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»Während du nur rumgeheult hast, habe ich mit Langley gesprochen«, sagte Honey. »Sie haben einen Spionagesatelliten auf mein Implantat ausgerichtet, um mich zu orten und offenbar sind wir irgendwo in der Wildnis von Arkansas, in der Nähe der Grenze zu Texas. Meilenweit entfernt von jeder Zivilisation und so weit ab vom Schuss, dass man den nicht mal hören kann.«

»Dann erschieß mich, damit ich es hinter mir habe«, stöhnte der Blaue Elf.

»Führe mich nicht in Versuchung!«, meinte ich.

»Wie viele Kilometer sind es genau bis zur nächsten menschlichen Ansiedlung?«, fragte Walker praktisch wie immer.

»Vielleicht fünfzig, sechzig bis zur nächsten Kleinstadt«, meinte Honey. »Schwer zu sagen, es gibt keine exakten Karten von dieser Gegend.«

»Lass mich raten«, bemerkte Peter. »Weil hier nie jemand hinkommt, richtig?«

»Vielleicht ein paar Fallensteller oder Jäger«, sagte Honey. »Hinterwäldlerische Eremiten, die für sich bleiben.«

»Hört ihr auch die Banjo-Musik in der Ferne?«, fragte der Blaue Elf.

»Halt die Klappe«, sagte ich.

Honey machte sich auf den Weg durch die Bäume. Und weil sie so aussah, als wüsste sie, wo sie hinging, folgte ihr der Rest auf dem Fuße - wir hatten auch keine bessere Idee. Sie zog ihren Fellmantel aus, ließ ihn achtlos auf den Boden fallen und ging weiter. Wir anderen gingen vorsichtig darüber hinweg oder drum herum. Honey war eine Agentin, man konnte nicht wissen, was für schmutzige Tricks sie mit ihrem Mantel weggeworfen hatte. Der Blaue Elf seufzte anerkennend.

»Das hat wirklich Stil. Einen Mantel wegwerfen, der ein paar hunderttausend Dollar wert ist, und einfach weitergehen.« Er riss sich seinen gerüschten Kragen vom Hals und warf ihn mit einer dramatischen Geste in die Bäume.

»Du solltest dir den Brustharnisch abnehmen, wenn du schon dabei bist«, meinte ich. »Er muss eine halbe Tonne wiegen, und in dieser Hitze wird das nur schlimmer. Du brauchst ihn nicht. Du hast jetzt einen Torques, der dich beschützt.«

Er sah auf die bronzene und silberne Brustplatte herunter, in die schützende Runen eingraviert waren und schüttelte steif mit dem Kopf. »Nein. Ich denke nicht. Wenn es drauf ankommt, dann bleibt man besser bei den Dingen, denen man vertrauen kann.«

Ich warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, wie sich die anderen machten. Peter King ging alleine und stolperte dabei über die gelegentlichen Wurzeln im Boden, weil seine Aufmerksamkeit ganz klar woanders lag. Wenn das überhaupt möglich war, dann sah er in den Wäldern des US-amerikanischen Südens noch mehr fehl am Platz aus als in den schottischen Highlands. Er hatte sein teures Jackett ausgezogen und über die Schulter geworfen, seine Hemdsärmel aufgekrempelt und damit seine blassen Arme den Mücken zum Fraß freigegeben. Walker hatte der Hitze nicht einmal das zugestanden; er trug seinen eleganten Stadtanzug immer noch wie eine Ritterrüstung. Auch wenn er seinen klassischen Schlips ein klein bisschen gelockert hatte. Er schlenderte lässig den Pfad entlang, lächelte und schien die Landschaft zu genießen, als befände er sich auf dem Landsitz eines Bekannten.

Die Vegetation und die Bäume lichteten sich plötzlich, als wir an ein Flussufer kamen. Der Strom war so breit, dass er beinahe ein See hätte sein können. Die schlammigen Wasser flossen gemächlich dahin und wirbelten um die hier und da herumliegenden Baumstümpfe mit ihren verdrehten und knotigen Ästen. Kleine, dunkle Schatten schossen hier und da durch das Wasser, vielleicht Biber? Ich kenne mich mit Wildtieren nicht sehr gut aus. Und ich kann nicht an Biber denken, ohne dass mir die sprechenden Biber aus Narnia einfallen. Ich wäre sicher ein lausiger Trapper.

Wir standen alle am Ufer, gaben uns gegenseitig Trost und Unterstützung in derart fremder Umgebung und betrachteten den Fluss. Von Horizont zu Horizont dasselbe. Es wurde dunkler. Der Blaue Elf studierte das kotbraune Wasser mit einer Art angeekelter Faszination.

»Glaubt ihr, es gibt Alligatoren hier?«

»Höchstwahrscheinlich«, erwiderte ich.

»O Gott.«

»Mit Alligatoren werde ich fertig«, meinte Honey fröhlich. »Ich könnte ein paar neue Schuhe brauchen. Oder sogar Koffer.«

Die Schatten wurden länger und füllten den Raum zwischen den Bäumen aus. Das Tageslicht verschwand, und der Himmel war von einer stumpfen, dunkelroten Farbe wie getrocknetes Blut. Die Dunkelheit kroch bereits um uns herum, ich konnte nicht einmal mehr so weit sehen wie zu dem Zeitpunkt, als wir gekommen waren. Ich hatte außerdem das eindringliche Gefühl … beobachtet zu werden.

»Hat noch einer außer mir diesen Film The Blair Witch Project gesehen?«, fragte Peter.

»Er hat mir gefallen«, sagte Walker überraschenderweise.

»Ich hab ihn im Kino gesehen«, meinte Honey. »Diese ruckartigen Kamerabewegungen haben mich seekrank werden lassen.«

»Ich war immer der Meinung, sie hätten James Cameron den zweiten Teil drehen lassen sollen«, warf der Blaue Elf ein. »Er hätte daraus ein zweites Aliens machen können. Eine ganze Truppe schwer bewaffneter Marines in die Blair-Wälder schicken und alles wegschießen, was sich bewegt. Ich hätte gern gesehen, wie das der Blair-Hexe gefallen hätte!«

»Oh, Mann, sagt mir nicht, dass wir hier sind, um nach der Blair-Hexe zu suchen«, maulte ich. »Das war doch von Anfang bis Ende nur Fiktion, und zur Hölle mit allem, was im Internet dazu gesagt wurde!«

»Nein«, meinte Peter. »Der Sasquatch vielleicht. Weißt du, Bigfoot. Halb Mensch, halb Affe, vielleicht sogar das Missing Link. Oft gesehen, nie ordentlich identifiziert.«

»Eigentlich war Sasquatch ein Name der Ureinwohner Nordamerikas für einen besonders zurückgezogenen Stamm, den man das Schüchterne Volk nannte«, murmelte Walker. »Der Name Bigfoot ist neueren Datums und geht auf die Spuren zurück, die man an unterschiedlichen Orten gefunden hat.«

»Ich habe ein paar Fotos und eine Menge Amateurfilme gesehen«, sagte ich. »Aber nichts, was mich auch nur im Entferntesten überzeugt hätte. Und in der Droodschen Bibliothek gibt es fast nichts über Bigfoot. Hauptsächlich, weil wir nie an ihm interessiert waren. Wenn sie selbst versteckt und für sich bleiben wollten, dann war uns das nur recht.«

»Ich habe einen Film im Fernsehen gesehen, als ich noch ein Kind war«, sagte Honey langsam. »Über eine Kreatur in Arkansas - und ich habe mich halb zu Tode gegruselt. Die Kreatur ging in dieser Kleinstadt um und hat sogar die Leute dort terrorisiert. Aber sie wurde nie identifiziert. Vielleicht sind wir deswegen hier.«

»Könnte sein«, sagte Peter. »Vielleicht hat Großvater den Film ebenfalls gesehen.«

Die Insekten umschwärmten uns jetzt dichter, sie kamen in Wolken vom Flussufer her. Wir alle wedelten mit den Händen, aber es war, als hielten wir Schilder mit der Aufschrift: Frischfleisch! So viel ihr nur wollt! hoch. Weil Moskitos ja immerhin bekannt dafür sind, an Flussufern zu dem ausdrücklichen Zweck zu brüten, Malaria unter den Leuten zu verbreiten, dachte ich schon ernsthaft darüber nach, selbstschutztechnisch hochzurüsten, als der Blaue Elf ein halbes Dutzend Worte in Altem Elbisch zwischen den Zähnen hervorpresste. Plötzlich fiel jedes einzelne Insekt aus der Luft auf den Boden. Mausetot. Die Welt schien abwägend innezuhalten, dann entschieden sich auch die anderen Insekten, die aus dem Fluss aufgestoben waren, sich ihr Futter woanders zu suchen. Wir sahen den Blauen Elfen mit neu erwachtem Respekt an. Er lächelte glücklich.

»Auf Partys wirkt das gegen Leute, die sich an einen heranwanzen, sogar noch besser als bei Insekten. Hört zu, es wird sehr bald Nacht sein und nicht einmal Bates' Motel ist in der Nähe, in dem wir übernachten könnten. Was hat sich Alexander King bloß dabei gedacht, uns irgendwo jwd auszusetzen? Ich meine, wie sollen wir den verflixten Sasquatch denn in gottweiß wie vielen Quadratkilometern von Urwald finden? Der könnte doch überall sein. Ihr könnt Gift drauf nehmen - wenn er uns aus dem Weg gehen will, dann kann er sich so gut verstecken, dass wir direkt an ihm vorbeilaufen, ohne zu wissen, dass er da ist! Ich wandere nicht durch diese gottverlassene Wildnis, gekleidet wie ein Nebendarsteller in Shakespeare in Love, nur weil ich hoffe, ich renne zufällig in ihn hinein.«