Marcian war in Rage. Er konnte nicht begreifen, daß der Magier auch nur einen Moment zögern konnte, einen Ork zu töten.
»Wann soll das Ganze denn stattfinden?«
»In der übernächsten Nacht. Wir werden mit oder ohne deine Unterstützung zuschlagen. Es liegt in deiner Hand, dabei Menschenleben zu retten. Können sich die Offiziere noch wehren, wird es auch auf unserer Seite Tote geben. Das läßt sich nicht verhindern. Es sei denn, du tust, worum ich dich gebeten habe.«
Lancorian zögerte noch immer. Doch dann willigte er ein. Er würde den Aufstand nur verhindern können, wenn er seinen Freund an die Orks verriet, und das kam nicht in Frage. Er hatte nur die Wahl, ob er es den Rebellen leichtmachte oder nicht. Marcian hatte sich seit ihrem letzten Treffen sehr verändert. Vielleicht waren die Gerüchte, er sei ein Inquisitor, doch wahr? Lancorian mußte es wissen.
Ohne Zögern verneinte Marcian die Frage. Zu schnell für Lancorians Geschmack. Die Brände, die er heute legen ließ, waren keine Illusionen mehr.
»Du bist seit damals in Gareth ein ganz anderer geworden, Marcian.« »Vielleicht habe ich meine Unschuld verloren.« Marcian setzte ein bitteres Lächeln auf. »Vielleicht steht es sogar noch schlimmer um mich. Manchmal raube ich auch anderen die Unschuld. Es lebt sich leichter, wenn man nicht dauernd strafenden Blicken ausgesetzt ist. - Doch laß uns jetzt ein wenig über alte Zeiten plaudern und sag mir, welches Mädchen hier noch Männer zu verwöhnen versteht und in dieser Nacht noch nicht mit einem Ork im Bett gelegen hat. - Weißt du Lancorian, du kannst mir sagen, was du willst, aber ich glaube, ihr habt hier alle schon lange eure Unschuld gelassen. Manchmal merkt man das erst sehr spät. Und nun reicht es mit dem moralischen Gerede. Das paßt zu uns beiden nicht, wenn ich an unseren Garether Sommer denke.«
3
»Guten Morgen, Darrag. Man sagt, du seist ein guter Waffenschmied. Ich habe einen Auftrag für dich.«
Darrag musterte den Fremden. Er trug teure Kleidung und einen leuchtend roten Umhang. Das mußte der Augenarzt sein, von dem man in der Stadt erzählte. Ganz offensichtlich kein armer Mann.
»Ihr seht nicht so aus, als sei Euch mit Sicheln oder Pflugscharen geholfen, Fremder. Was soll's sein?«
»Man sagt, Ihr schmiedet die besten Schwerter der Stadt.«
»Wer immer das sagt, muß seit langem mit verschlossenen Augen gelebt haben. Seit die Orks die Stadt besetzt halten, habe ich keine Waffe mehr geschmiedet. Man hat drei Tage auf der Folter versucht, mich zu meiner Kunst zu überreden, doch ich lehnte es ab, für die Schwarzpelze oder irgend einen anderen in der Stadt eine Waffe zu schmieden. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie mich ein Fremder dazu bringen könnte, mit diesem Vorsatz zu brechen. Die glühenden Eisen der Folterknechte waren wesentlich überzeugender, als eure Worte jemals sein könnten. Und auch sie reichten schon nicht.«
»Große Worte und doch munkelt man, daß Ihr es mit Euren Vorsätzen nicht so ernst nehmt, wenn Ihr sicher wißt, daß Eure Waffen in den Händen von Rebellen liegen.«
»Wer sagt das? Seid Ihr ein bezahlter Spitzel der Orks, oder was soll diese Fragerei?« Darrag runzelte die Stirn. Sollte dieser Fremde etwas wissen? Das war unmöglich!
»Nun, ich wäre ein schöner Freund, wenn ich meine Informanten preisgeben würde. Doch wenn Ihr nicht lügt, dann schwört doch bei Ingerimm, dem Gott der Schmiede, daß Ihr die Wahrheit sagt.«
»Ihr gebt mehr heiße Luft von Euch als mein Blasebalg. Auf Euer leeres Gewäsch einen Schwur zu leisten wäre Gotteslästerung.«
»So leugnet Ihr also nicht, daß Ihr den Rebellen Waffen liefert.« »Dreht einem ehrlichen Mann nicht das Wort im Munde herum!«
»Nicht ich bin es, der heißes Eisen traktiert. Das ist doch wohl Euer Beruf, und wie ich sehe, versteht Ihr Euch recht gut darauf.«
Darrag hatte das Hufeisen, auf das er einhämmerte, außer Form geschlagen. Dieser Fremde war eine rechte Plage. Am liebsten wäre er ihm mit einer Eisenstange zu Leibe gerückt, aber die Orks warteten nur darauf, daß er einen Fehler machte, um ihn erneut in die Mangel zu nehmen. Wahrscheinlich war der Fremde deshalb hier. Darrag hatte schon erlebt, wie sich Ehrenmänner an die Besatzer um eines kleinen Vorteils willen verkauften. Sie achtete der Schmied nicht mehr als die Nutten, die sich diesen Blutsäufern hingaben. Wahrscheinlich war sein Gegenüber in Wahrheit so verrottet, wie er auf den ersten Blick als aufrechter Mann erschien. Der Schmied legte das Eisen wieder in die Glut, um mit seiner Arbeit noch einmal zu beginnen. Dann baute er sich mit verschränkten Armen vor dem Fremden auf. Hoffentlich begriff der mal langsam, daß er unerwünscht war.
»Versteh doch, Schmied, ich will den Orks das Fell gerben, und dazu brauche ich ein Schwert. Eine bessere Klinge, als ich an meiner Seite trage! Eine Waffe von dir. Ich weiß, daß du deine Schwerter am Tag der Besetzung nicht in den Fluß geworfen hast. Man braucht dich nur anzusehen, um zu erkennen, daß du ein Kämpfer bist.«
»Ich bin ein Mann mit Frau und Kindern und sonst gar nichts.« »Hast du nicht eben noch selbst verkündet, daß du stolz der Folter getrotzt hast. Das nenne ich den Mut eines Kämpfers. Sich hinter Frau und Kindern zu verschanzen, das paßt nicht zu dir.«
Das Eisen in der Esse glühte rot und konnte wieder bearbeitet werden. »Was würdest du sagen, wenn ich im Auftrag Sharraz Garthais hier stehen würde?«
»Ich würde dir in dein elendes Gesicht spucken. Jedes Wort wäre dann zu schade für dich.« Darrag spürte, daß er bald die Beherrschung verlieren würde.
»Eben sind deine Frau und deine zwei Töchter zum Markt gegangen. Stimmt das?«
Der Schmied antwortete nicht.
»Ich fürchte, heute wirst du lange auf sie warten müssen.«
Darrag hob seinen schweren Hammer. »Verschwinde hier, oder ich werde dir den Schädel einschlagen und das Hufeisen hier vergessen.« »Ich wollte dir doch nur sagen, daß du lange auf deine Frau und die Kinder warten kannst. Diese Nacht werden sich die Orks erst mit deiner hübschen Frau und dann mit deinen kleinen Töchtern vergnügen. Es sei denn, du verrätst deine Mitverschwörer und ...«
Mit einem wilden Schrei sprang Darrag über den Amboß. Er würde es dem Fremden schon zeigen! Sollten sie nur versuchen, seinen Kindern etwas anzutun. Er würde sich diesen Wicht packen und gegen seine Familie eintauschen. Darrag warf den Hammer zurück in die Werkstatt. Er mußte den Kerl lebend haben.
Geschickt tauchte der Fremde unter dem Schmied hinweg. Und versetzte ihm einen Schlag in den Nacken. Ein Stiernacken! Als hätte er nichts gespürt, ging der Schmied erneut zum Angriff über.
Darrag kochte vor Wut. Diesem zappelnden Wicht würde er die Rippen brechen. Schnaubend drehte er sich um und blickte auf ein blitzendes Schwert. Die Nachbarn, die bisher neugierig zugesehen hatten, verschwanden in den Häusern. Mord und Totschlag bedeutete Ärger mit den Orks. Es wäre besser, nichts gesehen zu haben.
»Wenn du willst, daß deiner Familie nichts passiert, gehst du besser mit mir in deine Schmiede. Du handelst zu unbedacht, Darrag. Dein Fehler ist, daß du dich zu leicht reizen läßt. Und jetzt geh.«
Widerwillig drehte der Schmied sich um. Der Fremde hatte recht. Er mußte sich beruhigen. Langsam gingen beide durch die Schmiede ins Haus. Ein sauberer kleiner Wohnraum befand sich hinter der Werkstatt. Mitten auf dem Tisch lag eine Puppe aus Stroh.
Darrag stiegen vor Wut Tränen in die Augen. Wie konnte er seine Kinder retten, ohne seine Freunde zu verraten. Er war verzweifelt. Wieder ertönte die bohrende Stimme hinter ihm.
»Wem hast du Waffen gegeben, Darrag? Nenn mir die Namen! Mit jedem Namen, den du sagst, rettest du ein Leben. Deiner Frau und deinen Kindern würde nichts passieren. Drei Namen will ich von dir, und du wirst sie noch vor Mittag Wiedersehen.«