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»Du Narr«, sagte Vela. Ihre Stimme klang hart. »Du enttäuschst mich, Skar. Nach allem, was du geleistet hast, um hierherzukommen, hätte ich mehr Verstand von dir erwartet. Hast du wirklich geglaubt, daß ich mich nicht zu schützen weiß?« Sie steckte ihre Waffe ein, straffte sich und klatschte in die Hände. Hinter dem Thron traten zwei gewaltige schwarze Gestalten hervor, knöcherne Männer mit reißenden Stacheln an Schulter- und Kniegelenken, mit toten Gesichtern und mit Händen, die nichts anderes waren als mörderische Klauen. Tuan-Krieger.

»Packt ihn«, sagte Vela hart. »Aber behandelt ihn gut! Ich werde später mit ihm reden.«

24.

Sie brachten ihn in ein Verlies, ein fensterloses, feuchtkaltes Loch von unbestimmbarer Größe, ketteten ihn an und ließen ihn allein. Sieben- oder achtmal bekam er zu essen, und viermal schlief er, aufrecht stehend und mit ausgebreiteten Armen an die Wand gekettet. Sein Zeitgefühl erlosch. Er wußte nicht, wie lange er hier unten war - Tage, Stunden oder Wochen. Anfangs schrie er, warf sich mit aller Macht gegen die dünnen, unzerreißbaren Ketten, verfluchte Vela und flehte sie abwechselnd an, aber irgendwann erlahmten seine Kräfte, und irgendwann, noch später, gab er auf. Sein Widerstandsgeist erlosch; nicht für den Moment, so wie schon ein paarmal zuvor, sondern endgültig.

Er hatte verloren.

Er hatte gekämpft, vielleicht wie nie ein Mann vor ihm, und er hatte verloren. Einmal erwachte er und spürte warme, salzige Tränen auf seinen Wangen, ohne daß er sich ihrer schämte, und ein anderes Mal hörte er Schreie und zusammenhangloses Gestammel und merkte erst nach Minuten, daß er selbst es war, der schrie; und wieder ein anderes Mal glaubte er tapsende, schwere Schritte und ein dunkles, drohendes Knurren zu hören, und sein verwirrter Geist zauberte rotglühende Wolfsaugen in die Dunkelheit des Kerkers. Er schrie, flehte den Wolf an, ihn zu töten, aber die Schwärze vor ihm blieb stumm, weil es keinen Wolf gab, weil Combats Henker, wenn er überhaupt noch hier war, irgendwo lauerte, wartete und sich an seiner Qual weidete. Skar konnte keine Gnade von ihm erwarten, keinen raschen, schmerzlosen Tod. Er war dort, wo der Wolf ihn hatte haben wollen. Am Ende. Vernichtet. So gründlich zerstört, wie man einen Menschen nur zerstören konnte, ohne ihn umzubringen. Kraftlos. Entmutigt. Jedes bißchen Stolz aus ihm herausgebrannt. Ein Wrack; nicht körperlich, aber in seiner Seele.

Irgendwann, nach einem Jahrhundert, in dem er am Rande des Wahnsinns entlangbalanciert war, holten sie ihn und brachten ihn zu Vela.

Skar hatte kaum mehr die Kraft, auf seinen eigenen Beinen zu stehen, als ihn die beiden Tuan-Krieger in den Thronsaal der Errish schleiften. Ihr Griff schmerzte, aber Skar war beinahe dankbar dafür, denn dieser Schmerz zeigte ihm auch, daß er noch nicht ganz tot war, daß er immer noch zu - wenn auch primitiven - Empfindungen fähig war.

Die Errish war allein wie beim ersten Mal. Die beiden Hornkrieger stießen Skar vor der schwarzen Steintafel zu Boden und entfernten sich auf einen befehlenden Wink Velas. Ihre Schritte verklangen auf den polierten Fliesen.

Skar blieb minutenlang reglos und mit gesenktem Kopf knieen. Allmählich kehrte das Leben in seine abgestorbenen Glieder zurück; ein langsamer, schmerzhafter Prozeß, der sein Gegenstück hinter seiner Stirn fand, wo sich seine Gedanken langsam zu klären begannen.

Nach einer Weile räusperte sich Vela. Skar hob mühsam den Kopf, sah zu ihr auf und blinzelte. Die Vorhänge vor den großen, spitz zulaufenden Fenstern waren zurückgezogen worden, um das Sonnenlicht hereinzulassen, aber es war trotzdem nicht richtig hell. Der schwarze Stein Elays saugte das Licht auf wie ein Schwamm das Wasser.

»Setz dich, Skar«, sagte Vela. »Du brauchst nicht vor mir zu knieen, solange wir allein sind.«

Der grausame Hohn in ihren Worten prallte von ihm ab. Sie konnte ihn nicht mehr verletzen. Es gab keinen Schmerz mehr, der ihm noch nicht zugefügt worden wäre. Mühsam erhob er sich, wankte zu einem der Stühle und setzte sich. Der Stein fühlte sich kalt und hart wie Stahl an. Plötzlich fror er.

»Was ... willst du von mir?« fragte er schleppend. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor. Er erschrak vor ihrem Klang. »Ich von Dir ?« wiederholte Vela mit gespielter Überraschung. »Ich dachte bisher, es wäre umgekehrt - bist du nicht hergekommen, weil du etwas von mir wolltest?« Sie lehnte sich ein wenig zurück, und Skar erkannte die glitzernde Errish-Waffe auf ihrem Schoß. Vor seinen Augen stieg das Bild eines brennenden, verkohlten Körpers auf. Vela bemerkte seinen Blick und lächelte. »Du siehst, ich zolle dir noch immer den Respekt, der einem Satai zukommt«, sagte sie.

Skar schüttelte müde den Kopf. »Keine Spielchen mehr, Vela. Du hast gewonnen.«

Velas linke Augenbraue rutschte ein wenig nach oben. »Habe ich das?« fragte sie. Sie lachte; es war das gleiche glockenhelle Jungmädchen-Lachen, das er schon mehrmals von ihr gehört hatte und das so gar nicht zu ihr zu passen schien. »Ja«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Vielleicht hast du recht, und ich habe gewonnen. Leicht war es nicht.« Sie seufzte, fuhr sich mit einer unbewußten Geste durch das Haar und beugte sich vor. »Du hast dich geschlagen, wie es eines Satai würdig ist«, sagte sie. »Es gab eine Zeit, da habe ich ernsthaft daran gezweifelt, dich besiegen zu können. Weißt du das?«

»Was willst du von mir?« fragte Skar. Die Worte fielen ihm schwer. Er wollte nicht mehr kämpfen. Warum tötete sie ihn nicht endlich?

»Was ich von dir will?« Vela sah ihn nachdenklich an. Sie war noch immer eine sehr schöne Frau, aber etwas in ihrem Gesicht hatte sich verändert. Als Laynanya hatte sie einmal zu ihm gesagt, daß Vela nicht mehr diejenige war, die er kennengelernt hatte; daß der Stein der Macht ihre Seele verändert hatte, und diese Worte entsprachen der Wahrheit. Er konnte die Veränderung sehen, obwohl jede Linie ihres Gesichtes gleichgeblieben war. Ein vager Schmerz hatte sich in ihre Züge gegraben, eine schwer zu beschreibende, fast unheimliche Verschiebung ins Negative, Böse. »Vielleicht nur mit dir reden. Dir meinen Respekt zollen, wenn du so willst.«

»Respekt?« Skar hätte fast gelacht. »Es ist billig, sich einem Besiegten gegenüber großzügig zu zeigen, Vela«, sagte er. »Und ich will deine Großherzigkeit nicht. Wir haben gekämpft, und du hast mich geschlagen.«

»Nicht wir haben gekämpft«, widersprach Vela. Sie griff unter ihren Umhang und zog eine dünne Kette aus silbernem Sternenstahl zwischen ihren Brüsten hervor. Am Ende der Kette hing der Stein von Combat. »Du hast gegen den gekämpft, Skar«, sagte sie betont. »Du und dieses Ding, ihr habt euch ein Duell geliefert, und ich war nicht viel mehr als eine Zuschauerin.« Sie löste den Stein von der Kette, legte ihn vor sich auf den Tisch und blickte einen Herzschlag lang nachdenklich auf die schräg geschliffenen Facetten. Das Feuer des Steines brach sich in ihren Pupillen und füllte sie mit lodernder Glut. »Es war ein Kampf, den kein normaler Sterblicher hätte gewinnen können, Skar. Ich wollte dich nicht verspotten - meine Worte waren ehrlich gemeint.« Sie sah auf. »Ich habe es nicht mehr nötig, dich zu belügen. Es tut mir jetzt noch leid, daß du mein Angebot abgelehnt hast. Ich hätte einen Mann wie dich an meiner Seite gebrauchen können.«

Sie schwieg einen Moment und schien auf eine Antwort zu warten, aber Skar starrte sie nur an. Schließlich hob sie seufzend die Schultern, befestigte den Stein wieder an seiner Kette und verbarg ihn erneut unter dem Mantel. »Es ist nicht leicht für eine Frau, allein zu sein«, fuhr sie fort. »Und ich bin allein.« Wieder sah sie ihn an, und in ihren Augen glomm ein seltsamer Ausdruck auf, etwas, das Skar schaudern ließ, obwohl er nicht sagen konnte, was es war. »Ich habe dir einmal gesagt, ich könnte dich zwingen, mich zu lieben, Skar«, sagte sie, »und es war mein Ernst. Aber ich werde es nicht tun. Selbst jetzt nicht.«