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»Willst du damit andeuten, daß wir unsere Wäsche in Zukunft vielleicht besser selbst reinigen sollten?« Eine junge Ritterin aus dem Gefolge des Obristen von Blautann hatte die Frage gestellt.

»Prüfe, ob du deiner Waschfrau vertrauen kannst, und beantworte dir dann diese Frage selbst«, erwiderte Marcian.

»Blindes Mißtrauen wird nur auf uns zurückfallen. Keiner von euch sollte außerhalb dieser Runde über die schwarzen Pfeile reden. Für die meisten wird es besser sein, von dieser Bedrohung nichts zu wissen. Außerdem bringen wir so auch niemanden auf den Gedanken, uns vielleicht an die Orks zu verraten. Und nun laßt uns genießen, was die Tafel zu bieten hat! Es wird ohnehin wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis hier Schmalhans Küchenmeister ist.«

Doch es kam keine richtige Stimmung mehr auf. Das Essen verlief sehr ruhig, und schon früh verließen die Offiziere in kleinen Grüppchen den Saal.

Nach dem Essen traf Marcian sich mit seinen Agenten. Schon vor Wochen hatte er befohlen, allen Fremden, die sich in der Stadt aufhielten, Quartiere in der Burg einrichten zu lassen. So hatte er Gelegenheit, sich unauffällig mit seinen Leuten zu treffen. Die wenigen anderen Fremden, die nicht zu seinen Agenten zählten, hatten die Stadt verlassen. Marcian konnte ihnen nicht einmal verübeln, daß sie Angst davor hatten, hier ihr Leben zu verlieren. Übrig waren nur seine Leute: die Jägerin, die in ihrem Karren Waffen in die Stadt geschmuggelt hatte, die Auelfe Nyrilla und die Halbelfe Sartassa, die aus völlig undurchsichtigen Gründen in die Dienste der Inquisition getreten waren, dann der Zwerg, dem Marcian reine Gier als Motiv unterstellte. Das galt auch für den Söldner, dem er das Kommando über die ehemaligen Sklaven, die alle einmal Soldaten der kaiserlichen Armee gewesen waren, anvertraut hatte. Es waren allerdings nur fünfzig Schwerter. Sie würden bei einem entschlossenen Angriff der Orks schnell aufgerieben sein. Zu guter Letzt hatte Marcian noch die drei Magier Odalbert, Yonsus und Riedmar. Obwohl sie die Überprüfungen der Inquisition überstanden hatten, mißtraute er ihnen. Für Uneingeweihte waren die drei ein Heiler, ein Wahrsager und ein wandernder Pflanzenkundler und Kräutersammler. Marcian hatte allen von seinem Mißtrauen gegenüber Zerwas erzählt. Sie würden zwar auch weiterhin den Aufgaben nachgehen, die man ihnen in der belagerten Stadt übertragen hatte, doch jedem blieb noch genug freie Zeit, um ein Auge auf den Henker zu haben. Einigen traute er auch zu, ohne weitere Fragen Zerwas zu ermorden, falls er es fordern sollte. Der Inquisitor erschrak über diesen Gedanken. Warum haßte er den Mann so, daß er an Mord dachte? Lag es daran, daß er seine Autorität nicht zu akzeptieren schien?

6

Darrag der Schmied lehnte an der Brüstung der Ostmauer und sah den Bürgern bei einer Übung an den Geschützen zu. Die Hoffnung auf einen schnellen Entsatz durch die Kaiserlichen hatten mittlerweile alle fahren lassen, und doch stand es um die Moral in der Stadt besser denn je. Die Orks machten einen Fehler, indem sie nicht gegen Greifenfurt vorrückten. Viele waren bereits der Überzeugung, daß die Schwarzpelze sich davor fürchteten, die Mauern berennen zu müssen. Dachte man an Lowangen, das ein ganzes Jahr den Angriffen des Orkheeres standgehalten hatte, oder an das Kloster von Marano, in dem wenige Ritter und Mönche für etliche Tage den Vormarsch der Orkarmee aufgehalten hatten, so konnte man sicher sein, daß auch Greifenfurt nicht schnell fallen würde.

In den letzten zwei Wochen hatte Marcian fieberhaft die Vorbereitungen für die Verteidigung vorangetrieben. Im Umkreis von zweihundert Schritt waren jeder Busch und jeder Baum vor den Stadtmauern gerodet worden, damit die Angreifer über keinerlei natürliche Deckung verfügten. Die wenigen dürren Sträucher, die stehengeblieben waren, dienten als Landmarken für die Geschützbedienungen, die so besser die Entfernungen zu den Angreifern abschätzen konnten. Etliche Karrenladungen voller Steine waren herangebracht worden, damit die wenigen Katapulte in der Stadt auch über genügend Munition verfügten. Der Wahrsager Yonsus hatte sich als guter Mechaniker bewährt und von Marcian das Kommando über alle Geschütze der Stadt erhalten. Mit fünfzig Männern und Frauen war er unermüdlich im Einsatz, um die Artillerie in einen einsatzfähigen Zustand zu bringen. Die langen Jahre des Friedens waren den Böcken und Rotzen, wie man die verschiedenen Geschütze im Wehrheimer Landserjargon nannte, nicht gut bekommen. Die Seile waren verrottet, etliche Metallteile rostig und manche Lafette von Holzwürmern zerfressen. Mit den besten Schreinern der Stadt waren die dringendsten Reparaturen erledigt worden, doch trotz aller Bemühungen konnte man die Artillerie von Greifenfurt nicht anders als bescheiden nennen. Doch das sollte sich ändern. Heute nachmittag würde Darrag mit seinen Rekruten einen Wagenzug zu dem Wald auf halbem Weg nach Greifenfurt begleiten. Dort sollten sie einen Tag lang Bauholz schlagen, um die Vorräte in der Stadt aufzustocken. Das beste Material würde zum Bau neuer Geschütze verwendet werden.

Darrag blickte von der Mauer auf seine Schützlinge. Langsam fingen sie an, sich etwas geschickter im Schwertkampf anzustellen. Hundert Männer und Frauen übten mit Holzschwertern und leichten Lederschilden. Sie hatten zwei große Gruppen gebildet und waren in Schlachtlinien aufeinander zu marschiert. Leider brachen ihre Formationen im Eifer des Gefechts immer wieder auf. Geschah das im Kampf gegen die Orks, würde es das Ende bedeuten. Die Schlachtlinie, in der jeder Kämpfer auch seinen Nachbarn deckte, war der einzige Vorteil, den sie gegenüber den Schwarzpelzen hatten, die den Einzelkampf bevorzugten. Im Gefecht Mann gegen Mann waren die Orks einfach besser.

Darrag feuerte die Kämpfer der Partei an, die zu unterliegen drohte. Sie wichen immer weiter gegen die Stadtmauer zurück. Würden sie die Gegner jetzt nicht zum Stehen bringen, war ihre Sache verloren, denn bald würden sie so sehr zusammengedrängt sein, daß sie kaum noch die Schwerter über die Köpfe erheben konnten.

Gespannt schaute der Schmied dem Übungskampf zu. Die Gruppe vor der Mauer hatte verloren. Die hintere Linie stand bereits mit dem Rükken zur Wand.

»Legt die Waffen nieder! Schließlich sollt ihr euch nicht so verprügeln, daß ihr heute mittag nicht mehr marschieren könnt. Die Übung ist beendet. Geht nach Hause, holt euch Verpflegung für zwei Tage und seid zur Mittagsstunde in voller Ausrüstung vor dem Andergaster Tor!« Darrag mußte schreien, um den Lärm der aufeinanderprallenden Holzwaffen zu übertönen.

Müde ließen die Bürger ihre Waffen sinken. Die Ausrüstung der Kämpfer war erbärmlich, und dabei waren diese Hundert noch die besten, die seinem Kommando unterstanden. Vor einer Woche hatte Marcian die Stadt in vier Bezirke unterteilt. Jeder Bezirk unterstand einem Offizier, der alle waffenfähigen Bürger um sich zu sammeln hatte und für deren Ausbildung und Arbeitseinsatz zuständig war. Darrag hatte fast sechshundert ›Kämpfer‹ aufgestellt, doch die meisten von ihnen taugten so wenig, daß sie es nicht einmal zu dritt mit einem Ork hätten aufnehmen können.

Darrag stieg die Mauer hinab. Seine Frau wartete auf ihn. In den letzten Wochen hatten Misira und die Kinder wenig von ihm gehabt. Tagsüber mühte er sich ab, um aus Sensen Speere zu machen. Abends übte er mit seinen Schützlingen auf den Feldern vor der Stadt, und nachts mußte er an den Offiziersversammlungen im Palas der Burg teilnehmen. Doch Misira murrte nicht. Sie hatte sich als starke Frau erwiesen. Schnell war sie zu einer der Unterführerinnen in seiner Truppe aufgestiegen, und einmal hatte sie es sogar geschafft, ihn im Schwertkampf zu besiegen. Sie war zwar viel schwächer als er, aber dafür erstaunlich gewandt. Zerwas hatte ihr einige Übungsstunden im Schwertkampf gegeben, mit dem Resultat, daß sie um Darrag herumgetänzelt war wie eine wütende Hornisse.