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Nach weiteren fünfhundert Metern entdeckte Charity eine breite Rampe, die in eine gewaltige Halle führte, vermutlich ein Hangar für eine der großen Baumaschinen, an die sie sich noch dunkel erinnern konnte. Das Metall glänzte stumpf, aber sowohl die Rampe als auch die Halle lagen im Schatten der großen Tanks. Ihr Anzug-Thermometer zeigte fünfunddreißig Grad an, und sie spürte ihre Wäsche wie eine zweite, schweißnasse Haut. Flüchtig registrierte sie, wie absurd langsam die Schweißtropfen sich von ihren Brauen lösten und irgendwo in ihren Kragen fielen. Die Dunkelheit wirkte unglaublich einladend. Sie bedeutete den anderen mit ein paar Handzeichen, ihr in sicherem Abstand zu folgen. Skudder, Harris und Dubois kamen mit dem Transportschlitten hinterher, während Henderson, Steiner und Estevez zu ihr aufschlossen. Charity sah die Verbindungsgänge von der Seitenwand des Hangars hinüber zu dem riesigen Gebäudekomplex, der sich wie eine Muschelschale über die Schienen des Massetreibers erhoben. Die Beschleunigungsstrecke war in fünfzig Metern Höhe über dem Boden auf viele Meter durchmessenden, massiven Trägerstelzen gelagert, weil die gewaltigen Magnetfelder jede Elektronik störten und alles Metall zu einer Gefahr werden ließen. Im Betrieb hatte man den gesamten Abschnitt um die Hochstrecke gesperrt. Die eigentliche Katapultschiene des Massetreibers war so breit wie eine achtspurige Autobahn. Sie konnten sie vom Boden aus nur von der Seite sehen, aber Charity erinnerte sich an die gewaltige Wanne, die sich pfeilgerade bis zum Horizont zog, wie ein Kanal, aus dem jemand alles Wasser abgelassen hatte. Die Verladerampen waren so ausgedehnt wie eine Werft für Öltanker und so komplex wie ein Flughafenterminal. Der Hangar stellte nur einen kleinen Schuppen in der gesamten Anlage dar, mit einem Kabinenschacht oder einem Laufband beiläufig mit dem Zentrum verbunden, aber das machte ihn zum idealen Hintereingang.

Sie löste ihren Waffengurt von der Schulter und entsicherte das Gewehr. Sie trug dieselbe Waffe wie die anderen, eine Space-Force-Waffe, die sie nur ein- oder zweimal in der Hand gehabt hatte, eine rückstoßfreie Projektilwaffe, keinen Laser. Auf dem Mond war alles gegen hohe Temperaturen und intensives Licht geschützt worden. Und es fiel wesentlich leichter, eine großkalibrige Waffe samt Munition mit sich herumzuschleppen. Das unförmige Ding verschoß kleine, durchschlagende Wuchtgeschosse in unglaublich hoher, vollautomatischer Folge und aus einem zweiten Lauf Explosivgeschosse und Raketengeschosse. Der Granatwerfer saß hinter dem dritten, unteren Rohr, ein Treibsatzsystem mit Einzelschuß-Kontrolle. Die Begriffe fielen ihr nacheinander wieder ein, als sie die Bedienungstasten am Kolben berührte und die Bereitschaftslampen prüfte. Leuchtende Zahlen sprachen von gefüllten Magazinen und entsicherten Rotationsverschlüssen.

Sie hob die Waffe an die Schulter. Das Zielgerät befand sich in ihrem Helm, nicht an der Waffe, wo es nutzlos gewesen wäre.

Ein dünnes Kabel verband die Waffe mit ihrem Anzug, und ein durchsichtiges Display klappte wie eine Spielkarte aus Glas vor ihrem rechten Auge herunter, als sie den entsprechenden Schalter umlegte. Diesen Teil hatte sie früher immer besonders lächerlich gefunden, aber jetzt war sie dankbar für die Sicht, die ihr das Zielgerät bot. Ein tanzendes Fadenkreuz markierte die Stelle, die sie mit der Waffe anvisiert hatte.

»Ein System für Revolverhelden«, murmelte sie in der Stille ihres Helms. Inzwischen schwitzte sie so sehr, daß Helmvisier und Display schon leicht beschlagen waren. Nun, wenn die Präzisionstechnologie versagen sollte, entwickelte die Waffe immer noch eine verheerende Feuerkraft.

Sie ließ Lauf und Blick durch die Dunkelheit wandern, während sie den Fuß der Rampe erreichten und sich vorsichtig hinaufbewegten. Estevez und Henderson blieben ein wenig zurück. Der Gedanke, daß Henderson eine entsicherte Waffe in der Hand hielt, beruhigte Charity nicht sonderlich. Aus den Augenwinkeln sah Charity, daß Dubois ebenfalls ihre Waffe in der Hand hielt und den Himmel über und hinter ihnen absuchte, für den Fall, daß sie so kurz vor dem Ziel noch entdeckt werden sollten. Im gespenstisch grünen Schimmer des Restlichtverstärkers gewannen die Wartungskräne und die gewaltigen Greifarme der Reparaturanlagen langsam Konturen. Die Halle war leer; welche riesenhafte Maschine sich darin auch immer befunden haben mochte, sie war fort.

Sie erreichten die Schattenlinie. Charity verzichtete auf ihre Helmscheinwerfer, doch die schwachen Kontrollampen innerhalb des Helm ließen die Gesichter in der Dunkelheit schimmern. Die beiden Männer hinter ihnen wuchteten mühsam den widerspenstigen Transportschlitten die Rampe hinauf. Sie wartete, bis Steiner aufgeschlossen hatte, dann betraten sie nebeneinander die Halle.

Innen schaltete Charity den Kanal mit kurzer Reichweite ein und bedeutete den anderen mit einem Wink, es ihr gleichzutun. »Niemand daheim«, sagte sie, während Skudder und Harris den Schlitten mit einer letzten Anstrengung in die Halle wuchteten, über die Kante am Ende der Rampe hinweg.

»Was ist das hier?« fragte Harris.

»Unterstand für einen Montage-Kran«, vermutete sie. »Sie können sich eines merken, Harris, hier oben ist alles riesig. In der niedrigen Schwerkraft kann man wirklich große Spielzeuge bauen. Nach den ersten Jahren hatte ich manchmal das Gefühl, die Ingenieure seien alle ein wenig verrückt geworden.«

Skudder blickte zu der vierzig Meter über ihnen gezogenen Decke auf. »Sieht nicht sehr stabil aus.«

»Leichtbauweise«, stimmte sie zu, während sie noch einmal das Innere absuchte. »Ist zur Abwehr des Sonnenlichts und der Mikrometeoriten gedacht. Vermutlich hat das Dach Hunderte von millimetergroßen Löchern, wo die etwas größeren Teilchen eingeschlagen sind.« Sie grinste. »Eine Handvoll Schußwaffen würde dieses Ding über uns zusammenbrechen lassen. Aber es schirmt auch den Funk ab, und irgendwo da vorne ist eine Tür, durch die wir in die eigentliche Basis kommen.«

»Und was dann?« fragte Skudder erschöpft.

»Direkt hinter den Verladerampen lag ein militärischer Komplex, darunter die Kontrollzentrale für den Massetreiber und die Werftanlagen. Und dahinter sind die Kabinenrohre zum Tagebaugebiet. Wenn wir überhaupt irgend etwas finden, dann dort oder in der Zentrale. Und es gibt mit Sicherheit Wasser, Strom und Proviant. Selbst wenn die Moroni damals hiergewesen sind, können sie nicht alles in Stücke geschossen haben, und unser Zeug hat sie nie besonders interessiert.« Ihr Anzug kühlte spürbar ab, und sie nahm erleichtert zur Kenntnis, daß ihr keine weiteren Schweißtropfen von der Stirn fielen. »Beeilen wir uns. Ich könnte ein Bad gebrauchen.«

Sie gingen weiter in die Halle hinein. Der Transportschlitten glitt lautlos und leicht über dem Betonboden dahin. Harris und Estevez legten ihre Waffen auf der Ladefläche ab und übernahmen die Riemen. Sie wichen ein paar Kisten aus, die gelbe und rote Warnzeichen trugen, und kamen an ein paar Kabelbäumen vorbei, von denen mehrere Bündel wirr herunterhingen. Schläuche lagen auf dem Boden. Eine große Stahlplatte bedeckte den Boden und verschloß vermutlich irgendeine Wartungsgrube. Charity wich der geriffelten Metallfläche aus und ging am Rand der Grube entlang. Steiner überholte sie auf der anderen Seite und war ein paar Meter vor ihr, als sie die Platte umgangen hatte. Einer der Container war umgekippt und aufgeplatzt, und ein Dutzend Verpackungseinheiten lagen auf dem Boden verstreut. Es war wie eine surrealistische Landschaft aus Müll und Vakuum-Kartons. Hinter ihr erreichte Henderson die Platte, und bevor sie etwas sagen konnte, setzte er den Fuß auf die freie Fläche. Irgendwo vor ihnen leuchtete ein kleines rotes Licht auf.

»Was ...«

Steiners Druckanzug brannte wie eine Fackel, als der unsichtbare Laserstrahl zwischen den Verstrebungen hindurch sein Ziel fand. Dann explodierte sein Rückentornister, und gleich darauf die Magazine seiner Waffe, und er verschwand in einer geräuschlosen, riesigen Feuerlohe.

Keiner von ihnen hatte Zeit gehabt, irgendwie zu reagieren. Charity ließ sich nach vorn fallen und ging zugleich in die Knie, um die Bewegung in der niedrigen Schwerkraft zu beschleunigen. Ihre Finger zogen alle drei Auslöser gleichzeitig durch, und die dreigeteilten Rückstoßflammen aller drei Läufe zeichneten einen Feuerkranz in die Dunkelheit. Die Explosion der Granate zerfetzte einen Kabelschacht, eine Wand und mehrere Geräte, die sie nicht identifizieren konnte, weil sie nur im Moment der Detonation in Licht getaucht waren. Die Explosivgeschosse zeichneten in völliger Lautlosigkeit eine Wolke aus Trümmern und Glut. Sie konnte die Vibrationen schwach im Betonboden spüren und rollte sich zur Seite ab, erkannte aber noch, daß sie das rote Licht verfehlt hatte. Irgend jemand schoß über sie hinweg in die Dunkelheit, und Henderson jagte eine Geschoßsalve in die Decke über ihnen, sinnlos und vermutlich unbeabsichtigt. Hinter ihr streifte ein zweiter Laserpuls den Transportschlitten, und Fetzen aus Metall und Plastik rissen von der Seite des Schlittens ab.