»Wäre es richtig anzunehmen, dass nicht alle, die in dieser Fabrik gearbeitet haben, wussten, was da vorging?«, fragte der Blaue Elf. »Dass es in Wirklichkeit ein paar unschuldige und ganz und gar menschliche Arbeiter gab, als du die Fabrik in die Luft gejagt hast?«
Peter zuckte mit den Achseln. »Ich versuche, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Das ist eine menschliche Welt und ich will, dass es so bleibt.«
»Nun«, sagte der Blaue Elf nach einer Pause. »Es scheint, als gäbe es keinen Zweifel mehr daran, dass du Alexander Kings Enkel bist. Ich glaube, jetzt bin ich dran.
Ich habe nichts so Alltägliches wie Fabriken oder ein großes Geschäft oder unnatürliche Arbeitspraktiken zu bieten. Ihr denkt so klein, Leute. Die Welt ist größer, als ihr euch vorstellen könnt, viel größer. Es gibt Wunder und außergewöhnliche Dinge, Ungeheuer und Schrecken. Damals, als ich noch jung und kraftvoll war, selbst ein wichtiger Spieler, wurde ich … na ja, angeheuert ist vielleicht nicht das richtige Wort. Besser wäre zu sagen, dass ich von den Droods dazu gedrängt wurde, ein ganz besonders seltsames Problem zu lösen, dass sie gerne sehr diskret und aus sehr sicherer Entfernung behandeln wollten. Nur für den Fall, dass alles schrecklich schiefging.
Ihr habt die Geschichten gehört, in denen manchmal verwirrte Wale sich verirren und die Themse hinaufschwimmen, direkt nach London hinein? Natürlich habt ihr das. Nun, etwas viel Größeres und entschieden weniger Kinderfreundliches machte in der Themse einen Aufstand. Um genau zu sein, war es ein Monsterkrake, der aus den Tiefen gekommen war, eine falsche Abzweigung genommen hatte und jetzt drohte, die Themse mit seinem riesigen Körper und beunruhigend großen Tentakeln unsicher zu machen. Monsterkraken sind echt groß. Sie sind auch ziemlich blöde, und man kann nur schwer mit ihnen argumentieren. Besonders, wenn man das verdammte Ding vor der Öffentlichkeit verstecken will.
Es bestand nicht die geringste Hoffnung, es davon zu überzeugen, einfach umzudrehen und zurückzuschwimmen. Und wir hatten keine Zeit, eine elegante oder gar besonders nette Lösung zu finden. Also bin ich zur Jobbörse gegangen, um jeden einzelnen Ghoul in London anzuheuern, habe sie alle mit Messer und Gabel ausgerüstet und habe ihnen gesagt, sie sollen sich bedienen. So viel Sushi, wie sie nur essen konnten - vorausgesetzt, dass sie alles aufessen.
Und das haben sie getan. Ghouls fressen alles.«
»Ich werde nie wieder Meeresfrüchte essen«, sagte Walker. Er sah allerdings nicht besonders betroffen aus, aber das tat er ja nie. »Ich glaube, ich bin dran. Eine Erzählung aus der Nightside also, wo es immer dunkel ist. Immer drei Uhr morgens, die dunkelste Stunde der Seele. Außer - jemand würde das alles ändern wollen. Es gibt immer jemanden, der Sonnenlicht in die Nightside schmuggeln will, normalerweise eine dieser extremeren religiösen Gruppen, die glauben, dass das Böse nur im Dunkeln florieren kann. Idioten. Nichts ist dunkler als die tiefsten Tiefen des menschlichen Herzens.
Offenbar glaubte diese besondere Gruppe, dass man nur hellen, gesunden Sonnenschein in die Nightside bringen müsse - notfalls auch mit brutaler Gewalt -, und schon würde sich jeder auf der Stelle ändern und alle wären nett zueinander. Bewahren Sie mich vor gut meinenden Idealisten, sie richten Schlimmeres an als jedes Monster.
Wie auch immer. Meine illustren Herren und Meister, die Autoritäten, wünschten, dass die Nightside so bliebe, wie sie war, denn so warf sie regelmäßig Profit für sie ab. Also wurde ich sehr ausdrücklich instruiert, diesem schändlichen Treiben mit allen möglichen Mitteln ein Ende zu setzen. Ich brauchte nicht lange, um herauszufinden, wer die Organisation gegründet hatte. Die Leute sind immer bereit, mir alles Mögliche mitzuteilen, wenn ich sie im richtigen Tonfall danach frage. Der Anstifter dieses Erleuchtungsplans stellte sich als ein gescheiterter Geschäftsmann heraus, ein gescheiterter Politiker und ein gescheiterter … Nun, er war in allem gescheitert. Aber er war dennoch überzeugt, sein Schicksal und sein Recht seien es, die Welt zum Besseren zu ändern, ganz nach seinem Glauben.
Er war im Gefängnis religiös geworden, und als er erst entlassen worden war, fand er eine ganze Menge Anhänger, wie seine Art das immer findet. Irgendwie hatte er ein Grimoire in die Finger bekommen: einige überaus gefährliche, aber machtvolle Tauber für Anfänger. Und das hat er dann wiederum in die Nightside schmuggeln können. Das ist etwa so, als würde ein Terrorist per Rucksack eine Atombombe in eine Waffenkammer schmuggeln. Ich glaube sogar, ich hätte die Atombombe im Rucksack bevorzugt. Wie man mit denen umgeht, weiß ich.
Ich habe den Mann und sein fieses kleines Buch leicht gefunden, weil das mein Job ist. Oder besser, weil es das ist, was ich meinen Leuten beigebracht habe, für mich zu tun. Ich habe immer daran geglaubt, die Drecksarbeit zu delegieren und dann am Ende auf die Bühne zu spazieren und den Applaus entgegenzunehmen. Ich habe den Aufrührer in einem Versteck, das er für sicher hielt, konfrontiert und tat mein Bestes, um ihm zu erklären, dass das, was er vorhatte, eine wirklich schlechte Idee sei und er wahrscheinlich sowieso nicht erreichen würde, was er wollte. Aber er wollte nicht hören. Leute, die starke innere Stimmen hören, die ihnen befehlen, Gutes zu tun, hören nur selten auf jemand anderen. Denn wenn man mit ihren inneren Stimmen diskutieren und sie widerlegen könnte, dann wären sie ja nichts Besonderes mehr, oder? Sie müssen mich schon töten, um mich aufzuhalten, sagte er und hatte dabei nur ganz wenig Schaum an den Mundwinkeln. Und ich glaube nicht, dass Sie einen guten Menschen kaltblütig töten können; einen Menschen, der nur tut, was richtig ist.
Er lag natürlich falsch. Ich kenne meine Pflicht. Ich tat, was nötig war und er starb mit einem ausgesprochen überraschten Gesichtsausdruck. Er hätte es wirklich besser wissen müssen. Man bricht das Gesetz an einem Ort wie der Nightside nicht, wenn man nicht noch kälter und noch entschlossener sein kann als jeder andere an diesem korrupten Ort.«
Jeder von uns sah Walker an und er erwiderte den Blick ruhig. Es sind immer die stillen Wasser, die tief sind.
»Nun«, sagte ich, und jeder sah mich an. »Ich bin dran. Eine Geschichte von den Droods. Und dem Chaos, das wir manchmal aufräumen.
Vor ein paar Jahren sollte ich in einer seltsamen Reihe von Morden ermitteln, die sich in einer der ruhigsten und gesetzestreuesten Vorstädte Londons ereignet hatten. Seltsamerweise war es so, dass man zwar für jeden der Morde dieselbe Täterin ermittelt hatte, aber dieses Individuum jedes Mal ein hieb- und stichfestes Alibi für jeden einzelnen Mord vorweisen konnte. Zur gleichen Zeit starben die Opfer auf schreckliche Weise. Die Frau, die von Dutzenden Zeugen als die Mörderin identifiziert worden war, befand sich offiziell woanders, umgeben von Freunden und war zudem von Überwachungskameras eindeutig aufgezeichnet worden. Obwohl alle möglichen forensischen Indizien die Frau mit den Morden verbanden, gab es ums Verrecken keine Möglichkeit, dass sie es getan haben konnte. Außer sie wäre ein Zwilling gewesen. Was sie nicht war. Das hatte ich zuerst überprüft.
Die Polizei konnte nichts tun. Also übernahm ich.
Ich machte mich mit allen Informationen vertraut, las alle Akten, überprüfte die Beweise, schloss Klone aus - und überwachte die Frau aus sicherer Entfernung, indem ich mich in ihr langweiliges, alltägliches Vorstadtleben vertiefte. Eine stille, reservierte Lady mittleren Alters, mit einem netten Haus und einem netten Leben und nicht einem Feind in der Welt. Ein Exmann, mit dem sie gut auskam. Keine Kinder. Ein langweiliger, aber gut bezahlter Job. Kein Doppelleben irgendwelcher Art. Keine dunklen Geheimnisse und sicher kein Grund, irgendjemanden brutal zu töten und sieben Leute zu zerstückeln. Das einzig Auffällige in ihrer Akte war so normal, dass man es kaum als auffällig bezeichnen konnte: Für eine kurze Zeit früher in dem bewussten Jahr hatte sie Unterricht in Meditation genommen.