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Marcian rief das Mädchen mit den großen dunklen Augen und der samtenen Haut zu sich herüber. Mit grazilen und selbstsicheren Schritten kam sie zu ihm und blickte den Inquisitor lange an. Er hatte das Gefühl, daß sie bis in sein Innerstes sehen konnte. Daß sie die Wunden spürte, die niemals verheilen würden. Er drückte ihr ein Goldstück in die Hand und flüsterte ihr ins Ohr, daß Lancorian für sie die Illusion einer Villa Alanfanischen Stils auf einer Steilklippe am Meer erschaffen solle. Mit einer prächtigen Terrasse, die aufs Perlenmeer hinausblickte. Er wollte das Geräusch der Brandung hören, während er Cindira liebte. Der helle Klang einer tulamidischen Flöte sollte aus dem Innern des Hauses kommen, und der schwere Duft exotischer Blüten seine Sinne betäuben. Wankend stand Marcian auf und ging zur Treppe zu den Kellergewölben hinüber. Heute nacht wollte er vergessen, bevor er morgen ein weiteres Mal Tod und Verderben in eine Stadt brachte.

Gebannt starrte Marcian durch das kleine Fenster des Verstecks. Die Orks hatten angefangen zu trinken. Es waren fünf, die Offiziere der Garnison. Sie hatten ihre ledernen Rüstungen abgelegt, und alle hatten bereits einen oder zwei Becher Wein mit dem Schlaftrunk hinuntergestürzt. Marcian fand ihre haarigen, muskulösen Körper abstoßend. Auch Cindira war unter den Mädchen, die sich den Bestien hingaben. Marcian schluckte. Er hätte nicht gedacht, daß es ihm etwas ausmachen würde, sie hier zu sehen.

Mit wilden Küssen fiel ein glatzköpfiger Ork über sie her. Sie mußte sich kunstvoll in seinen Armen winden, um nicht durch die vorstehenden Reißzähne seines Unterkiefers verletzt zu werden. Die Nägel seiner starken Hände hinterließen blutige Striemen auf Cindiras Rücken. Marcians Hand krampfte sich um den Griff des Schwertes an seiner Seite. Der Glatzkopf sollte sterben. Gleichgültig, was er Lancorian versprochen hatte. Ein anderes Mädchen stöhnte laut auf, als ihr Liebhaber in sie eindrang.

Marcian wollte an etwas anderes denken, versuchte seinen Blick in die Tiefen der Landschaftsillusion zu lenken, die Lancorian geschaffen hatte, grasbewachsene Hügel und ein strahlend blauer Himmel. Man glaubte sogar, die Hitze des Sommers zu spüren. Am Horizont graste eine Herde Mammuts. Das lustvolle Stöhnen der Orks holte ihn wieder ins Jetzt zurück. Wie lange mochte es noch dauern, bis der Schlaftrunk wirkte?

Einer der Orks taumelte auf die große Amphore zu, die in einem dreibeinigen Metallständer scheinbar inmitten der Hügellandschaft stand. Kurz bevor er sie erreichte, stolperte er, versuchte sich mit rudernden Armen an der Amphore festzuhalten und riß sie samt Ständer zu Boden. Das Gefäß zerbrach. Der dunkelrote Wein ergoß sich über dem Boden. Wie ein Tier versuchte der Ork, den verschütteten Wein aufzulecken. Dann setzte er sich mitten in die Pfütze und begann lauthals zu lachen. Die anderen ignorierten ihn. Sie waren zu sehr mit den Mädchen beschäftigt.

Cindira starrte mit riesigen Pupillen ins Leere. Marcian wußte von Lancorian, daß die Huren Drogen nahmen oder sich betranken, bevor sie sich den Orks hingaben. Marcian spürte eine unbändige Wut in sich. Noch immer war nicht das geringste Zeichen dafür zu erkennen, daß die Orks mehr als nur leicht betrunken waren. Nur mühsam gelang es dem Inquisitor, mit leiser Stimme zu sprechen, als er sich zu Lancorian umwandte.

»Was ist da unten los? Wieso wirkt dein Schlafmittel nicht? Haben diese Ungeheuer zu wenig getrunken, oder sind sie dagegen vielleicht immun?« Mit stechendem Blick fixierte er den Magier. »Oder könnte es sein, daß dein Trank nicht wirkt?«

»Das glaube ich nicht. Ich fürchte, die haben einfach zu wenig getrunken. Wahrscheinlich wird sich die Wirkung noch etwas verstärken, aber daß sie von dem bißchen einschlafen, glaube ich nicht.« Lancorian schluckte.

»Und wie lange dauert es erfahrungsgemäß, bis sie bei den Mädchen vor Erschöpfung einschlafen? Du siehst dir so eine Orgie doch nicht zum ersten Mal an. Also heraus mit der Sprache?« fauchte Marcian seinen Freund an.

»Das wird noch zwei bis drei Stunden dauern.«

Zu lange, dachte der Inquisitor. Bis dahin mußte längst das Stadttor geöffnet sein, und der Sturm auf die Kaserne sollte beginnen. Finster blickte er zu Lancorian hinüber. »Du hast es verbockt«, murmelte der Inquisitor. »Jetzt kann ich mein Wort nicht mehr halten. Wir müssen den Raum stürmen, und es wird Blut fließen. Es tut mir leid.« Die letzten Worte meinte er nicht wirklich so. Er brannte darauf, dem glatzköpfigen Ork, der sich an Cindira vergangen hatte, sein Schwert in den Leib zu rennen. Hastig stieg Marcian die Treppe bis zur Turmspitze hinauf, durchquerte das Zimmer des Magiers und stieg die äußere Treppe hinab, um von der Straße in den Schankraum zu gelangen. Hastig blickte er sich dort um. Es waren nur Mitverschwörer hier. Der Schmied Darrag, die Agenten, die er aus Gareth mitgebracht hatte, und einige mutige Bürger, die schon gestern abend bei der Versammlung in dem Keller dabei gewesen waren.

»Meine Gefährten«, sagte Marcian mit hallender Stimme. »Männer und Frauen, die ihr euch entschieden habt, der Freiheit in diesen Stadtmauern wieder Einzug zu verschaffen! Nun ist unsere Stunde gekommen! Wie ein Sturm, der das letzte Herbstlaub von den Bäumen reißt, werden wir die Orks hinwegfegen. Ergreift eure Waffen und folgt mir in den Keller. Dort erwartet uns ein harter Kampf, denn der Wein hat den Bestien nicht die Sinne geraubt. Nackt liegen sie da, verzückt in ihrer Geilheit. Laßt uns ihrem grausamen Spiel mit den Mädchen dieses Hauses ein blutiges Ende bereiten!«

Mit diesen Worten stürmte Marcian die Treppe zum Keller hinunter. Die anderen folgten ihm gröhlend. Das Scharren von Schwertern, die aus den Scheiden gerissen wurden, war zu hören.

Nach wenigen Schritten stand Marcian vor der Tür zum Purpurgewölbe. Er hob die Hand zum Zeichen für die anderen, leiser zu sein und legte sein Ohr lauschend an die Tür. Es schien, als hätte man drinnen nichts bemerkt und die Orgie würde ungehemmt fortgesetzt. Noch einmal dachte Marcian an den Glatzköpfigen und Cindira. Dann stieß er die Tür auf und stürzte mit blankem Schwert in das Gewölbe.

Einer der Orks kniete unmittelbar vor seinen Füßen und versuchte, den verschütteten Wein aufzulecken. Die anderen hatten noch gar nicht richtig begriffen, was hier vor sich ging. Nur der Glatzkopf starrte über Cindira gebeugt wie gebannt zur Tür.

Mit aller Kraft ließ Marcian die Klinge auf den Schädel des vor ihm knienden Orks herabsausen. Der Ork erhob schützend die Hand, doch das Schwert trennte sie ihm glatt vom Arm und grub sich tief in seinen Schädel. Mit gurgelndem Laut sackte er in sich zusammen. Marcian setzte ihm den Fuß auf die Brust, um seine Waffe aus dem toten Ork zu ziehen. Hinter ihm drängten die anderen in das Gewölbe.

Die Orks hatten sich von ihrem ersten Schrecken erholt und versuchten, an ihre Waffen zu gelangen. Der Glatzkopf faßte Cindira um den Hals und zerrte sie mit sich weiter nach hinten, ihren Körper als Schutzschild benutzend. Marcian sprang über einen Gegner hinweg, der sich nach einer Axt bückte. Mit brennendem Blick fixierte er den Glatzkopf und parierte wie in Trance einen Hieb, der von der Seite gegen ihn geführt wurde.

Der Schwarzpelz hatte irgendwie einen Dolch zu fassen bekommen und sich bis zur Rückwand des Gewölbes zurückgezogen. Noch immer hielt er Cindira vor sich. Jeder Angriff Marcians konnte sie das Leben kosten. Der Inquisitor fluchte. Warum ging nie etwas glatt in seinem Leben? Er suchte eine Schwäche in der Deckung seines Gegners. Vergebens! Er war sich zwar sicher, den Glatzkopf besiegen zu können, aber jeder Angriff könnte den Tod des Mädchens zur Folge haben.

Hinter ihm hallte der Keller vor Kampflärm. Es schien, daß die Orks mehr Widerstand leisteten, als er erwartet hatte.

Marcian mußte den Glatzkopf aus der Reserve locken.