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»Du scheinst ja wirklich richtig vernarrt in dein Schwert zu sein!« erklang eine Stimme. Darrag, der Schmied, stand vor ihm. »Gestern nacht habe ich noch gedacht, du würdest sterben. Hat dich ja ganz schön böse erwischt gehabt. Wenn ich es nicht besser wüßte, hätte ich glatt geglaubt, daß man dir diesen Speer, der unter dir lag, durch deine Brust gestoßen hat.« Darrag lachte ihn an. »Aber dann würdest du ja nicht mehr hier liegen, und wir hätten dich wie die anderen Toten heute morgen auf dem Boronsanger vor der Stadt beerdigt.«

Gequält lächelte Zerwas zurück. »Das ist wohl wahr. Ich habe gestern noch mal Glück gehabt. Plötzlich waren diese haarigen Kerle überall um mich ...«

»Du hast auch ganz gut abgeräumt!« bestätigte ihm der Schmied. »Schon jetzt erzählt man sich in der Stadt die wildesten Geschichten über dich, Henker. Du allein mußt sieben oder acht Orks getötet haben. So viele hat nicht einmal Lysandra geschafft, und sie kämpft wie ein Dämon. In der Stadt nennt man dich schon jetzt überall Zerwas der Orkentod.«

Wieder lächelte der Vampir. Dann durchlief ihn erneut eine Welle des Schmerzes. Die Wunde, die er durch den Speer mit dem verfluchten Eschenholzschaft empfangen hatte, brannte noch immer, und auch die anderen Verletzungen konnten nicht verheilen, solange er in der Sonne lag. Mühsam richtete er sich ein wenig auf. »Darrag, kannst du mich von hier wegtragen?«

Der Schmied blickte ihn irritiert an. »Ich glaube nicht, daß der Medicus das erlauben würde. Du bist schwer verletzt und sollst ruhig liegen.« »Aber die Sonne schadet meiner vornehmen Blässe.« Mit Mühe brachte Zerwas so etwas wie ein Lächeln über die Lippen. »Sieh mich doch nur an. Ich bin jetzt schon ganz verbrannt. Ich trage die Verantwortung. Ich müßte mich auf dich stützen, und du bringst mich auf die andere Seite des Hofes in den Schatten.«

Darrag schien nicht ganz überzeugt. Also machte Zerwas von sich aus einen Versuch, sich auf sein Schwert gestützt hochzustemmen, um dann den Hof zu überqueren. Noch bevor er richtig stand, wurde dem Vampir wieder schwarz vor Augen. Er sank nach vorne und fiel in die Arme des Schmiedes.

»Na schön, du sollst deinen Willen haben.« Darrag hob ihn hoch, als wäre er leicht wie eine Feder. »Wenn ich dich nicht rübertrage, würdest du dich bei dem Versuch, in den Schatten zu kommen, glatt umbringen. Wie kann man auch nur so empfindliche Haut haben!«

Noch immer hielt Zerwas sein Schwert umklammert, so wie ein Kind seine Puppe im Arm hält. »Eine schöne Waffe hast du da!« brummte Darrag. »Ich habe selber ja schon viele Schwerter geschmiedet und noch viel mehr gesehen, aber so ein Schmuckstück ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen.«

»Du hast das Schwert in der Hand gehalten?« Ängstlich blickte der Vampir den Schmied an. »Was war das für ein Gefühl?«

»Was soll das schon für ein Gefühl gewesen sein? Die Waffe liegt sehr gut in der Hand, und ich habe mich gewundert, wie leicht sie ist. Du machst aber ein ganz schönes Aufheben um das Schwert. Ich wollte es dir nicht wegnehmen. Doch hätte ich es nicht genommen, würde es noch immer oben beim Tor im Wachraum liegen, oder irgendein Bürger hätte das Schmuckstück mitgenommen.«

»Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen«, erwiderte der Vampir. »Es ist nur so, daß man sagt, die Waffe sei verflucht. Es ist ein Henkerschwert, das schon vielen Menschen den Tod gebracht hat. Die Waffe ist sehr alt. Ich habe sie während meiner Dienste in Mengbilla erhalten. Niemand anders wollte sie haben. Faßt ein anderer als ein Henker diese Waffe an, so sagt man, würde ihm großes Unglück widerfahren, und zum Schluß würde er selbst durch ein Schwert sterben. Vielleicht verstehst du nun, warum ich mir Sorgen mache.«

Der Schmied blickte ihn an und dann zu dem Schwert. »Was für ein Glück, daß ich nicht alle Ammenmärchen glaube.« Er zuckte mit den Schultern. Seine Stimme hatte etwas unsicher geklungen. Zerwas war überzeugt, daß Darrag in Zukunft diese Waffe nicht mehr berühren würde. Gerade weil er ein Schmied war, mußte er wissen, daß diese Geschichten mehr waren als nur Ammenmärchen und daß verfluchte Schwerter nicht allein in der Phantasie alter Frauen und verschreckter Kinder existierten.

»Wie verhalten sich denn die Bürger?« wollte Zerwas wissen.

»Ein Jahr lang haben sie gegen die Orks nicht die Hand erhoben, aber seit die Stadt befreit ist, tut jeder so, als sei er schon immer der größte Widerstandskämpfer gewesen. Die Freischärler, die hier vor ein paar Tagen noch von den meisten als Banditen beschimpft wurden, sind jetzt Helden der Stadt. Ohne ihre Hilfe wäre der Aufstand gescheitert, denn obwohl wir die Festung fast im Handstreich genommen hatten, leisteten die Orks unerwartet viel Widerstand. Wir haben nicht einen von ihnen lebend gefangennehmen können. Ich glaube, Lysandra und ihre Kämpfer hatten auch nie die Absicht, Gefangene zu machen.«

»Und wie soll es weitergehen?« fragte der Vampir.

»Marcian hat heute morgen eine große Rede auf dem Platz der Sonne gehalten. Er hat versichert, daß bereits jetzt kaiserliche Truppen auf dem Weg nach Greifenfurt seien und daß wir die Stadt nur ein paar Tage halten müßten. Außerdem hat er durchblicken lassen, daß es für die Bürger besser sei, sich in den nächsten Tagen von ihrer besten Seite als treue Untertanen zu zeigen, weil mit einer Untersuchung der Inquisition zu rechnen sei, wer hier mit den Orks zusammengearbeitet habe und wer nicht. Und ich kann dir sagen, Geschäfte mit den Besatzern hat hier fast jeder gemacht. Aber was rede ich? Das ist dir ja wohl auch nicht entgangen. Im Moment sind fast alle, die laufen können, damit beschäftigt, die Grube auf dem Platz der Sonnen wieder zuzuschütten. Marcian will dort so schnell wie möglich einen Schrein zu Ehren des Praios errichten lassen, um die Bluttaten, die dort von den Orks im Namen Tairachs begangen wurden, vergessen zu machen. Auch soll eine Tafel mit den Namen der Helden, die in der letzten Nacht bei der Befreiung der Stadt ihr Leben gelassen haben, errichtet werden. Ich bin froh, daß du nicht auch auf dieser Tafel verewigt wirst. Heute morgen war ich schon einmal bei dir, und da warst du noch näher bei den Toten als bei den Lebenden.«

Zerwas lächelte den Schmied an. Er fühlte sich schon besser. Es tat ihm gut, aus der Sonne gekommen zu sein, und die Kraft seines Schwertes trug dazu bei, seine Heilung zu beschleunigen. Nur die Speerwunde würde lange brauchen, bis sie gänzlich ausheilte. Er mußte zurück in seine geheime Kammer, um sich dort in Ruhe auszukurieren. Vielleicht sollte er auch jemanden töten. Frisches Blut würde ihn stärken und die Heilung vorantreiben.

Darrag stand auf. »Ich muß zurück zu meinen Leuten. Heute nacht soll ein großes Fest gefeiert werden. Die ganze Stadt ist schon in Aufruhr. Man schmückt die Straßen mit Girlanden aus Zweigen und Frühlingsblumen. Mehr als ein Dutzend Ochsen sind geschlachtet worden und drehen sich schon über dem Feuer, und ich soll bis Sonnenuntergang für den Wirt vom Löwen noch einen Spieß fertig machen, auf den sechs Hühner passen. Also, sieh zu, daß du schnell wieder auf die Beine kommst. Dein Sonnenbrand ist jedenfalls wieder weg. Schau nur, du hast schon wieder so blasse Haut, wie ich sie seit jeher von dir kenne.« Der Schmied klopfte Zerwas noch einmal auf die Schulter und ging quer über den Burghof zum Tor. Noch einige Stunden und er würde wieder laufen können, überlegte der Vampir. Er mußte hier weg. Der Medicus durfte ihn nicht noch einmal untersuchen. Es ließ sich nicht verhindern, daß dem Arzt dabei auffallen würde, wie ungewöhnlich schnell die Wunden heilten. Er würde Fragen stellen. Fragen, auf die es keine Antworten gab. Vielleicht würde der alte Mann auch Verdacht schöpfen. Darauf konnte er es nicht ankommen lassen. Zerwas gehörte zu den Helden der letzten Nacht, und als Held hatte man auch etwas Spielraum, sich ungewöhnlich zu benehmen. Er würde in sein Versteck verschwinden und erst wiederkommen, wenn er wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war.