmal, weil sie ihre Laborkittel in Brand gesetzt hatten. Es brauchte Nerven aus Stahl, wenn man in der Waffenmeisterei arbeiten wollte. Und ganz sicher einen gesunden Überlebensinstinkt. Der Waffenmeister allerdings ging völlig ungerührt durch das Chaos, während ich mich dicht hinter ihm hielt. So konnte ich ihn notfalls als Schild benutzen.

»Wie haben die Heiterkeitsbomben funktioniert?«, fragte er mich über die Schulter hinweg und duckte sich kurz, um einem Augapfel mit Flügeln auszuweichen, der gerade vorbeiflog.

»Oh, prima!«, erwiderte ich und trat schnell beiseite, um einem Laborassistenten aus dem Weg zu gehen, der gerade eine heftige Auseinandersetzung mit einer Pflanze in einem Käfig austrug. »Auch wenn die Wirkung offenbar ziemlich schnell wieder verpufft.«

»Daran arbeite ich, ich arbeite daran!«

Wir kamen an einer großen Plastikblase aus klarem Wasser vorbei, in der zwei übereifrige Labortechniker ihre neuen Kiemen ausprobierten. Sie gingen mit klauenartig geformten Händen wie japanische Kampffische aufeinander los. Über uns flatterte ein hinreißend aussehendes Mädel dahin, mit Fledermausflügeln auf dem Rücken und einem seligen Lächeln auf dem Gesicht. Ein anderer Techniker tauchte auf, verschwand wieder, erschien wieder und rief: »Wie schaltet man dieses verdammte Ding ab?«

Am Schießstand probierte ein halbes Dutzend Praktikanten neue Prototypen von Gewehren aus und verwandelte den Schießstand dabei in einen Trümmerhaufen. Jemand anderes hatte gerade die Vorführung einer neuen Entwicklung abgeschlossen: ein Messer, das seine Klinge auf den Gegner schleuderte, dessen Heft aber in der Hand des Angreifers verblieb. Danach kehrte die Klinge wieder in das Heft zurück. Das war scheinbar nicht sonderlich gut gelaufen. Als der Waffenmeister und ich den Schießstand hinter uns ließen, wurde der Techniker, der das Messer vorgeführt hatte, schluchzend von ein paar Kollegen weggeführt, während Freunde seine Finger aufsammelten.