Mit einem gummiartigen Klebstoff befestigte Dr. Heimat die Zwillingselektroden eines P-Messers an Ferics rechter Handfläche. Der P-Messer war ein Gerät zur Aufzeichnung der winzigen bioelektrischen Veränderungen, die durch psychische Reaktionen erzeugt werden, und hielt das resultierende psychische Profil nach der Art eines Hygrometers oder Seismographen auf einer Papierbahn mit Millimetereinteilung fest. Die Verfechter dieser Methode behaupteten, daß sie bei richtiger Anwendung geeignet sei, Dominatoren auszumachen. Aber es war unmöglich, mit Gewißheit zu sagen, daß die Dominatoren keine bewußte Kontrolle über ihre psychischen Entladungen hatten und nicht durch sorgfältig kalkulierte Willensakte ein genotypisch rasseechtes Profil vortäuschen konnten.
»Ich werde eine Reihe von Feststellungen treffen und Ihre psychischen Reaktionen aufzeichnen«, fuhr Dr. Heimat fort. »Sie brauchen nicht verbal zu reagieren; das Instrument ist in der Lage, Ihre innere Reaktion zu messen.«
Darauf spulte er eine Anzahl von Erklärungen aus seinem festen Repertoire ab, fast ohne Unterbrechung und in einem mechanischen, emotionslosen Ton: »Die menschliche Rasse ist zum Aussterben verurteilt. Der menschliche Genotyp ist die beste Züchtung eines intelligenten Tieres, die von der natürlichen Evolution bisher hervorgebracht wurde. Kein genetisches Material konnte die Zeit des Feuers völlig unbeeinträchtigt überstehen. Der höchste Instinkt einer jeden intelligenten Spezies muß es sein, ihre Art auf Kosten aller anderen zu vermehren und auszubreiten. Liebe ist eine kulturelle Sublimierung des Geschlechtstriebs. Ich würde mein eigenes Leben für einen Kameraden oder Partner opfern.« Und so weiter; eine Aufreihung von Reizen, die darauf angelegt waren, in rasseechten Menschen andere Reaktionsmuster zu erzeugen als in Mutanten, Bastarden und Doms. Feric hatte dennoch seine Zweifel an der Wirksamkeit des Tests, denn ein Dominator, der die Reihenfolge der Feststellungen durch vorherige Information oder andere Mittel antizipieren konnte, mochte durchaus imstande sein, seine Reaktionen in die erforderliche Form zu bringen, indem er sich mit der ihm eigenen Verstellungskunst in die Rolle eines rasseechten Menschen versetzte. Trotzdem war dieser Test in Verbindung mit anderen, sofern sie rigoros gehandhabt wurden, von beträchtlichem Wert; alle bis auf die am stärksten menschlich dominierten Bastarde und vielleicht die Doms konnten damit ausgesondert werden.
Nachdem er seine Erklärungen abgegeben hatte, blickte Heimat flüchtig auf die graphische Wiedergabe des Aufzeichnungsgerätes und verkündete: »P-Messerprofil positiv.«
Der Dominator-Schreiber machte die entsprechende Eintragung in das Formular und reichte es dem Analytiker. Dieser unterzeichnete es und erklärte: »Rechtmann Jaggar, ich beglaubige Sie hiermit als ein reines Exemplar des unverseuchten menschlichen Genotyps und bestätige Ihre Anrechte auf die Staatsbürgerschaft der Großrepublik Heldon.«
Feric war bestürzt. »Das ist alles?« fragte er. »Drei oberflächliche Tests, und Sie geben mir eine Beglaubigung der genetischen Reinheit? Aber das ist unerhört! Ein Viertel des Gesindels von Zind könnte sich an dieser Farce vorbeimogeln!«
Als er diese Worte aussprach, verspürte Feric einen Druck gegen die Bollwerke seines Geistes, einen Stoß psychischer Energie, der auf den Kern seines Willens zielte. Für die Dauer eines Augenblicks schien die vergebliche und alberne Natur des Aufhebens, das er machte, peinlich augenfällig: ein vernünftiger Mensch vermied solche Ausfälligkeiten in der Öffentlichkeit; wenn er so weitermachte, würde er alle friedfertigen und angenehmen Zeitgenossen vor den Kopf stoßen, ojine etwas zu gewinnen. Ein kluger Mann tat besser daran, sich den Gezeiten des kosmischen Geschicks anheim zu geben und fruchtlosen Widerstand gegen den Willen Höhergestellter zu unterlassen.
Doch als die Psyche des Dominators ausgriff, um seinen Willen zu lahmen, erkannte Feric aus langer Erfahrung das angenehm willenlose Gefühl vagen Sichtreibenlassens als das, was es war: ein Dom versuchte ihn in sein Netz zu ziehen. Entschlossen schürte Feric das Feuer seines festen Willens mit der Fackel rechtschaffenen Hasses gegen diese seelenlosen Kreaturen, die die Vorherrschaft wahrer Menschen durch ihr eigenes obszönes Regime ersetzen wollten, deren größter Wunsch die Auslöschung derer war, die ihnen genetisch überlegen waren; die bestrebt waren, die ganze Erde ihrem eigenen erbärmlichen Schweinestall gleichzumachen. Obwohl der Schreiber seinen Beherrschungsversuch oder dessen Fehlschlag durch kein äußeres Zeichen zu erkennen gab, fühlte Feric die Auflösung des schrecklichen willenlosen Augenblicks im Feuer seines wilden Hasses.
»Als genetischer Analytiker bin ich sicherlich besser in der Lage, über genetische Reinheit zu urteilen, als ein Laie wie Sie es ist«, sagte Dr. Heimat, während der psychische Wettkampf ausgefochten und gewonnen wurde.
»Mit drei Tests?« erwiderte Feric. »Eine Prüfung von angemessener Strenge bedürfte wenigstens einiger Dutzend Tests, darunter der Untersuchung von Gewebeproben, Blut, Urin und Tränen, sowie Analysen des Samens und der Chromosomen.«
»Eine derartige Untersuchung würde zuviel Zeit beanspruchen, um praktisch zu sein«, sagte der Analytiker. »Wenige Menschen mit verseuchtem genetischen Material können diese einfachen Tests bestehen, und diejenigen, denen es gelingt, können ohnehin als vollwertige Menschen gelten, nicht wahr?«
Feric vermochte nicht länger an sich zu halten. »Der Bursche neben Ihnen ist ein Dom!« rief er. »Sie sind in ein Dominanzmuster verstrickt! Nehmen Sie Ihre Willenskraft zusammen und befreien Sie sich daraus!«
Die hinter ihm in der Schlange Stehenden waren alarmiert; selbst einige der offensichtlich zweifelhaften Bastarde schienen bestürzt. Einen Augenblick lang war der Raum am Rande eines Aufruhrs; dann, als der Dom seine Kräfte mobilisierte, um sich zu schützen, schienen die Gesichter der Anwesenden sich in sanfter Verwirrung zu entspannen.
»Sie befinden sich eindeutig im Irrtum, Rechtmann Jaggar«, sagte Dr. Heimat mit überwältigender Milde. »Obergefreiter Mork ist ein beglaubigter, rasseechter Bürger unseres Landes; wäre das nicht so, würde er kaum die Uniform Heldons tragen.«
»Vielleicht ist Rechtmann Jaggar einfach unvertraut mit den Verhältnissen in Heldon«, meinte Mork mit einer Ironie, die nur ihm selbst und Feric hörbar war, dem einzigen Mann im Raum, der sein düsteres Geheimnis mit ihm teilte und der augenscheinlich nichts gegen ihn vermochte. »Wären wir gezwungen gewesen, umgeben von Mutanten, Bastarden und weiß Gott was aufzuwachsen, so würden auch wir ohne Zweifel in jedem Winkel und hinter jeder Tür einen Dom vermuten.« Mork blickte ihn mit völlig ausdrucksloser Miene an, aber Feric konnte sich gut die satanische Freude vorstellen, mit welcher er diesen Augenblick genoß.
Dr. Heimat gab Ferics Formular an Mork zurück, der es an den letzten Beamten hinter dem Tresen weiterreichte. »Sie sind jetzt als ein rasseechter Mensch beglaubigt, ob Sie die Tests für ausreichend halten oder nicht, Rechtmann Jaggar«, sagte er. »Es steht Ihnen frei, das Bürgerrecht anzunehmen oder abzulehnen, aber wie dem auch sein mag, Sie halten die Abfertigung auf.«
Kochend vor Wut, doch mit der Einsicht, daß eine weitere Diskussion mit Dr. Heimat oder dem verräterischen Mork sinnlos wäre, ging Feric zum letzten Beamten weiter. Dieser war ein vierschrötiger, rechtschaffener Mann von vorgerücktem Alter, mit eisengrauem Haar und einem sauber gestutzten Bart. Die Schnüre und Spangen an seinem Uniformrock zeigten an, daß er kein Friedenssoldat war, sondern ein alter Krieger, der am Großen Krieg teilgenommen hatte. Nichtsdestoweniger verrieten eine gewisse Unsicherheit der Haltung und sein unsteter Blick, dem die rechte Männlichkeit fehlte, den betrüblichen Umstand, daß auch er in das Dominanzmuster verstrickt war. Trotzdem mochte es möglich sein, einen Mann wie diesen aufzurütteln, daß er seine Willenskraft zusammennehme und sich aus der Abhängigkeit befreie.