Damit nicht genug, haben wir es hier mit dem erstaunlichen Fall zu tun, daß in dem Roman nicht eine einzige Frau auftritt. Es läßt sich mit einiger Berechtigung sagen, daß Asexualität ein Kennzeichen der typischen Science-Fantasy-Literatur ist; Frauen erscheinen nur als keusche, ›züchtige‹, schablonenhafte Gestalten, als Gegenstände romantischen Interesses für den Helden, als Preise, die gewonnen werden müssen. Herr des Hakenkreuzes ist nicht nur frei von diesem traditionellen romantischen Interesse, der Roman nimmt es schließlich sogar auf sich, die Notwendigkeit der weiblichen Hälfte der menschlichen Rasse zu leugnen. Am Ende wird alle menschliche Reproduktion durch die Technik der Zellkernverschmelzung in den Aufzuchtbehältern riesiger Vermehrungsanstalten vorgenommen, wobei die SS-Männer sich selbst duplizieren, eine unheimliche Art von männlicher Parthenogenese.
Es ist verlockend, diese weitgehende Leugnung der Existenz von Frauen dem phallischen Fetischismus hinzuzufügen und mit einer Diagnose unterdrückter Homosexualität von Seiten Hitlers aufzuwarten. Es ist wahr, daß Hitler, obwohl er nie heiratete, auf Science-Fiction-Kongressen einen gewissen Ruf als ein Don Juan genoß. Auf der anderen Seite ist unterdrückte Homosexualität häufig ein Element im Charakterbild des Frauenhelden. Gleichwohl würde es sicherlich vermessen sein, nach den verfügbaren Hinweisen post mortem eine solche Diagnose zu stellen. Es genügt zu sagen, daß Hitlers Einstellung zu Frauen im allgemeinen und zur Sexualität im besonderen kaum gesund war.
So tritt uns Herr des Hakenkreuzes, weit davon entfernt, wie so viele andere Science-Fantasy-Romane eine zynisch geschriebene, formelhafte und schlau auf die phallische Fixierung der Massen spekulierende Darstellung zu sein, als das Besessenheitsprodukt einer verwirrten, aber starken Persönlichkeit vor Augen. Die Kraft des Buches entspringt nicht der Geschicklichkeit des Autors, sondern der Reichhaltigkeit der pathologischen Selbstdarstellung, mit der er den Roman vollständig unbewußt ausstattete. Es ist wohlbekannt, daß die Kunst von Psychotikern selbst dem völlig normalen Verstand als brillant und ansprechend erscheinen kann. Solche Kunstwerke gewähren uns einen beängstigenden Einblick in eine verderbliche Realität, die glücklicherweise außerhalb unserer persönlichen Erfahrung liegt. So kommen wir vom intimen Kontakt mit dem Unaussprechlichen bewegt und tief aufgewühlt davon.
Wer mit dem Genre der kommerziellen Science-Fiction-Literatur nicht vertraut ist, mag überrascht sein, zu erfahren, daß solche pathologischen Erzeugnisse durchaus nicht selten sind. Die Science-Fiction-Literatur kennt einen Überfluß an Geschichten von allmächtigen phallischen Übermenschen, fremdartigen Lebewesen, die als fäkale Surrogate dargestellt werden, phallischen Totems, vaginalen Kastrationssymbolen (wie das Ungeheuer mit den vielen saugenden, mit rasiermesserscharfen Zähnen gefüllten Mündern im vorliegenden Buch), sublimen homoerotischen oder sogar päderastischen Beziehungen und dergleichen. Während einige wenige der besseren Schriftsteller auf diesem Gebiet von solchen Elementen sparsamen und überlegten Gebrauch auf einer bewußten Ebene machen, sprudelt das meiste von diesem Material aus dem Unterbewußten in die Arbeit von Schriftstellern, die auf einer rein oberflächlichen Ebene schreiben.
Herr des Hakenkreuzes weicht nur in der Intensität und bis zu einem gewissen Grade im Gehalt von der beträchtlichen Masse pathologischer Literatur ab, die innerhalb des Science-Fiction-Bereichs veröffentlicht wird. Man muß Hitlers einigermaßen ungewöhnlichen Hintergrund betrachten, um eine befriedigende Erklärung für den besonderen Erfolg dieses Buches zu finden.
Adolf Hitler wurde in Österreich geboren und wanderte nach Deutschland aus, in dessen Armee er während des Weltkriegs diente, bevor er 1919 nach New York emigrierte. In der Zeit zwischen dem Ende des Weltkriegs und seiner Auswanderung nach Amerika war Hitler mit einer kleinen radikalen Partei verbunden, den Nationalsozialisten. Sehr wenig ist über diese obskure Gruppe bekannt, die sich um 1923 wieder auflöste, volle sieben Jahre, bevor der kommunistische Staatsstreich die Angelegenheit zu einer rein akademischen Frage machte. Es scheint jedoch klar zu sein, daß die Nationalsozialisten die Machenschaften der Sowjetunion um viele Jahre früher erkannten als andere und entschiedene Antikommunisten waren.
Die Themen Nationalsozialismus und Deutschland blieben für Hitler zeitlebens wunde Punkte; er diskutierte sie nur mit großem Widerwillen und deutlicher Bitterkeit und auch das angeblich nur, wenn er betrunken war. Die Nationalsozialisten tat er, ohne Zweifel durchaus zu Recht, als einen jämmerlichen Bierhallendebattierklub ab. Aber seine frühe, leidenschaftliche und auch später andauernde Ergebenheit in die Sache des Antikommunismus war wohlbekannt und verwickelte ihn in zahlreiche hitzige Debatten und Fehden innerhalb der kleinen Welt von ScienceFiction-Liebhabern, in der er sich bewegte, bis die Einvernahme Englands im Jahre 1948 den imperialistischen Appetit der Sowjetunion selbst dem naivsten Apologeten des Kommunismus deutlich vor Augen führte.
Sind Bildersprache, Gewalt, Fetischismus und Symbolismus im Herr des Hakenkreuzes klare Manifestionen von Hitlers ungesunden unterbewußten Besessenheiten, so darf man annehmen, daß Elemente politischer Allegorie im Roman bewußte Schöpfungen eines Verstandes waren, der tief besorgt über die Lage der Weltpolitik und das unglückliche Schicksal seines angestammten Europas war.
Das Reich von Zind trägt offensichtliche Ähnlichkeit mit der gegenwärtigen Sowjetunion. Zind repräsentiert das logische extreme Endprodukt kommunistischer Ideologie — einen Ameisenhaufen von hirnlosen Sklaven, die von einer rücksichtslosen Oligarchie beherrscht werden. Wie die Dominatoren von Zind eine Weltordnung zu errichten suchen, in welcher jeder denkende Mensch zu ihrem subhumanen Sklaven reduziert worden ist, so streben die gegenwärtigen kommunistischen Führer eine Welt an, in welcher Individualismus völlig ausgelöscht und jeder Mensch zur Unterwürfigkeit gegenüber der Kommunistischen Partei reduziert wird. Und wie die Macht von Zind auf der Größe des Landes und den ungeheuren Menschenmassen beruht, mit denen die Dominatoren ohne humanitäre Skrupel nach Gutdünken verfahren, so beruht die Macht der Sowjetunion auf ihrer enormen Ausdehnung und der riesigen Bevölkerung, die von den Kommunisten mit totaler Nichtachtung der Bedürfnisse und der Würde des Individuums behandelt wird.
Heldon scheint in diesem Licht ein wiedererstandenes Deutschland darzustellen, das nie existierte, eine Wunscherfüllung Hitlers oder möglicherweise die nichtkommunistische Welt in toto.
Jenseits davon scheint die politische Allegorie hoffnungslos verwirrt. Die Dominatoren scheinen für die kommunistische Weltbewegung zu stehen; im Roman dient die Partei der ›Universalisten‹ offenbar als ein schlichtes Surrogat für die Kommunistische Partei.
Dennoch scheint es mehr damit auf sich zu haben, etwas, das mit den völlig unerklärlichen genetischen Besessenheiten des Romans zusammenhängt. Es ist unmöglich, eine brauchbare Parallele zwischen den degenerierten Mutanten, die die Welt von Herr des Hakenkreuzes überschwemmen, und irgend etwas in der zeitgenössischen Realität zu ziehen. Natürlich ist die Welt des Romans das Ergebnis eines in alter Zeit geführten Atomkriegs; vielleicht ist Hitlers Schilderung der genetisch deformierten Abkömmlinge unseres eigenen Zeitalters einfach nur als eine Mahnung zur Vorsicht zu verstehen. Aber die Doms selber scheinen ein wahrhaft paranoides Element zu sein. Es ist schwierig, an der Schlußfolgerung vorbeizukommen, daß sie für irgendeine reale oder eingebildete Gruppe stehen, die Hitler haßte und fürchtete.