Es war deutlich zu sehen, leuchtete gelb in der Finsternis, und ich schnappte mir eines der schwer aussehenden Seitenruder. Das Metall wurde von meiner Hand zerquetscht, aber ich wollte sichergehen, dass ich nicht losließ. Ich klopfte zweimal auf die Seite, um Honey zu zeigen, dass ich da war und sah mich dann schnell um. Ich konnte das Monster nirgendwo sehen, aber in diesem vertorften Gewässer hätte sich das verdammte Ding direkt über mir befinden können, ohne dass ich es gemerkt hätte. Kein sehr angenehmer Gedanke. Und dann schoss etwas an mir vorbei. Es war unglaublich schnell und der Schock der Welle seines Vorbeischwimmens warf mich mit einer Wucht auf das Tauchboot, die jeden normalen Menschen umgebracht hätte. Ich hörte und fühlte, wie die Hülle unter mir brach und knirschte, und ich wusste, es blieb nicht mehr viel Zeit, um Honey zu retten.
Ich zog mich an der Seite des Tauchboots entlang, von einer Antenne zur anderen, bis ich ganz vorne war und durch das große Frontfenster starren konnte. Ich glaube, Honey wäre aus dem Sitz gesprungen, als sie mich sah, wenn die Gurte sie nicht festgehalten hätten. Ich gestikulierte ihr beruhigend zu, während ich schnell nachdachte. Der einzige Weg, sie hier herauszubekommen, wäre gewesen, das Tauchboot an der Seite aufzureißen und sie dann an die Oberfläche zu bringen. Allerdings wusste ich nicht, ob sie eine Tauchausrüstung an Bord hatte, dann war das Wasser so kalt, dass es sie wahrscheinlich getötet hätte und ich konnte auch nicht sicher sein, dass das Monster uns nicht auf dem Weg ans Ufer angegriffen hätte. Nein, im Moment war sie sicherer da, wo sie war.
Also winkte ich Honey noch einmal beruhigend zu, schwamm unter das langsam sinkende Tauchboot, fand das Zentrum und drückte mit meiner goldenen Schulter dagegen. Ich nahm das Tauchboot mit langsamen, vorsichtigen Bewegungen auf meine Rüstung, damit ich es vor mir herschieben konnte und schwamm damit an die Oberfläche.
Manchmal überrascht meine Rüstung sogar mich.
Den ganzen Weg nach oben konnte ich spüren, wie etwas Riesiges und Boshaftes das Tauchboot umkreiste und mich aus der Entfernung beobachtete, aber ich sah niemals etwas.
Ich fühlte die Änderung, als das Tauchboot die Oberfläche des Sees durchstieß und ich darunter hervorglitt. Sein Auftrieb würde es eine Weile oben halten. Ich schwang mich auf die Seite des Fahrzeugs, das Wasser glitt an meiner Rüstung ab. Honey hatte bereits die Einstiegsluke geöffnet und Rauch quoll daraus hervor. Ich riss den Lukendeckel endgültig ab, warf ihn beiseite und spähte hinein. Honey hatte sich aus ihrem Sitz befreit und kletterte durch den Qualm und die blinkenden Lichter auf mich zu. Die Alarme waren sehr laut.
Das Tauchboot begann wieder zu sinken, Wasser schwappte schon über die Kante der Luke. Ich packte Honey am Arm, ignorierte ihren Schmerzensschrei, riss sie aus dem Einstieg heraus, klemmte sie mir unter den Arm und sprang ans Ufer. Wir rasten durch die Luft, dann trafen meine Füße hart auf der Erde auf, und ich zog uns rasch vom Rand des Wassers fort. Honey befreite sich bereits. Der Qualm hatte ihren Hals gereizt und sie hustete heftig. Ich ließ sie los und sah gerade rechtzeitig zurück, um das Tauchboot in den Tiefen der dunklen, aufgestörten Wasser verschwinden zu sehen.
Und dann schoss auf einmal das Monster aus dem See und keiner von uns hatte mehr Augen für etwas anderes.
Es ragte aus dem Wasser und wurde unfassbar groß, immer weiter, riesig und dunkel glänzend, eine enorme pulsierende Säule aus graugrünem Fleisch. Es war überwältigend groß, und seine Gestalt ergab überhaupt keinen Sinn. Etwas daran beleidigte meine Augen, meinen Verstand; als wäre dieses Ding etwas, das nicht im Geringsten mit meiner geordneten, gesunden und logischen Welt übereinstimmte. Das Ungeheuer war lang und schuppig. Es hatte etwas, das Glieder hätten sein können, die aus seinen gewölbten Seiten herausragten und das Wasser in wütenden Schaum verwandelten. Es besaß einen Kopf wie ein überdimensionaler Bandwurm; breit und fleischig, mit hervorstoßenden Hörnern, einem kreisrunden Maul, vollgepackt mit Zähnen, und überragt von nicht blinzelnden Augen, die wie bei einer Schnecke am Ende von langen, winkenden Fühlern saßen. Dieses Ding war alt, uralt, es stammte aus einer Zeit vor der Geschichte, ein schrecklicher Überlebender aus den Tagen, in denen die Natur und die Evolution noch mit Formen gespielt hatten.
Es stieß ein Geräusch aus; einen kurzen, raspelnden unirdischen Laut, der beunruhigenderweise entfernte Ähnlichkeit mit dem Gesang der Sirene hatte. Der Klang kratzte über meinen Verstand wie Fingernägel auf einer Schultafel. Mein lang vergrabener atavistischer Urinstinkt sagte mir, ich solle losrennen und rennen und nie wieder anhalten. Es war der Schrei dieser Bestie; keine Emotion, die ich erkannt hätte oder die ich hätte hoffen können, zu verstehen, lag darin. Es war ein Monster im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Abscheulichkeit aus einer fernen Vergangenheit, die in unserer menschlichen Welt keinen Platz hatte.
Das war nicht Nessie. Überhaupt nicht.
Der riesige Kopf schlug wie ein Hammer neben uns ein, sodass wir alle auseinander stoben. Der Kopf traf mitten auf der Kommunikationskonsole auf, die in tausend Stücke zerbrach. Schrapnelle flogen mit mörderischer Geschwindigkeit durch die Luft. Der Kopf hob sich wieder hoch in die Luft, erneut erklang der schreckliche Schrei. Weiter, immer weiter erhob sich der Körper gegen alle Gesetze von Gravitation, Gewicht und Masse aus dem Wasser. Der Blaue Elf intonierte etwas in altem Elbisch, hastig spuckte er die Worte aus, und in seiner Hand erschien eine alte Elfenwaffe. Ich erkannte sie aus einem der Bücher der Droodschen Bibliothek: es war Airgedlamh, die legendäre Silberhand von Nuada. Sie schien übernatürlich hell, viel zu machtvoll für menschliche Augen. Ich konnte sie nicht direkt ansehen. Blue zog sie über seinen linken Arm wie eine silberne Rüstung. Dann rannte er direkt auf das Monster zu.
Walker zog ein sehr langes Gewehr aus der Luft, zielte sorgfältig - kühl und gesammelt wie immer - und schoss dem Monster wiederholt in den Kopf. Ohne offensichtliches Ergebnis. Peter filmte mit seinem Kamerahandy jede Bewegung des Ungeheuers und konzentrierte sich ganz darauf. Honey war gerade erst wieder zu Atem gekommen. Sie hatte ihre Haltung jetzt wiedergefunden und zielte mit einer kristallenen Waffe auf das Monster. Fremde Energien knisterten um diese Waffe und explodierten dann über den ganzen Kopf des Ungeheuers hinweg. Dennoch wurde es nicht verletzt. Es war einfach zu alt, zu stark und zu groß. Es war etwas Überlebendes aus der Urzeit, weil es in unserer Welt nichts mehr gab, das es verletzen konnte.
Der Blaue Elf stand am Seeufer, schrie das Wesen grimmig an und schwang Airgedlamh. Sie schien im Dämmerlicht wie die Sonne. Für einen Moment zögerte das Monster, unfassbar hoch über dem Blauen Elfen, als ob es die uralte Waffe von Tuatha dé Dannan erkannte. Und dann kam der Kopf herabgesaust, pfiff durch die Luft, ein riesenhafter, unaufhaltsamer Klumpen Fleisch. Der Blaue Elf blieb stehen, wartete bis zum allerletzten Moment und sprang dann gekonnt auf die Seite. Er hieb der Kreatur mit seiner leuchtenden Silberhand auf die Seite seines Kopfs. Klumpen von graugrünem Fleisch flogen durch die Luft, als der ganze Kopf auf die Seite knickte. Das Ungeheuer brüllte ohrenbetäubend. Der Kopf kam mit unglaublicher, unaufhaltsamer Geschwindigkeit zurückgeschossen, und Blue musste sich selbst auf den Boden werfen, um ihm auszuweichen.