Nachwort zur zweiten Auflage
Die Popularität, die Adolf Hitlers letzter Science-Fiction-Roman Herr des Hakenkreuzes in den fünf Jahren seit seinem Tod gewonnen hat, ist eine unbestreitbare Tatsache. Dem Roman wurde vom Preisgericht der Science-Fiction-Autoren und Verleger als bestem Science-Fiction-Roman des Jahres 1954 der Hugo Gernsback Award zuerkannt. Mag dieser auch eine einigermaßen zweifelhafte literarische Empfehlung sein, er würde Hitler, der während seiner ganzen Karriere in den Vereinigten Staaten unter diesen »Science-Fiction-Fans« lebte, sicherlich erfreut haben, betrachtete er sich doch als einen der ihren und ging so weit, daß er seine eigene Fan-Zeitschrift redigierte und veröffentlichte, obwohl er als berufsmäßiger Schriftsteller arbeitete.
Von größerer Bedeutung sind die Popularität des Buches und die Übernahme des Hakenkreuzmotivs und der damit geschaffenen Farben in einem so breiten Spektrum sozialer Gruppierungen und Organisationen wie der Christlichen Antikommunistischen Legion, verschieden mehr oder weniger im Gegensatz zur etablierten Gesellschaft stehenden Motorradbanden und den Amerikanischen Rittern des Bushido. Offensichtlich hat dieser Science-Fiction-Roman im zeitgenössischen nichtkommunistischen Bewußtsein eine Saite angeschlagen, die seine Anziehungskraft weit über die engen Grenzen des SF- und Fantasy-Genres hinaus wirksam werden läßt.
Auf einer rein literarischen Ebene scheint dieses Phänomen ganz unerklärlich. Herr des Hakenkreuzes wurde innerhalb von sechs Wochen unter Kontrakt mit einem Taschenbuchverleger kurz vor Hitlers Tod 1953 unter starkem Zeitdruck geschrieben. Wenn wir den Klatschgeschichten in den SF-Fanzeitschriften glauben dürfen, hatte Hitler seit mehreren Jahren unter Stimmungsschwankungen und Verhaltensstörungen gelitten, zu denen Anfälle von Gliederzittern und Ausbrüche unkontrollierbarer Wut gehörten, die häufig in unzusammenhängendem Gestammel oder aber in hochtrabend-schwülstigem Bramarbasieren endeten. Obgleich die eigentliche Todesursache eine Gehirnblutung war, scheinen diese Symptome zumindest darauf hinzudeuten, daß Komplikationen einer tertiären Syphilis eine Rolle spielten.
So wurde der literarische Fetisch der gegenwärtigen Verehrer des Hakenkreuzes und seines eigentümlichen Ehrenkodexes tatsächlich innerhalb von sechs Wochen von einem kommerziellen Schundschriftsteller geschrieben, der nie ein ernstzunehmendes literarisches Talent zeigte und der dieses Buch geschrieben haben mag, während er unter den Anfangsstadien einer Parese litt.
Man hat Hitlers Prosa eine gewisse lobenswerte Gewandtheit und Bildhaftigkeit des Ausdrucks zugesprochen, was um so mehr Beachtung verdient, als Hitler erst in seinen Erwachsenenjahren die englische Sprache erlernte. Dennoch kann man seine Beherrschung der angenommenen literarischen Sprache nicht ernsthaft mit der Meisterschaft eines Joseph Conrad vergleichen, einem Polen, der in ähnlich vorgerücktem Alter zu unserer Sprache kam. Spuren deutscher Satzstruktur und deutschen Wortgebrauches sind in seiner Prosa allenthalben zu finden.
Viele Passagen des Romans zeichnen sich zugegebenermaßen durch eine unbearbeitete Kraft der Bilder aus, die nicht ohne Faszination ist, doch scheint dies eher ein Ergebnis der Psychopathologie als von bewußter, kontrollierter literarischer Kunstfertigkeit zu sein. Wenn man Hitler besondere schriftstellerische Leistungen zubilligen möchte, dann in dieser seiner bildhaften Vorstellungskraft von im Grunde unrealistischen oder unwahrscheinlichen Szenen — vor allem in den ebenso verschwenderischen wie übertriebenen Schlachtengemälden und Metzeleien im Stil des Grand Guignol, oder den Schilderungen militärischen Schaugepränges, die das ganze Buch wie Girlanden durchziehen. Aber diese Umsetzung von Vorstellungskraft kann leicht zu Hitlers früherer Karriere als Zeitschriftenillustrator zurückverfolgt werden und wird eher hier ihre Wurzeln haben als in irgendeiner besonderen bewußten Meisterschaft des Prosastils.
Die bildliche Sprache des Romans ist wieder etwas anderes, ein Gebiet legitimen Disputs. Wie jedermann erkennen wird, der auch nur eine flüchtige, laienhafte Kenntnis menschlicher Psychologie besitzt, ist Herr des Hakenkreuzes voll von den schreiendsten phallischen Symbolismen und Anspielungen. Eine Beschreibung von Feric Jaggars magischer Waffe, dem sogenannten Großen Knüppel von Held: ›Der Schaft war aus ... Metall, volle vier Fuß lang und dick wie der Unterarm eines kräftigen Mannes ... das Kopfstück war eine mächtige Stahlfaust, die überlebensgroße Faust eines Heroen.‹ Wenn dies nicht die Beschreibung eines Fantasiepenis ist, was dann? Weiterhin deutet alles an dem Großen Knüppel auf eine phallische Identifikation von Hitlers Held Feric Jaggar und seiner Waffe hin. Der Knüppel ist nicht nur in der Form eines enormen Penis gefertigt, er ist auch die Quelle und das Symbol von Jaggars Kraft. Nur Jaggar, der Held des Romans, kann den Großen Knüppel schwingen; er ist der Phallus von maximaler Größe und Potenz, das höchste Statussymbol und Zepter der Herrschaft in mehr als einer Weise. Wenn er Stag Stopa zwingt, zum Zeichen seiner Treue das Kopfstück seiner Waffe zu küssen, erreicht der phallische Symbolismus des Großen Knüppels einen grotesken Höhepunkt.
Aber der phallische Symbolismus bleibt nicht auf den Großen Knüppel von Held beschränkt. Der Gruß mit ausgestrecktem Arm, ein im ganzen Roman bis zur Besessenheit verwendetes Motiv, ist, wiewohl als Gruß bis ins Altertum nachweisbar, gleichfalls als phallische Geste zu deuten. Jaggar nimmt eine der orgiastischen Militärparaden von der Spitze eines enormen zylindrischen Turmes ab, der in ziemlich offenkundigen phallischen Begriffen beschrieben wird. Später wird die Feuersäule im Zentrum der brennenden Stadt Bora zu einem immensen phallischen Totemsymbol, um das Jaggar seine siegreichen Truppen paradieren läßt. Und in der Schlußszene des Romans erhebt sich eine Rakete, die ganz buchstäblich mit Jaggars Samen gefüllt ist, ›auf eine Feuersäule, die Sterne zu befruchten‹, als der orgasmische Höhepunkt eines bizarren militärischen Spektakels, das Jaggar eindeutig als eine einigermaßen plumpe Analogie zum Geschlechtsverkehr erfährt.
Es ist nicht daran zu zweifeln, daß ein großer Teil der Anziehungskraft, die Herr des Hakenkreuzes auf Ungebildete ausübt, von dem krassen phallischen Symbolismus herrührt, der das Buch nahezu beherrscht. In einem Sinne kann der ganze Roman als ein Stück sublimierter Pornographie gesehen werden, eine phallische Orgie vom Anfang bis zum Ende, in der die Sexualität in Gestalt grandioser fetischistischer Militärschauspiele und orgiastischer Ausbrüche unwirklicher Gewalt symbolisiert wird. Da diese phallische Sexualität der Gewalt und des militärischen Gepränges eine in der westlichen Gesellschaft häufige Übertragung ist, gewinnt das Buch seine beträchtliche Kraft, indem es sich in eine der vorherrschendsten sexuellen Pathologien unserer abendländischen Zivilisation gewissermaßen einschaltet.
Streiten ließe sich allenfalls über die Frage, ob Hitler sich dessen, was er tat, klar bewußt war oder nicht.
Wer behaupten wollte, daß Hitler seine phallische Bilderwelt systematisch als ein bewußt kalkuliertes Mittel einsetzte, könnte mit Recht darauf hinweisen, daß ihre folgerichtige Anwendung auf einen Akt bewußter Schöpfung hindeutet. Ferner zeigt Hitler ein überzeugendes Verständnis für den Gebrauch visueller Symbole und Geschehnisse zur Manipulation der Massenpsyche. Man kann glauben, daß die Massenaufmärsche im Fackelschein, die er in dem Buch beschreibt, tatsächlich die Leidenschaften wirklicher Menschenmengen ungefähr in der Art entflammen würden, wie er es im Roman schildert. Die Übernahme der Hakenkreuzfarben durch Gruppen unserer eigenen Gesellschaft ist ein zusätzlicher Beweis, daß Hitler sehr gut wußte, wie er visuelle Bilder zu gestalten hatte, daß sie auf den Betrachter die größtmögliche Wirkung ausüben. In diesem Licht erscheint es bei oberflächlicher Betrachtung einleuchtend, anzunehmend, daß Hitler den Roman Herr des Hakenkreuzes mit phallischer Symbolik ausstattete, um die Aufmerksamkeit der breiten, ungebildeten Leserschichten einzufangen.