Darauf schlug das Papageiengesicht den Blick seiner Triefaugen nieder, stellte das aggressive Geklapper mit den unförmig mutierten Zähnen und Kiefern augenblicklich ein und lispelte ein gehörig ehrerbietiges: »Verzeihung, Rechtmann.«
Feric seinerseits nahm von dem anderen nicht weiter Notiz und ging eilig weiter die Straße hinunter, den Blick entschlossen geradeaus gerichtet.
Ein paar Dutzend Schritte weiter jedoch wehte ein vertrautes, unbestimmt schwebendes Gefühl sacht durch Ferics Bewußtsein und gab ihm Anlaß, den Schritt zu verhalten, denn lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß diese psychische Aura ein sicherer Hinweis darauf war, daß sich ein Dominator in der Nähe aufhielt. Und in der Tat, als er die Reihe der Verkaufsstände zu seiner Rechten beobachtete, fand er seine Vermutung durch den Augenschein bestätigt. Es war ein Dom in der Nähe, und das Dominanzmuster gehörte kaum zu den subtilsten, denen er in seiner Laufbahn begegnet war.
Fünf Verkaufsstände standen ausgerichtet in einer Reihe nebeneinander, bemannt mit drei Zwergen, einem Krötenmenschen-Bastard mit warziger bläulicher Haut, und einem Echsenmann. Sie alle zeigten die Schlaffheit des Ausdrucks und Leblosigkeit des Blicks, wie sie für Mutanten charakteristisch waren, die in einem seit langem bestehenden Dominanzmuster gefangen sind. Die Stände selbst enthielten Fleisch, Obst und Gemüse in einem abscheulichen Zustand fortgeschrittener Verderbnis, der sie — selbst an borgravischen Ansprüchen gemessen — hätte völlig unverkäuflich machen sollen. Nichtsdestoweniger drängten sich Horden von Bastarden und Mutanten um diese Stände und rissen den Verkäufern die verfaulte Ware zu überhöhten Preisen aus den Händen, ohne auch nur einen Augenblick zu feilschen.
Nur die Anwesenheit eines Dominators in der Nachbarschaft konnte solches Verhalten erklären. Gormond war von diesen Monstrositäten stark infiziert, da sie naturgemäß große Städte bevorzugten, wo es Opfer im Überfluß gab; daß sie auch eine so kleine Stadt wie diese infiziert hatten, war für Feric ein deutliches Anzeichen, daß Borgravia noch mehr im Banne Zinds stand, als er vermutet hatte. Er hatte gute Lust, den Dom ausfindig zu machen und diesem Ungeheuer den Hals umzudrehen, entschied jedoch nach kurzer Überlegung, daß die Befreiung einiger elender und wertloser Mutanten aus einem Dominanzmuster die damit zwangsläufig verbundene Verzögerung seiner langersehnten Ausreise aus der Senkgrube Borgravia nicht rechtfertigte. Darum setzte er seine Wanderung fort.
Endlich ging die Straße in einen ausgefahrenen Weg über, der sich durch ein ungesundes Gehölz verkrüppelter Fichten mit rötlichen Nadeln und verkrümmten, mit geschwürartigen Wucherungen bedeckten Stämmen hinzog. Obwohl dies kaum als ein schöner Anblick bezeichnet werden konnte, war es doch eine willkommene Erholung von der lärmenden, schmutzigen Stadt. Bald bog der Weg nach Norden und verlief parallel zum Südufer der Ulm.
Hier blieb Feric stehen, um über die weite, ruhig ziehende Wasserfläche des Flusses hinauszublicken, der diesen Abschnitt der Grenze zwischen dem Geschwür Borgravia und der Großrepublik Heldon markierte. Jenseits der Ulm erhoben sich die stattlichen, genotypisch reinen Eichen des Smaragdwaldes in prachtvoller Geschlossenheit. Für Feric versinnbildlichten diese genetisch makellosen Bäume, die aus dem fruchtbaren, unverseuchten schwarzen Humusboden von Heldon emporwuchsen, die Stellung der Großrepublik inmitten einer bastardisierten und degenerierten Welt. Wie der Smaragdwald ein Wald aus genetisch reinen Bäumen war, so war Heldon selbst ein Wald von genetisch reinen Menschen, der sich wie eine Palisade gegen die mutierten Monstrositäten der genetischen Müllhaufen stellte, welche die Großrepublik umgaben.
Als er dem Weg weiter folgte, kam die Ulmbrücke in Sicht, ein anmutiger weiter Bogen aus Hausteinen und rostfreiem Stahl, ein offensichtliches Produkt überlegener heldonischer Technik. Feric beschleunigte seinen Schritt und konnte bald mit Befriedigung feststellen, daß Heldon die erbärmlichen Borgravier gezwungen hatte, sich mit der Demütigung einer heldonischen Zollfestung am borgravischen Ende der Brücke abzufinden. Das den Zugang zur Brücke sperrende Gebäude war, statt die Nationalflagge zu zeigen, in den Farben Schwarz-Weiß-Rot gestrichen: für Feric eine stolze Proklamation, daß es keinem bastardisierten Untermenschen gestattet sein würde, auch nur einen Fußbreit reinen heldonischen Bodens zu verseuchen. So lange Heldon sich genetisch rein hielt und seine Gesetze zur Erhaltung der Rassereinheit rigoros durchsetzte, lebte die Hoffnung fort, daß die Erde einst wieder alleiniges Eigentum der wahren menschlichen Rasse sein würde.
Mehrere Wege aus verschiedenen Richtungen liefen bei der Zollfestung zusammen, und erstaunlicherweise stand eine jämmerliche Ansammlung von Bastarden und Mutanten in einer Schlange vor dem Portal, das von zwei rein zeremoniellen, nur mit gewöhnlichen Stahlknüppeln bewaffneten Zollsoldaten bewacht wurde. Der Anblick mutete um so eigenartiger an, als die meisten dieser Kreaturen nicht hoffen konnten, eine Kontrolle der oberflächlichsten Art zu passieren, und wenn sie von Schwachsinnigen und Blinden durchgeführt würde. Ein unverkennbarer Echsenmann stand hinter einer Kreatur, deren Beine ein zusätzliches Gelenk hatten. Es gab Blauhäute und bucklige Zwerge, einen Eierkopf und Bastarde aller Sorten — mit einem Wort, einen typischen Querschnitt der borgravischen Bevölkerung. Was diese armen Teufel zu der Annahme verleitete, daß ihresgleichen Erlaubnis erhalten würde, die Brücke nach Heldon zu überqueren, blieb Feric ein Rätsel, als er sich hinter einem einfach gekleideten Borgravier ohne erkennbaren genetischen Defekt anstellte.
Was ihn selbst betraf, so war Feric mehr als bereit, sich der gründlichen genetischen Untersuchung zu unterziehen, die der Beglaubigung als rassereiner Mensch und der Erteilung der Einreiseerlaubnis vorausging; er begrüßte die Prüfung und billigte ausdrücklich ihre Strenge. Obwohl sein makelloser Stammbaum die Beglaubigung praktisch garantierte, hatte er keine Mühe und Ausgaben gescheut, um seine genetische Reinheit schon vorher zu verifizieren — soweit dies in einem Land möglich war, das ja hauptsächlich von Mutanten und Bastarden zwischen Mutanten und Menschen bewohnt wurde und wo die genetischen Analytiker ohne Zweifel selbst durchgängig verseucht waren. Hätten seine Eltern nicht beide Beglaubigungen besessen, wäre sein Stammbaum nicht seit mehr als zehn Generationen fleckenlos gewesen, wäre er nicht in Heldon selbst gezeugt worden, wenngleich durch die Verbannung seines Vaters wegen sogenannter Kriegsverbrechen gezwungen, eine Geburt in Borgravia zu ertragen, so würde Feric nicht gewagt haben, um Einlaß in das geistige und rassische Heimatland nachzusuchen, das er nie gesehen hatte.
Obschon überall in Borgravia auf den ersten Blick als ein rasseechter Mensch erkannt und von dem, was in diesem bastardisierten Staat als genetische Wissenschaft hingehen mochte, als ein solcher beglaubigt, konnte er kaum die einzige Bestätigung seiner genetischen Reinheit erwarten, die wirklich zählte: die Aufnahme als ein Bürger der Großrepublik Heldon, einzige Bastion des echten menschlichen Genotyps.
Warum unternahm solch offensichtlich verseuchtes Material dann den Versuch, durch den heldonischen Zoll zu kommen? Der Borgravier vor ihm war ein gutes Beispiel. Zwar traf es zu, daß sein Oberflächenfirnis genetischer Reinheit nur von einem stechenden Körpergeruch getrübt wurde, doch eine so offensichtliche somalische Abweichung konnte bereits als ein sicherer Hinweis auf gründlich verseuchtes genetisches Material angesehen werden. Die genetischen Analytiker Heldons würden es sofort bemerken, ohne erst zu ihren Instrumenten greifen zu müssen. Der Vertrag von Karmak hatte Heldon zur Öffnung seiner Grenzen gezwungen, aber nur für rechte Menschen und mit der Maßgabe genetischer Kontrollen an allen Grenzübergängen. Vielleicht handelte es sich nur um das mitleiderregende Verlangen selbst der genetisch verdorbensten Bastarde, Zutritt zur Bruderschaft der rechten Menschen zu gewinnen, ein Verlangen, das gelegentlich stark genug werden mochte, um die Vernunft oder die Wahrheit im Spiegel zu überrennen.