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»Was?«

»Diskus«, sagte die Frau lapidar.

»Also Moroni«, folgerte Charity. »Verdammt.«

»Wenn sie jetzt beschleunigen, erwischen sie uns kurz vom Eintritt in die Umlaufbahn«, sagte Bender. »Es könnte schwierig werden, die richtige Bahnkorrektur vorzunehmen.«

»Was heißt das?« fragte Charity grimmig.

»Ich schlage vor, wir verzichten auf den Überflug des Zielgebietes und gehen direkt rein«, meinte Dubois. Bender nickte eifrig.

»Klingt vernünftig«, sagte Charity, »aber allmählich werden mir die Ungewißheiten in diesem Unternehmen zu groß. Wir bleiben beim bisherigen Ablauf. Versuchen Sie es einfach. Von mir aus setzen Sie den gesamten Treibstoff ein, aber versuchen Sie es.«

»Verstanden«, sagte Dubois, die den Blick nicht von ihrer Konsole löste. »Sie haben ihre Triebwerke hochgefahren und verändern den Kurs.«

»Natürlich«, sagte Charity. Hinter ihr rasteten Gurte ein, als sich Skudder und Henderson in ihre Sitze zwängten. »Schalten Sie die Waffensysteme ein, und halten Sie das Radar in Bereitschaft.« Auf den Bildschirmen bewegte sich eine kleine rote Markierung, die die Position des Moroni-Schiffes wiedergab, mitten aus dem Mare Tranquillitatis auf sie zu, während sich der Mond unter ihnen und ihrem Gegner wegdrehte. Tatsächlich fielen beide dem Mondhorizont entgegen, die HOME RUN auf einer elliptischen Bahn, von der aus sie in eine kreisförmige Umlaufbahn überwechseln sollte, und die Moroni aus einer kreisförmigen Umlaufbahn heraus in eine Parabel, die sie nahe an der HOME RUN vorbei in Richtung auf die Erde führen würde.

»Entfernung dreitausend Kilometer«, meldete Bender. »Verringert sich weiter.«

»Sie beschleunigen weiter«, stellte Charity fest. Das bedeutete, daß das Zusammentreffen sich verkürzen würde, denn die Flugbahnen stellten sich immer steiler zueinander, und die Geschwindigkeit, mit der sie aneinander vorbeirasen würden, vergrößerte sich von Sekunde zu Sekunde. »Sagen Sie mir Bescheid, wenn sie aufhören oder bremsen.«

»Wir können zwei unserer Raketen einsetzen«, schlug Dubois vor. »Die anderen beiden sind zu weit ab vom Weg, aber eine von ihnen liegt genau auf der Flugbahn.«

»Wie weit vor ihnen?«

»Noch 800 Kilometer.«

»Und die andere?« fragte Charity, während sie versuchte, sich das Bild räumlich vorzustellen, ein Fächer von vier kleinen Objekten, die vor einem fünften flogen, während ein sechstes von schräg seitlich in diese Formation hineinbeschleunigte.

»Zu weit draußen, etwa tausend Kilometer.«

»Lassen Sie die zweite hochgehen«, befahl Charity aus einer Eingebung heraus.

»Aber das ist sinnlos ...« begann Henderson hinter ihr. Dubois hatte den Knopf schon gedrückt. Eine der Kuppel glänzte plötzlich in einem grellen, gebrochenen Licht, das sofort wieder verschwand. Im Infrarotbild blühte etwas wie eine riesige Seifenblase vor ihnen, etwa anderthalbtausend Kilometer von ihnen entfernt, knapp tausend von dem Moroni-Schiff, dessen Bahn weit an der Blase vorbeilief.

»Die anderen beiden, die zu weit weg sind«, sagte Charity in die Stille hinein. »Lassen Sie sie wenden, und starten Sie die Triebwerke.«

»Das wird ein blinder Schuß«, sagte Dubois. »Und wenn hinter dem Horizont noch ein Empfangskomitee wartet, dann sind wir nackt.«

»Das sind wir jetzt schon«, erwiderte Charity mißmutig. »Wir haben nur diese eine Karte. Sehen Sie zu, daß Sie etwas treffen.«

»Verstanden.« Die Blase auf dem Bildschirm wuchs und wurde zugleich dunkler. Die Spuren der Explosion waren nicht mehr zu erkennen. Ohne Luft oder andere Materie, die zur Weißglut erhitzt und in eine Druckwelle gepreßt werden konnte, war eine Megatonnen-Explosion ziemlich unspektakulär. Die einzige Wirkung, die Charity an den Instrumenten erkennen konnte, war ein leichter Anstieg des Strahlungspegels, der bereits wieder abflaute.

»Bender, zeichnen Sie auf dem großen Bildschirm noch die Position der Raketen ein.«

»Sie haben aufgehört zu beschleunigen«, sagte Dubois. »Ich habe die Raketen wenden können, vielleicht haben wir jetzt eine Trefferchance.«

»Dann starten sie.« Zwei der neuen, diesmal blauen Lichtpunkte auf dem Bildschirm setzten sich in Bewegung und wurden langsamer auf ihrer bisherigen Bahn, die sie auf den Mond zufallen ließ. Die Fallkurve wurde steiler, neigte sich von der anderen Seite in die Blase hinein, die sich ebenfalls im freien Fall auf den Mond zubewegte. Der Rand der Blase berührte die vierte Rakete und verschluckte sie.

»Haben Sie noch die Kontrolle über den anderen Flugkörper?« fragte Charity.

»Ja.« Dubois blickte kurz hoch. »Da ist ein wenig Partikel-Strahlung in die Elektronik geknallt, aber die Hauptkreise sind intakt.«

»Entfernung zum Moroni-Schiff?«

»Fünfhundertzwanzig, fällt noch.« Bender rechnete hastig. »Wenn sie nicht bremsen oder wieder beschleunigen, ist bei dreihundertachtzig Schluß. In elf Sekunden.«

»Vielleicht halten sie die Rakete für ein Trümmerstück«, sagte Charity. »Schalten Sie drei Sekunden vorher unser Radar ein, und gleich danach starten Sie die Rakete. Wenn es uns gelingt, sie zu verwirren ...«

»Verstanden«, sagte Dubois, die nun etwas gehetzt klang. Die beiden blauen Punkte auf dem Bildschirm hatten den dritten fast überholt, als plötzlich eine Reihe Lampen aufleuchtete und das Bild sich geringfügig verschob, während der Computer mit dem scharfen Blick des Radars die bisher ungenauen Bilder verfeinerte und ersetzte. Gleich darauf blühte im Inneren der großen, dunklen Seifenblase eine kleinere, hellere, die sich rasch auf den roten Punkt zubewegte und ihn verschluckte. Niemand bemerkte es, denn die Aufmerksamkeit aller war auf die Kette von zehn gelben Punkten gerichtet, die sich spiralförmig um die Bahn des Moroni-Schiffes ausbreiteten, weit außerhalb der Seifenblasen, die die Atomexplosionen an den Himmel gemalt hatten, und nur noch ein paar hundert Kilometer von der HOME RUN entfernt.

»Raketen«, sagte Bender. »Diese hinterlistigen ...«

»Genau wie wir«, sagte Charity. Ihr Herzschlag übertraf alle Rekorde. »Radar aus, Dubois. Bender, Laser und Raketen. Nehmen Sie alles, aber halten Sie uns diesen Hornissenschwarm vom Hals.«

»Okay.« Weiter kam er nicht. Dubois stieß einen unterdrückten Freudenschrei aus. Auf dem Bildschirm zogen sich zwei kurze, blaue Linien in den ineinander verwobenen Seifenblasen bis direkt an das Moroni-Schiff heran, bevor sie ihrerseits in einem neuen Paar Blasen zerplatzten.

»Sie haben ihr Radar eingeschaltet«, sagte die Frau. »In der letzten Sekunde. Die automatische Zielsuche hat übernommen.« Sie sah Charity an, und ihre Augen leuchteten. Es war das erste Mal, daß Charity an einem ihrer Begleiter diese Art von Lebendigkeit entdeckte. »Ein Volltreffer, die andere unmittelbar neben ihnen.«

Der rote Punkt auf dem Bildschirm verschwand. Die neuen Seifenblasen wirkten ein wenig heller und massiver als die anderen. Die mehrere tausend Tonnen Materie eines Sternenschiffes hatten ihnen als zusätzliche Nahrung gedient, gaben dem Feuerball ein wenig mehr Substanz.

»Ich glaube, die sind wir los«, sagte Skudder in die Stille hinein.

»Ihre Raketen nicht«, erwiderte Charity. Wie zur Bestätigung schlug plötzlich gleißendes Licht in die Sichtkuppel. Der geringe Anteil, der reflektiert wurde, genügte, um sie vorübergehend blind werden zu lassen.

Zahlreiche grelle Sterne tanzten schmerzhaft auf ihrer Netzhaut.

»Hinter uns«, meldete Dubois, »nicht mal achtzig Kilometer.« Die akustische Strahlungswarnung summte leise vor sich hin. »Wir haben uns gerade rechtzeitig geduckt, was das Radar betrifft.«

Bender betätigte hastig die Kontrollen, und auf der Hülle vibrierten schwere Maschinen, als die Laserkanonen eines der Ziele unter Feuer nahmen. Dann dröhnte die Hülle der HOME RUN, als sich zwei Raketen aus ihren Rohren lösten. Dubois und Bender arbeiteten schweigend und konzentriert, während die anderen hilflos dem tödlichen Ballett zusahen, das sich hoch über der Mondoberfläche entfaltete. Inzwischen konnte Charity wieder etwas erkennen. Sie hielt ihren Blick sorgfältig von den Sichtkuppeln fern. Paradoxerweise spürte man so gut wie nichts von den titanischen Explosionen, die nach astronomischen Maßstäben in unmittelbarer Nähe stattfanden. Im Vakuum spielten Fehlschüsse keine Rolle, auch wenn sie knapp ausfielen, und Treffer spürte man sowieso nicht mehr. Zweimal zeichnete grelles Licht harte Schlagschatten in das Innere der HOME RUN, begleitet von einem heftigen Stakkato der Strahlungsanzeigen. Auf den Bildschirmen verschwanden zwei gelbe Punkte, die die Flugbahn der HOME RUN bereits passiert hatten, und zeichneten zwei zusammenwachsende Seifenblasen. Dort, wo sich die dünnen Hautschichten der schwachen Schockwellen begegneten, entstand eine geringfügig hellere, fast stillstehende Zone. In diesem schmalen Streifen staute sich einen kurzen Moment die Hitze, bevor sie wieder auseinanderlief. Der Computer setzte die Infrarot-Daten in ein gespenstisch schönes Bild um. Zwei weitere Punkte wurden ausgelöscht, vermutlich hatte Bender mit den Laserkanonen getroffen. Charitys Hände verkrampften sich unwillkürlich am Sitz, als die fünf übriggebliebenen Geschosse, die den anderen hinterhergelaufen waren, nacheinander ihren Kurs änderten und zu Linien heranwuchsen, die zunehmende Geschwindigkeit anzeigten.