Er war ein Hyde - aber ich war ein Drood.
Ich prügelte ihn mit den Dornen an meinen gerüsteten Fäusten zu Tode. Ich tötete ihn: für das, was er war, was er getan hatte und was er beabsichtigt hatte zu tun. Er ging kämpfend zu Boden, und er starb mit einem Fluch gegen mich auf den Lippen. Ich brach ihm Arme und Beine, schlug in seine Rippen und versenkte meine Faust tief in seinen Schädel. Auch als es schon vorbei war und ich schwer atmend über seiner Leiche stand, während Blut von meinen dornigen Händen tropfte, fühlte ich nichts. Absolut nichts. Ich sah mich langsam um. Honey war wieder auf den Beinen, drückte ein Taschentuch gegen ihren blutenden Mund und ihre Nase. Ihre Augen waren sehr groß. Für einen Moment erkannte ich den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht. Sie sah mich auf die gleiche Weise an, wie sie den Hyde angesehen hatte. Als ob ein Monster durch ein anderes ersetzt worden wäre.
Ich sah auf den toten Hyde herab. Ich erwartete beinahe, dass er sich wieder in seine ursprüngliche, menschliche Form verwandelte, aber das tat er nicht. Nur der Trank oder die Pflanze oder was auch immer er genommen hatte, hätte diese Verwandlung rückgängig machen können.
Ich rüstete ab und sah die anderen mit meinem bloßen, menschlichen Gesicht an. Ich zitterte. Walker sah mich nachdenklich an. Peters Gesicht war leer und ausdruckslos, als wüsste er nicht, was er denken sollte. Honey kam langsam vor, um sich vor mich zu stellen. Ihre Lippen waren geschwollen, und dunkle Flecken wurden unter ihrer kaffeebraunen Haut sichtbar.
»Es ist schon in Ordnung, Eddie«, sagte sie. »Wir verstehen das.«
»Wirklich?«, sagte ich. »Vielleicht kannst du mir das dann erklären. Ich habe mich noch nie so vergessen. Noch nie derartig … die Kontrolle verloren. So vollständig. Man darf die Kontrolle nicht so verlieren, wenn man die goldene Rüstung trägt. Ich wusste nicht, … dass ich so viel Wut und Hass in mir habe.«
»Wir haben alle einen Hyde in uns«, sagte Walker. »Vielleicht hat seine Gegenwart etwas davon in uns wachgerufen.«
Peter ging mit gezücktem Fotohandy langsam um den Hyde herum. Er filmte die Leiche aus jedem Winkel. Als er fertig war, steckte er das Handy weg und sah mich an. »Also«, sagte er. »Was machen wir mit der Leiche?«
»In den Fluss werfen«, sagte Honey. »Sollen sich die Alligatoren um ihn kümmern. Keiner würde sie haben wollen, so … wie sie aussieht.«
»Einen Moment«, unterbrach ich. »Wo ist Blue? Wo ist der Blaue Elf?«
Wir fanden seine Leiche auf der anderen Seite des Feuers, beinahe völlig verborgen auf der anderen Seite des Lichtkreises. Sein Genick war gebrochen, der Kopf rollte langsam von einer Seite zur anderen. Seine Augen starrten ins Leere und ein schmaler Blutfaden rann aus seinem schlaffen Mund. Er sah … verwirrt aus, als ob er nicht verstehen könne, dass ihm so etwas passiert war. Ich ging neben ihm in die Knie und schloss ihm die Augen.
»Verdammt«, sagte Honey hinter mir. »Der Hyde hat ihn erwischt.«
»Nein«, sagte ich. »Das glaube ich nicht. Dazu ging alles viel zu schnell.«
»Er war nicht sonderlich stark«, meinte Walker. »Ein einfacher Schlag des Hydes wäre genug gewesen.«
»Es ist ja nicht so, als wäre das ein großer Verlust«, sagte Peter. »Man sollte einem Elb sowieso nie vertrauen.«
»Halt die Klappe«, sagte ich, und etwas in meiner Stimme ließ ihn sofort verstummen. »Lasst mich mit ihm allein«, fügte ich hinzu und sah mich nicht um. »Blue und ich haben etwas Privates zu besprechen.«
Walker brachte Peter zurück zum Feuer. Honey blieb eine Weile hinter mir, aber als ich mich nicht umsah, ging sie auch. Sollten die anderen doch denken, was sie wollten - der Hyde hatte das sicher nicht getan. Er hatte Honey geschlagen, und dann war ich auch schon bei ihm gewesen. Er hatte keine Chance gehabt, sich an jemand anderem zu vergreifen. Jemand von den anderen dreien hatte Blue getötet, während die beiden Restlichen zusahen, wie ich den Hyde zu Tode prügelte.
Zwei Mitglieder unserer Gruppe waren tot; beide mit gebrochenem Genick. Beide einem Preis geopfert, der es vielleicht nicht einmal wert war. Aber einer glaubte das, einer aus unserer kleinen Gruppe spielte auf alle Murmeln im Wettbewerb. Ich ließ die Fingerspitzen über Blues aus Kupfer und Messing bestehenden Brustharnisch gleiten. All die elbischen Schutzzauber waren verschwunden. Das war nicht leicht gewesen. Aber selbst dann hätte der Torques ihn beschützen können. Alles was er hätte tun müssen, war, ihn zu aktivieren. Es sei denn, er war wirklich zu ängstlich gewesen, ihn zu aktivieren.
Ich hatte ihn aus dem Ruhestand geholt. Ich hatte ihn ins Droodsche Herrenhaus gebracht und ihm einen Platz innerhalb der Familie gegeben, in unserer Armee. Ihn in die Versuchung gebracht, vielleicht einen Droodschen Torques zu erlangen und war dann überrascht gewesen, als er es nicht hatte abwarten können und wirklich einen gestohlen hatte. Er war für viele Jahre eine Art Freund gewesen und ich hatte ihn an diesen Ort gebracht und an seinen Tod. Und ich hatte das nicht einmal erwartet.
»Tut mir leid, Blue«, sagte ich leise. »Aber du hast etwas, das dir nicht gehört.«
Ich berührte mit einer Fingerspitze den goldenen Reif um Blues Hals, und die seltsame Materie des Torques floss meine Hand und meinen Arm hinauf. Sofort wurde sie von meinem eigenen Torques aufgenommen. Blues Leiche würde seinen Leuten, dem Feenrat, zurückgegeben werden müssen, aber ich konnte seinem Torques nicht erlauben, diesen Weg mitzugehen. Selbst wenn es sich dabei um die einzige wirkliche Errungenschaft seines Lebens handelte.
Und dann hielt ich inne und lauschte, als die Stimme des Blauen Elfen an mein Ohr drang, klar, wenn auch schwach, als ob sie eine lange Strecke hätte zurücklegen müssen, um mich zu erreichen.
»Hallo, Shaman. Wenn du das hörst, dann bin ich tot, und du hast den Torques zurückgeholt. Ach ja, wie gewonnen, so zerronnen. Ich hinterlasse dir diese Nachricht im Torques, nur für den Fall. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich dich Shaman nenne. Ich habe Shaman Bond immer besser gekannt als Eddie Drood. Ich mochte Shaman. Er war mein Freund, bei Eddie war ich da nie so sicher. Es muss kompliziert sein, zwei Personen sein zu müssen und zwei Leben zu haben. Vielleicht kann nur ein Halbelb das verstehen.
Ich wollte nur sagen: Was auch passiert und wie ich auch sterbe - und ich nehme an, dass ich getötet wurde -, ich gebe dir nicht die Schuld. Ich bin mit offenen Augen in dieses Spiel gegangen. Hätte ich dich am Ende auch getötet, um sicherzugehen, dass ich Alexander Kings Preis für den Feenrat und Königin Mab bekomme? Ich weiß es nicht. Shaman Bond war mein Freund, aber ich denke, ich hätte Eddie Drood töten können. Du weißt nicht, was die Droods mir angetan haben, Shaman. Wozu sie mich zwangen.
Also, Shaman, ich grüße dich ein letztes Mal und wünsche dir Lebewohl. Gewinn das Spiel, was auch immer es kostet. Keinem anderen kann man mit dem Preis vertrauen. Eines noch: Ich hasse es, ein schlechter Verlierer zu sein, aber wenn du herausfindest, wer mich getötet hat, dann reiß ihm den Kopf ab und pinkel ihm in den Hals.«
Sein Lachen verklang und war verschwunden.
Ich reaktivierte einen der Zauber auf seinem Harnisch und benutzte ihn, um seinen Körper nach Hause, zum Feenhof, zu schicken. Ich konnte ihn nicht hier in der Dunkelheit allein lassen. Er hatte das Landleben immer gehasst. Ich ging wieder zu den anderen am Feuer, und lange Zeit saßen wir einfach nur da und sahen uns an.
Keiner hatte etwas zu sagen.
Kapitel Sechs
Außerhalb der Zeit
Die Nordmänner glaubten, dass Hel ein Platz des endlosen Eises und gefrorenen Wassers sei, eine grauenhafte Kälte, die die Seele auf ewig verdorren lässt. Es gibt Orte auf dieser Erde, die das erklären.