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»Du ... wartest auf eine Erklärung«, sagte er stockend.

Andred lächelte. »Nicht unbedingt. Nur, wenn Euch danach ist, Satai«, sagte er spöttisch.

Skar zuckte zusammen. »Du hast dein Schiff und deine Ladung in Gefahr gebracht«, begann er, »und -«

»Ich habe mein und das Leben meiner Besatzung aufs Spiel gesetzt, wenn du es genau wissen willst«, unterbrach ihn Andred kühl. »Dieser Thbarg hätte uns mit Freuden die Wirkung seiner Katapulte demonstriert, wenn ich ihm Gelegenheit dazu gegeben hätte. Aber ich habe es nicht wegen dir getan.«

»Sondern?« fragte Skar, obwohl er die Antwort bereits kannte. Andred verzog angewidert die Lippen. »Nimm an, daß ich Männer wie Gondered nicht mag«, sagte er. »Und nimm weiter an, daß ich es nicht schätze, auf offener See aufgebracht und wie ein gemeiner Schmuggler behandelt zu werden. Aber das ist keine Antwort auf meine Frage, Skar. Warum hast du dich als malabesischer Händler ausgegeben?«

»Hätte ich es nicht getan«, antwortete Skar nach einer genau bemessenen Pause, »dann wären wir jetzt vielleicht alle schon tot.«

Andred zog die linke Augenbraue hoch, schwieg aber.

»Ich kann mich täuschen«, fuhr Skar nach einer Weile fort, »aber ich glaube nicht, daß Gondered wirklich auf der Suche nach Quorrl oder Schmugglern ist. Er sucht mich.«

»Dich?«

Skar nickte. »Ich fürchte«, bestätigte er. »Und ich fürchte, er hat mir die Geschichte von dem malabesischen Händler nicht geglaubt. Es wird am besten sein, wenn ich von Bord gehe, ehe die SHANTAR den Hafen von Anchor anläuft.«

Andred runzelte zweifelnd die Stirn und beugte sich ein wenig vor. »Wie kommst du darauf, daß sie dich suchen?« fragte er. »Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Skar ausweichend. Er rutschte unruhig auf seinem Schemel hin und her und sah an Andred vorbei zur Luke. Das farbige Bleiglas zerstäubte das Sonnenlicht zu glitzernden Streifen aus Blau und Rot und Orange und Gelb, und für einen Moment glaubte Skar einen mächtigen, struppigen Schatten zwischen den farbigen Lichtbahnen zu gewahren.

Aber der Schatten war natürlich nicht wirklich da. Es war seine Vergangenheit, die ihn wieder eingeholt hatte. Die zwei Wochen auf See waren eine Atempause gewesen, mehr nicht. Es war nicht vorbei. Vielleicht hatte es noch nicht einmal wirklich begonnen. »Erzähl sie«, sagte Andred. »Wir haben Zeit genug, und ich bin ein geduldiger Zuhörer.«

»Wie kommst du darauf, daß ich sie erzählen will?« fragte Skar in einem Tonfall, der ihm fast sofort wieder leid tat. »Es wäre vielleicht nicht gut für dich, sie zu wissen«, fügte er hastig hinzu. »Ich habe Feinde, Andred. Mächtige Feinde.«

Der Freisegler zuckte gleichmütig die Achseln und ließ sich zurücksinken. »Wenn du recht hast«, sagte er, »dann werde ich so oder so Schwierigkeiten bekommen. Aber nimm keine Rücksicht auf mich - ich habe dir schon gesagt, welche Gefühle ich Gondered entgegenbringe. Ich hätte ihn in Ketten legen und kielholen lassen, wäre sein verdammter Kapersegler nicht gewesen. Ich werde mich bei der Hafenbehörde von Anchor über ihn beschweren.«

Skar lachte hart. »Wenn du mich fragst, dann ist er die Hafenbehörde.«

Andred sah ihn einen Moment lang fast erschrocken an und lachte dann ebenfalls. »Seinem Benehmen nach zu urteilen, könntest du recht haben«, bestätigte er. »Aber nun einmal im Ernst, Skar« - er wurde übergangslos wieder ernst, beugte sich ein Stück vor und stützte die Ellbogen auf der Tischkante auf -, »was hat das zu bedeuten? Und was meinst du damit, daß er dich sucht?«

»Das, was ich sage«, murmelte Skar. »Hast du je davon gehört, daß die Errish thbargsche Kapersegler in ihre Dienste nehmen?« Andred schüttelte den Kopf. »Nein. Und ...«

»Oder daß sie zu einem Kriegszug gegen die Quorrl aufrufen? Es ist nicht das erste Mal, daß Quorrl oder andere Banditen die Grenzen des Drachenlandes verletzen.«

Andred nickte widerwillig. »Sicher«, sagte er, »aber ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, sondern sah Skar nur unsicher und mit wachsendem Schrecken an. Es war deutlich zu sehen, daß seine Überlegungen in die gleichen Richtungen wie die Skars gingen - aber es war auch ebenso deutlich zu sehen, daß er sich mit aller Macht gegen die Erkenntnis, die daraus folgerte, zu wehren versuchte. Skar verstand den Freisegler nur zu gut. Noch vor wenigen Monaten hatte er ähnlich reagiert. Die Errish waren weit mehr als ein Clan Unantastbarer, eine Vereinigung wohltätiger weiser Frauen. Wenn es in einer Welt wie Enwor überhaupt noch ein Wort gab, das für Ehre und ein aufrechtes Leben stand, dann war es der Name der Ehrwürdigen Frauen.

»Ich kann mich täuschen«, fuhr er nach einer Weile fort. »Aber der Zufall wäre zu groß. Und es paßt alles zusammen - obwohl ich gehofft hatte, noch rechtzeitig anzukommen.«

Andred runzelte die Stirn, faltete die Hände auf der Tischplatte und stand unvermittelt auf. Kopfschüttelnd ging er zur Backbordseite der Kabine, öffnete einen verborgenen Wandschrank und entnahm ihm einen Krug und zwei schlanke, handgeschliffene Trinkbecher aus hauchdünnem Kristall. Er stellte einen vor Skar auf den Tisch, goß ihn bis dicht unter den Rand voll und setzte sich wieder, ehe er sein eigenes Glas einschenkte. Skar trank einen winzigen Schluck, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und sah den Freisegler unsicher an. Eine innere Stimme schien ihn davor zu warnen, Andred ins Vertrauen zu ziehen. Aber er war so lange allein gewesen, so lange einsam, daß er im Augenblick auch mit einem Stuhl oder dem Wind geredet hätte. Und vielleicht tat es gut, einmal wieder mit einem Menschen zu reden, mit jemandem, der - wenn schon nicht sein Freund - so doch wenigstens ein geduldiger Zuhörer war.

Er trank wieder und leerte das Glas diesmal bis zur Hälfte. Andred lächelte, beugte sich über den Tisch und füllte es wieder auf. »Und jetzt erzähle«, sagte er. »Und keine Sorge - wenn deine Befürchtungen zutreffen, dann stecke ich ohnehin viel zu tief in der Sache, um noch mit heiler Haut herauszukommen.«

»Das ist es ja, was ich befürchte«, murmelte Skar. »Ich stehe in deiner Schuld, und ich möchte nicht, daß ...«

»Unsinn«, unterbrach ihn Andred. »Hör mit den dummen Sprüchen auf, daß du nicht willst, daß ich zu Schaden komme. Das passiert höchstens, wenn du mir weiterhin die Wahrheit verschweigst und ich Gondered blindlings ins Messer laufe. Und ich glaube«, fügte er nach einem weiteren Schluck Wein hinzu, »es tut dir gut, dich einmal auszusprechen.«

Skar überlegte. Andred sagte nichts mehr, aber sein Blick sprach Bände. Vielleicht würde er nicht weiter in Skar dringen, aber er hatte recht, mit jedem Wort. Wissen konnte gefährlich sein, aber in ihrer Lage war Unwissenheit wohl noch gefährlicher. Skar begann stockend zu berichten. Er fing an, mit ihrer Rückkehr von der fehlgeschlagenen Expedition in die Nonakesh und mit den Wochen in Ikne, und ohne daß er es zuerst selbst merkte, wurde seine Rede immer flüssiger, schneller, bis die Worte schließlich nur so aus ihm heraussprudelten. Andred hatte recht gehabt - es tat gut, sich auszusprechen, und auch wenn Andred nicht viel mehr für ihn tun konnte als zuzuhören, spürte er, wie der Druck allmählich von seiner Seele wich. Es war das erste Mal überhaupt, daß er einen Menschen so ins Vertrauen zog, aber er spürte einfach, daß er es mit Andred tun konnte. Er redete länger als eine Stunde und erzählte Andred - mit wenigen Einschränkungen - die ganze Geschichte, ohne daß ihn der Freisegler auch nur einmal unterbrach.

Es wurde sehr still in der kleinen Kabine, als Skar geendet hatte; selbst das Klatschen der Ruder, die die SHANTAR mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nach Norden trieben, schien leiser geworden zu sein, und das farbige Licht der Bleiglasluken trug dazu bei, die unwirkliche Atmosphäre noch zu verstärken. »Das ist eine ... fast unglaubliche Geschichte«, sagte Andred nach einer Weile.