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Seine Hand schloß sich durch den Stoff des Mantels hindurch um den Schwertgriff so fest, daß seine Knöchel knackten. Es wäre leicht - eine rasche Bewegung, ein kurzer, heißer Schmerz; vielleicht nicht einmal das. Trotz allem hatte er es bisher nicht zugeben wollen, aber es gab nichts mehr, wofür er noch leben konnte. Mit Herger war der letzte Mensch gestorben, der ihm noch irgend etwas bedeutet hatte.

Aber auch diesen letzten Ausweg würde ihm der Wolf nicht lassen.

Er war da, irgendwo ganz in seiner Nähe, lautlos und lauernd. Er wartete auf eine neue Blöße, einen neuen Schmerz, den er ihm zufügen konnte. Er würde es verhindern, so wie er verhindert hatte, daß Tantor ihn tötete, und wie er Velas Armee vernichtet hatte, ehe er sich und sie umbringen konnte.

Nein - nicht einmal diese letzte Gnade würde er ihm gewähren. Vielleicht war dies der Preis, den er für den Frevel, den er Combat angetan hatte, bezahlen mußte. Vielleicht würde er bis ans Ende seiner Tage ein Gejagter bleiben, ein Mann, dessen Freundschaft Leid und dessen Liebe Tod bedeuteten.

Hinter seinem Rücken wurde ein erschrockener Ausruf laut. Skar sprang auf die Füße und riß das Schwert aus dem Gürtel. Aber es war nur Mork. Der Quorrl stand, starr vor ungläubigem Schrecken, unter dem Tunnelausgang und starrte abwechselnd ihn und die Toten zu seinen Füßen an.

»Was ist... hier passiert?« keuchte er. Seine Stimme zitterte so stark, daß Skar die Worte mehr erriet, als er sie wirklich verstand. »Ich weiß es nicht«, sagte Skar. Er trat rasch einen halben Schritt zur Seite und auf den Quorrl zu, so daß Hergers Leichnam seinen Blicken entzogen war. Er wollte nicht, daß Mork sah, wie grausam der Wolf den Hehler gestraft hatte, gestraft dafür, daß er sein Freund hatte sein wollen. »Die Männer müssen vollkommen überrascht worden sein. Es scheint keinen Kampf gegeben zu haben«, sagte er. Er sprach sehr schnell, um den Quorrl abzulenken. Er wußte nicht, ob Laynanya oder Legis ihm von Combats Wächter erzählt hatten, und er wollte auch nicht, daß er es nun erfuhr. »Die Errish«, flüsterte Mork. »Das war diese Hexe, Skar.« Skar schüttelte den Kopf und trat über die Toten hinweg. »Sie haben sich nicht einmal gewehrt, Mork. Sie hatten überhaupt keine Chance. Sieh doch selbst«, sagte er mit einem Fingerzeig auf einen von Morks Kriegern. Das Schwert des Toten steckte noch in seinem Gürtel.

Aber der Quorrl schien Skars Worte gar nicht zu hören. »Sie war es«, murmelte er dumpf. »Es war diese Errish, Skar. Es ... es war kein Zufall, daß die Männer gerade hier zurückgeblieben sind. Es war eine Falle.« Er stöhnte. Seine mächtige Brust hob und senkte sich in schnellen, hektischen Stößen. »Es war eine Falle«, wiederholte er. »Sie wußte, daß das passieren würde. Sie hat sie umgebracht.«

»Red keinen Unsinn, Mork«, sagte Skar ruhig. »Sieh dich doch um - das hier waren keine Menschen. Wenn sie von Wächtern überrascht worden wären, hätten sie sich gewehrt. Aber sie hatten nicht die geringste Chance.«

»Ihr Drachen«, stammelte Mork. Er war am Ende seiner Beherrschung, und es hätte Skar nicht einmal mehr überrascht, wenn er plötzlich in hysterisches Gelächter ausgebrochen wäre oder etwas ähnlich Sinnloses getan hätte. »Sie hat ihren Drachen auf sie gehetzt.«

»Es müßte schon ein sehr kleiner Drache gewesen sein, um in diesen Gang zu passsen«, versetzte Skar ruhig. »Glaub mir, Legis hat nichts damit zu tun.«

Hinter dem Quorrl schienen zwei winzige rotglühende Funken in der Dunkelheit aufzuglimmen. Wolfsaugen.

Skar schüttelte das Bild mühsam ab und schob die Waffe in den Gürtel. »Warum bist du überhaupt hierhergekommen?« fragte er, um das Thema zu wechseln.

»Du bist nicht zurückgekommen«, murmelte Mork. Er sah Skar nicht an. Sein Blick hing noch immer wie gebannt an den Toten, wanderte von einem zum anderen und glitt über den blutbesudelten Boden. Die Furcht in seinen Augen wuchs.

Skar hatte nicht gemerkt, wieviel Zeit vergangen war. Erst jetzt spürte er, daß er endlose Minuten neben Hergers Leichnam gekniet hatte, ohne das Verstreichen der Zeit, ohne überhaupt irgend etwas zu spüren, ja selbst ohne zu denken.

»Laß uns gehen«, sagte er. »Wer immer das hier getan hat, ist noch hier. Und ich möchte ihm nicht begegnen.«

Mork nickte mühsam. Er hatte den ersten Schrecken überwunden, aber das, was danach kam, war schlimmer. Skar ging rasch auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sei vernünftig, Mork«, sagte er. »Legis hat nichts damit zu tun. Wenn wir sie nicht begleitet hätten, dann wären wir jetzt so tot wie diese Männer.«

Die Worte gingen ihm glatt über die Lippen, so glatt, daß er sich dafür haßte. Wenn er nicht mitgegangen wäre, dann wären diese Männer und Quorrl noch am Leben.

Mork nickte, rührte sich aber immer noch nicht, und Skar mußte ihn wie ein willenloses Kind vor sich herschieben. Der Quorrl begann zusammenhanglose Worte in seiner Muttersprache zu stammeln, während sie durch den Gang zurückgingen, und hätte Skar ihn nicht fast gewaltsam mitgezerrt, wäre er stehengeblieben.

Der Anblick erschütterte Skar. Er paßte nicht zu dem Bild, das er sich von Mork gemacht hatte - nicht zu diesem gewaltigen schuppigen Wesen, das nur aus Kraft und kaum gebändigter Wildheit zu bestehen schien und dem man keine anderen Gefühle als Haß und Mordlust zutraute. Für einen Moment bedauerte er fast, daß er Mork nicht unter anderen Umständen kennengelernt hatte. Sie hätten viel voneinander lernen können.

Aber dieser Gedanke war falsch - wären er und Mork sich zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen begegnet, dann hätten sie nichts anderes als Todfeinde sein können.

Erst als sie die Drachenhöhle beinahe erreicht hatten, erwachte Mork aus seiner Erstarrung. Er blieb stehen, schlug Skars Hand mit einem schmerzhaften Hieb beiseite und funkelte ihn wütend an.

»Es ist gut«, sagte er böse. »Du brauchst mich nicht zu führen wie ein Kind.«

Skar nickte, und Mork fuhr mit einer heftigen Bewegung herum und stürmte weiter. Er floh - nicht vor der Gefahr, die hinter ihnen lauerte, sondern vielmehr vor der Blöße, die er sich gegeben hatte. Für einen Moment hatte er Skar hinter sein starres Schuppengesicht blicken lassen und ihm gezeigt, daß der Unterschied zwischen Menschen und Quorrl vielleicht nicht einmal annähernd so groß war, wie es bisher den Anschein gehabt hatte. Aber Skar wußte nicht, ob es wirklich gut war. Es konnte sein, daß Mork ihn später dafür haßte. Wenn es ein »Später« gab ... Legis kniete noch immer hinter dem Felsen, hinter dem sie Deckung gesucht hatte, als Skar gegangen war. Auf ihrem Gesicht erschien ein überraschter Ausdruck, als sie sah, daß Skar und der Quorrl allein zurückkamen.

»Wo sind die anderen?« fragte sie, als Skar geduckt neben ihr anlangte und in den Schatten des Felsens glitt.

»Tot«, antwortete Skar, ohne sie anzusehen.

»Tot?« stieß Legis hervor. »Was heißt das? Wie ...«

»Das heißt, daß sie ermordet worden sind«, mischte sich Mork ein. »Jemand hat sie umgebracht, Errish.«

Skar sah ihn alarmiert an. Der Quorrl wirkte äußerlich gefaßt, aber seine Hände zuckten fast unmerklich, und in seinen Augen stand ein gefährliches Flackern.

»Was willst du damit sagen?« fragte Legis. Ihr Blick glitt fragend von Mork zu Skar und wieder zurück.

»Er will nichts sagen«, warf Skar hastig ein. »Sie sind tot, und wir wissen nicht, wer sie getötet hat.«