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»Frauen und Männer von Greifenfurt. Freischärler, Ritter und Flüchtlinge, in der letzten Nacht hat mich eine Kunde erreicht, die das Leben von uns allen verändern wird. Eine Reiterin, geschändet und gequält, erreichte die schützenden Tore eurer Stadt, die sich in den letzten beiden Wochen bereits für Hunderte anderer Flüchtlinge geöffnet haben. Der Name Greifenfurt ist gleichbedeutend mit dem Wort Hoffnung geworden. Hoffnung auf ein freies Leben ohne die Knute der Orks. Freunde, ich habe nun die traurige Pflicht, euch zu sagen, daß ein Teil dieser Hoffnung verloren ist. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Prinz Brin im Kampf gegen die Orks sein Leben verloren hat.« Marcian machte eine Pause. Ein Raunen ging durch die Menge. Wieder hob der Inquisitor die Hand, und es wurde still.

»Ich sagte, es ist sehr wahrscheinlich. Es ist nicht sicher, doch es ist meine Pflicht, euch diese Nachricht zu verkünden, bevor falsche Gerüchte die Runde machen. In der letzten Nacht ist es der Baronin Ira von Seewiesen gelungen, aus der Gefangenschaft der Orks zu fliehen. Sie gehörte zur Leibgarde des Prinzen und sah, wie er in einem Gefecht vom Pferd stürzte und von Orks umringt wurde. Sie sah ihn nicht sterben! Dann wurde sie selbst durch einen schweren Treffer ohnmächtig und geriet in die Gefangenschaft der Orks. Erst im Lager der Orks hörte sie vom Tod des Prinzen. - Ich glaube, daß dies alles Lug und Trug ist. Eine bösartige Intrige, um uns unsere Hoffnung zu nehmen, doch ich kann mich auch irren. Aus diesem Grund, weil ich mir selbst nicht mehr sicher bin, was wahr ist und was verwirrendes Gaukelspiel unserer Feinde, kann ich nicht mehr weiter für euch entscheiden. Ich weiß, daß ich mir in den letzten Wochen als Befehlshaber dieser Stadt viele Feinde gemacht habe. Trotzdem kann ich für mich beanspruchen, vor meinem Gewissen immer recht getan zu haben und niemals eigennützig entschieden zu haben. Was ich wollte, war das Wohl des Kaiserreiches und seiner Bürger. Die Entscheidung aber, die heute zu treffen ist, kann ich nicht für euch tragen. Ich möchte nicht in meinem Namen womöglich euer Unglück verschulden.

Ich werde weiterkämpfen, denn das Kaiserreich ist für mich eine Idee, die nicht mit dem Schicksal eines einzelnen Menschen verbunden ist. Sollte der Prinz tot sein, haben wir einen Helden verloren, der sein Leben und seine ganze Kraft dem Fortbestand des Reiches geopfert hat. Doch auch wenn der Prinz tot ist, so ist sein Reich nicht verloren. Er hat es geschafft, die Gefahr von Gareth abzuwenden und die Orks fast wieder über die Nordgrenzen des Reiches hinauszutreiben. Und ich werde für dieses Ziel weiterkämpfen, für das Brin gestorben ist. Würde ich nun aufgeben, hätte ich ihn verraten. Doch dies ist die Entscheidung eines Ritters, der sein Leben seinem Land verschrieben hat. Ich kann es verstehen, wenn für euch Bürger andere Werte gelten. Mir ist wichtig, daß mein Sohn einst nicht den Nacken vor einem Orkherrscher beugen muß. Doch ich entscheide hier nur für mich allein. Ich habe keine Familie, an die ich denken muß, bin nicht dafür zuständig, hungrige Mäuler zu stopfen. Ich habe allein die Rechte und Pflichten eines Ehrenmannes! Doch für euch mag es andere Dinge geben.

Wenn ihr euch den Orks ergebt, werden sie einige von euch bestrafen, um wegen des Aufstandes ein Exempel zu statuieren. Vielleicht werden sie euch allen auch tief in die Taschen greifen, eure Hühner vom Hof stehlen und eure Silbertaler unter dem Bettkasten wegholen. Aber ihr werdet leben. Nicht das Leben von freien Ehrenmännern, aber immerhin werdet ihr nicht tot sein.

Vielleicht werden die Orks auch euren hübschen Töchtern nachstellen, und ihr werdet ihre Bastarde auf den Schößen eurer Frauen sitzen sehen. Aber ihr werdet leben und nicht tot sein!

Nun, für mich kann es ein Leben ohne Ehre nicht geben, auch wenn es meine letzte Freiheit sein sollte, ehrenhaft zu sterben. Ich werde jetzt mein Schwert nehmen und in die Garnison gehen, die ich vor vier Wochen mit meinem Schwert befreit habe. Ich werde dort warten. Und wenn die Orks kommen, werde ich meinen letzten Kampf kämpfen. Wenn ihr euch entscheidet, nicht zu kämpfen, so öffnet den Orks die Tore. Vielleicht werden sie euch die Rebellion dann vergeben. Weist mit den Fingern auf die Garnison und sagt ihnen, daß dort der Rebell sitzt, der für den Tod der Orks, die diese Stadt besetzt hielten, verantwortlich ist.

Ihr seid Bürger und keine Helden. Ich erwarte deshalb nicht, daß ihr euch wie Helden verhaltet. Solltet ihr mir folgen, so kann ich euch nur Elend, Hunger und Tod versprechen und die Hoffnung, daß die, die überleben, werden ein Leben in Freiheit führen können. Doch viele von euch würden die Freiheit nicht mehr sehen. Vielleicht sind sogar alle dazu verdammt zu sterben. Ich will nicht in Unfreiheit leben. Für mich ist Ehre mehr als nur ein Wort, doch über euer Schicksal mag ich nicht entscheiden. Darum gehe ich nun und warte auf eure Entscheidung. Ich sage ›Nein‹ zur Demut. Ich sage ›Nein‹ zum leichtesten Weg. Doch wenn ihr ein Überleben um jeden Preis wollt, dann sagt nun ›Ja‹ zur Sklaverei.«

Marcian drehte sich um und zeigte der Menge den Rücken. Auf dem Platz war es still geworden. Im Zimmer vor ihm standen seine Offiziere. Lysandra blickte ihn an. »Noch vor wenigen Tagen dachte ich, daß mich nichts in dieser Stadt halten könnte, die unweigerlich zur Todesfalle wird, wenn die Kaiserlichen keinen schnellen Durchbruch schaffen. Jetzt weiß ich, daß ich bleiben werde. Ich gehe mit dir, Marcian, und alle, die in diesem Raum stehen, sind mit dir einer Meinung!« Gemeinsam gingen sie die enge Stiege des Kaufmannshauses hinab, um auf den Platz der Sonne zu treten. Von draußen waren Stimmen zu hören. Vereinzelte Männer und Frauen, die »Nein!« riefen.

Als Marcian und seine Offiziere aus dem Kaufmannshaus traten, waren die einzelnen Stimmen zu Sprechchören geworden. Aus Hunderten von Kehlen ertönte ein »Nein!«

Marcian war ergriffen. Leute, die er nicht kannte, hoben ihn auf ihre Schultern. Wie ein roter Ball auf dem Meer trieb er mit seinem flammenden Umhang über die Menge der aufgewühlten Menschen und immer noch lauter wurde das »Nein«, das zum Himmel erschallte. Die dunklen Wolken des Gewitters der letzten Nacht standen noch immer wie finstere Gebirge über der Stadt.

Am Rand des Platzes befand sich Uriens. Sein zerschundenes Gesicht war zum Himmel gerichtet. Das drohende Gewitter machte ihm Angst. Und wie ein finsteres Gebet wiederholte er immer wieder die Worte: »Der Tod trägt rot. Der Tod trägt rot. Der Tod ...«

»Ich freue mich, daß du meiner Einladung gefolgt bist, auch wenn du mich nicht magst.« Gamba wies mit seiner Hand auf einen Stapel von Wolfsfellen. »Nimm Platz, Sharraz Garthai, du sollst einem ungewöhnlichen Schauspiel beiwohnen.«

»Was hast du vor, Druide? Ich habe keine Zeit für Spielereien. Die Männer sind unruhig, weil unser Opfer für Tairach entkommen ist und wir kein neues finden können. Die Priester legen das als böses Omen für das nächste Jahr aus.«

»Erinnerst du dich, daß ich dir mein Wort gegeben habe, daß uns diese Baronin nicht entkommen wird. Du wirst nun sehen, warum.«