Auch Gondered entging der ablehnende Tonfall in den Worten des Freiseglers nicht, aber seine Reaktion fiel anders aus, als Skar erwartet hatte. In seinen Augen blitzte es amüsiert auf. »Gern, Kapitän«, sagte er. »Wir segeln im Auftrag der Ehrwürdigen Frauen von Elay und kontrollieren jedes Schiff, das sich den Küsten des Drachenlandes nähert.«
»Kontrollieren?« konterte Andred. »Wonach? Wenn Ihr nach Schmuggelgut sucht...«
Gondered unterbrach ihn mit einer abfälligen Handbewegung. »Wer spricht von Schmugglern?« sagte er lächelnd. »Wir sind Thbarg, Kapitän, keine Steuereintreiber. Ihr solltet uns besser kennen. Wir suchen Quorrl.«
»Hier?« erwiderte Andred ungläubig. »Verzeiht, Kapitän, aber -«
Erneut wurde er von Gondered unterbrochen. »Ich habe meine Befehle«, sagte der Thbarg hart. »Und die lauten nun einmal, mir jedes Schiff genau anzusehen.« Er schwieg einen Moment und lächelte dann flüchtig, wohl, um seinen Worten nachträglich etwas von ihrer Schärfe zu nehmen. »Natürlich glaube ich nicht, daß ich auf Eurem Schiff Quorrl oder sonstiges Kroppzeug antreffen werde, Kapitän, aber Ihr werdet mir erlauben, Eure Laderäume ganz kurz zu inspizieren?«
Skar sah alarmiert von Gondered zu Andred und wieder zurück. Er spürte, daß es in dem Freisegler kochte. Gondereds Freundlichkeit war bewußt aufgesetzt, und der Spott, der sich dahinter verbarg, kaum mehr zu überhören. Es schien dem Thbarg Freude zu bereiten, sich an der Hilflosigkeit seines Gegenübers zu weiden.
»Mein Schiff steht Euch zur Verfügung«, sagte Andred steif. »Wenn Ihr die Frachtpapiere sehen wollt...«
Gondered winkte ab. »Mit dem Papierkram sollen sich die Hafenbehörden befassen«, sagte er. »Ihr segelt nach Anchor?« Andred nickte. »Wir wollen noch heute einlaufen.«
»Das werdet Ihr«, versicherte Gondered. »Es dauert nicht lange, vorausgesetzt, daß wir nichts finden.«
Andreds Lächeln wurde um eine weitere Spur eisiger, aber er zog es vor zu schweigen. Der Thbarg drehte sich herum, gab seinen Männern an Deck des Kaperschiffes ein Zeichen und trat zur Seite, als weitere Männer über die Planke zur SHANTAR herunter kamen. Sein Blick heftete sich wieder auf Skar.
»Ihr seid kein Freisegler?« fragte er.
Skar schüttelte den Kopf, schwieg aber. Er spürte ganz genau, daß Gondered mehr war als ein einfacher Kaperkapitän, der seine Befehle ausführte. Und der Thbarg gab sich nicht einmal sonderliche Mühe, sich zu verstellen.
»Wie kommt es, daß sich ein Thbarg in die Dienste der Errish stellt?« fragte Skar. »Ich dachte immer, ihr wäret ein stolzes Volk, das sich nicht verkauft.« Seine Worte taten ihm im gleichen Moment schon wieder leid, aber Gondered gehörte zu den Männern, die allein durch ihren Anblick schon Aggressionen in ihm weckten.
Die Mundwinkel des Thbarg zuckten. »Wir verkaufen uns nicht«, sagte er betont. »Aber wenn die Errish nach Hilfe rufen, dann kommen wir. Folgen nicht sogar die Satai dem Ruf der Ehrwürdigen Frauen?«
Skar hatte Mühe, nicht zusammenzufahren. Gondereds Gesicht wirkte entspannt und so herablassend-freundlich wie zuvor, aber es war gewiß kein Zufall, daß er ausgerechnet diese Frage stellte. Und das mißtrauische Glitzern in seinen Augen war unübersehbar.
Skar zuckte mit den Achseln, wandte sich halb um und sah scheinbar interessiert zu, wie Gondereds Männer über das Deck der SHANTAR ausschwärmten und in den Frachtluken und Aufbauten verschwanden. »Möglich«, sagte er. »Ich kümmere mich im allgemeinen nicht um solche Dinge.«
»Ihr habt nicht zufällig einen Satai getroffen, in letzter Zeit?« fuhr Gondered lauernd fort.
Skar wandte sich wieder zu ihm um, hielt seinem Blick eine endlose Sekunde lang stand und schüttelte den Kopf. »Der letzte, von dem ich hörte, schlug sich gerade in der Arena von Ikne für Geld mit irgendwelchen Barbaren herum«, sagte er ruhig.
Gondered nickte. Einen Moment schien er über Skars Worte nachzugrübeln. »Und wer seid Ihr?« fuhr er dann fort. »Wenn die Frage gestattet ist - immerhin trifft man selten einen Passagier an Bord eines Freiseglers.«
Andred sog erschrocken die Luft ein. Gondered mußte es erkennen, ließ sich jedoch keine Reaktion darauf anmerken. »Mein Name ist Bert«, log Skar. »Ich bin ein reisender Händler aus Malab. Kapitän Andred war so freundlich, mir eine Passage auf seinem Schiff anzubieten. Der Landweg nach Elay ist weit und voller Gefahren.«
»Vor allem für einen hilflosen Kaufmann wie Euch, wie?«
Skar lächelte dünn. »Wer sagt, daß Kaufleute unbedingt hilflos sein müssen?« gab er zurück.
»Bert ist ein guter Bekannter von mir«, mischte sich Andred ein. »Ich stand seit langem in seiner Schuld. Er ... hat mir einmal zu einem guten Geschäft verholfen. Mit der Überfahrt kann ich das wettmachen.«
Gondered runzelte die Stirn, sah Andred einen Herzschlag lang zweifelnd an und wandte sich dann wieder an Skar. »Ihr werdet in Anchor keine guten Geschäfte machen«, sagte er. »Die Stadt steht in Waffen, und die Menschen haben anderes zu tun, als Geschäfte abzuschließen.«
»Gegessen wird immer«, gab Skar mit gespieltem Gleichmut zurück. »Und wo ein paar Goldstücke zu verdienen sind, da ist auch der Krieg rasch vergessen.«
»Was soll das heißen, die Stadt steht in Waffen?« fragte Andred hastig.
Gondered bedachte ihn mit einem beinahe mitleidigen Blick. »Ihr seid lange nicht mehr in diesem Teil Enwors gewesen, wie?« fragte er. »Das ganze Drachenland ist zu den Waffen geeilt, Kapitän, aus dem gleichen Grund, aus dem wir hier patrouillieren.«
»Quorrl?« fragte Skar.
Der Thbarg nickte. »Die Ehrwürdige Mutter ist endlich zur Besinnung gekommen und tut, was schon vor Jahrzehnten hätte getan werden sollen. Ein Heereszug der Quorrl hat die Grenzen überschritten und eine Stadt geschleift. Und jetzt jagen wir sie zur Hölle.«
Skar runzelte die Stirn. »Ihr sprecht sehr respektlos von Eurer Dienstherrin, Kapitän«, sagte er leise.
»Elay ist weit«, antwortete Gondered achselzuckend. »Und wie Ihr schon so richtig bemerkt habt, Bert« - er betonte den Namen auf so seltsame Weise, daß Andred erneut zusammenfuhr -, »verkaufen wir Thbarg uns nicht. Wir erfüllen nur unsere Aufgabe. Aber das gründlich, mein Wort darauf.«
Skar verbiß sich die böse Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag. Gondered wußte - oder ahnte zumindest -, daß er alles andere als ein harmloser Kauffahrer war, und wollte ihn provozieren. Skar mußte zugeben, daß Gondered nahe daran war, sein Ziel zu erreichen. Vielleicht hatte die Reise an Bord der SHANTAR zu lange gedauert. Nach der ununterbrochenen Anspannung, unter der Skar seit seinem ersten Aufbruch aus Ikne gestanden hatte, ließen ihn die zwei Wochen Ruhe an Bord des Seglers nicht nur müde, sondern auch unvorsichtig werden.
»Seit wann treiben sich Quorrl auf dem offenen Meer herum?« fragte Andred, bevor Skar vollends einen Streit mit dem Thbarg beginnen konnte.
Gondered zuckte mit den Achseln, als interessiere ihn die Antwort auf diese Frage überhaupt nicht. »Sie sind überall«, sagte er. »Das Heer wurde zerschlagen, aber die Überlebenden haben sich zu kleinen Banden zusammengeschlossen und ziehen plündernd durch das Land. Vor zwei Wochen haben sie einen Küstensegler gekapert und versucht, mit ihm das freie Meer zu erreichen.«
»Und?« fragte Skar.
Gondered lächelte häßlich. »Unsere Katapulte schießen sehr weit«, sagte er. »Und sehr genau, Bert. Die Quorrl haben das nicht geglaubt, aber wir haben es ihnen demonstriert.« Er wurde übergangslos wieder ernst. »Ihr solltet auf der Hut sein, Bert, wenn Ihr Anchor verlaßt und weiter durch das Land zieht.«