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Misira stand in der Schmiede. Sie beaufsichtigte die Gesellen, während Darrag die Bürgerwehr drillte. Wieder einmal empfing sie ihn mit besorgtem Gesicht. Nach einem flüchtigen Kuß eilte sie in den kleinen Wohnraum hinter der Werkstatt und kam mit Brot, einem Weinschlauch und etwas Hühnerfleisch zurück, das sie in ein Leinentuch eingeschlagen hatte.

»Mußt du wirklich gehen? Kann nicht ein anderer die Holzfäller begleiten?«

Darrag haßte diese Diskussionen. Seit Yonus der Wahrsager ihr prophezeit hatte, ihr Mann würde nicht in Greifenfurt sterben, gab es jedesmal dasselbe Gerede, wenn er die Stadt verließ.

»Schau, mein Schatz, morgen nachmittag bin ich wieder zurück. Wir haben nicht vor, die Orks zu überfallen. Überraschungsangriffe sind die Sache des Obristen von Blautann und seiner Reiter.« Genausogut konnte er gegen eine Wand reden. Noch immer blickte ihn Misira mißmutig an.

»Und was ist, wenn die Orks euch einmal überraschen? Ein Trupp aus Holzfällern und Rekruten wäre doch ein lohnendes Ziel.«

»Unsinn! Wir haben das gestern alles in der Offiziersrunde durchgesprochen. Die Aufgabe ist völlig ungefährlich. Die Orks bewegen sich seit Wochen nicht vom Fleck. Mach dir keine Sorgen! Die Sache ist völlig ungefährlich.«

»Dann nimm mich doch mit!«

Darrag wurde ärgerlich. »Du weißt doch genau, daß ich dich hier in der Schmiede brauche. Außerdem muß auch jemand nach den Kindern schauen.«

»Unsere Nachbarin kann für einen Tag nach den Kleinen schauen, und deine Gesellen werden auch eine Weile ohne uns auskommen. Ich habe schon alles geregelt.«

»Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Warum muß ausgerechnet ich eine Frau haben, die glaubt, alles über meinen Kopf hinweg planen zu können?«

Misira schaute bekümmert zu Boden. Darrag taten seine harten Worte leid. Er nahm seine Frau in den Arm und drückte sie an sich. »Bitte versteh doch, daß ich dich nicht mitnehmen kann! Ich könnte nicht mehr kommandieren, vor Sorge, dir könnte etwas zustoßen. Es ist wirklich nicht gut, wenn du mitkommst.«

Misira schluckte. »Was glaubst du eigentlich, wie ich mich fühle, wenn ich auf der Mauer stehe und dir nachschaue, bis du mit deinen Rekruten zwischen den Feldern am Horizont verschwunden bist?«

Darrag drückte sie fester. »Verzeih mir, wenn ich dir solchen Kummer bereite!« Zärtlich hob er ihr Kinn mit seiner schwieligen Hand und blickte sie lange an. »Ich werde morgen wieder hier sein und dich in den Arm nehmen! Und jetzt wünsch mir Glück. Ich muß gehen. Meine Männer warten vor dem Tor.«

Noch einmal küßte er sie, dann machte er sich auf den Weg zum Tor. Darrag haßte Abschiedsszenen.

Der Schmied wischte sich den Staub aus dem Gesicht und blickte an der Marschkolonne entlang. Fast zweihundert Greifenfurter standen unter seinem Kommando: die hundert besten Schwertkämpfer aus seiner Bürgerwehreinheit, ein Haufen bunter, zerlumpter Gestalten sowie dreißig Kutscher, die alle nur erdenklichen Fuhrwerke der Stadt zusammengebracht hatten, und dreißig Bogenschützen, die er von Lysandra zugeteilt bekommen hatte. Alle Freischärler waren beritten und dienten als Kundschafter. Im Grunde galt das Land nördlich von Greifenfurt zwar als sicher, aber Darrag wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Der Schmied blickte zum Himmel. Etwas mehr als eine Stunde mochte es noch dauern, bis sie den Wald erreichten. Der staubige Feldweg, auf dem sich Karren und Fußsoldaten in der Hitze vorwärtsmühten, führte durch eine hügelige Graslandschaft. Vielleicht sollte er auf dem Rückweg einige Feldblumen pflücken, um sie Misira zu schenken. Ein Reiter kam im wilden Galopp über die Hügel geprescht. Es war Bartka, einer der gefürchtetsten Raufbolde unter den Jugendlichen der Stadt. Kurz vor dem Schmied riß er sein bebendes Pferd herum und salutierte.

»Melde gehorsamst, kein Ork so weit das Auge reicht!«

Darrag winkte ihm lässig zu. »Gut, Bartka! Dann mach dich jetzt auf den Weg nach Norden.«

Der junge Bursche blickte ihn verwundert an. »Was soll ich denn dort? Du warst doch selbst mit dabei, als Oberst von Blautann die Garnisonen von Greifenberg und Weihenhorst ausgeräuchert hat. Dort gibt es keine Orks mehr!«

»Über Befehle wird nicht diskutiert! Haben wir uns verstanden?« Einen Augenblick hielt Bartka inne, dann machte er sich auf den Weg. Darrag konnte den Jungen verstehen. Eigentlich müßte die Straße nach Norden sicher sein. Vor einigen Tagen hatte der Obrist erst mit hundert Reitern die kleinen Orkbesatzungen der Dörfer im Norden überfallen. Die Gefechte waren kurz und vernichtend gewesen. Sie hatten mehr als fünffache Übermacht angegriffen und die Orks völlig überrascht. Nachdem die Schwarzpelze abgeschlachtet waren, wurden alle Bewohner der Dörfer in die Stadt gebracht, alles Vieh von den Weiden getrieben und die Kornfelder verbrannt, damit Sharraz Garthai für seine Truppen keine Vorräte aus dem Umland Greifenfurts bekommen konnte. Nicht zuletzt wegen dieser tollkühnen Attacken unter dem Kommando des Reiterobristen hatte sich die Stimmung in der Stadt wieder erheblich gebessert.

Der Schmied beschleunigte den Schritt, um sich wieder an die Spitze der Marschkolonne zu setzen und einen geeigneten Lagerplatz zu bestimmen.

Als die Nacht hereinbrach, konnte Darrag mit seinem Tagwerk zufrieden sein. Er saß auf einem Baumstamm und nagte an dem Hühnchen, das Misira ihm eingepackt hatte. Die Wagen waren in einem Halbkreis am Waldrand aufgestellt, und die erschöpften Arbeiter hatten etliche Lagerfeuer aus den dürren Ästen entzündet, die man von den Baumstämmen abgeschlagen hatte. Lysandras Freischärler hatten im Wald einige Rehe geschossen, die sich nun an Spießen über den Lagerfeuern drehten, und irgend jemand spielte auf einer Laute alte Kriegerlieder. Den ganzen Tag über hatte Darrag ein ungutes Gefühl verfolgt. Vielleicht lag es daran, daß er zum ersten Mal eine so große Schar anführte. Auch der große schwarze Vogel, der während des Marsches immer wieder über der Kolonne seine Kreise gezogen hatte, erschien ihm als schlechtes Zeichen, doch offensichtlich waren alle Sorgen unbegründet. Nach Sonnenaufgang würden sie noch vier oder fünf Stunden arbeiten müssen, und dann wäre genug Holz geschlagen, um die Karren zu beladen.

Darrag erhob sich, um ein wenig mit dem Lautenspieler zu plaudern. Danach würde er die Nachtwachen einteilen und sich in eine Decke gehüllt unter einem Wagen zum Schlafen legen.

Der Schmied brummte vor sich hin und schritt kräftiger aus, um mit Bartka neben ihm Schritt halten zu können. Der Tag war ein einziges Desaster gewesen. Früh morgens war ein Baum zwischen eine Arbeitsgruppe gestürzt und hatte einen Mann erschlagen und fünf weitere verletzt. Zwei Karren hatten sie mit Achsbrüchen am Wegrand liegen lassen müssen, und jetzt kreiste wieder der große schwarze Vogel über der Kolonne. Immer mehr Köpfe hoben sich, um das auffällige Tier zu beobachten. Ein Jäger hatte ihm heute morgen erzählt, daß es ein Nachtwind sei. Ein Räuber mit scharfen Augen, der allerdings für gewöhnlich nur bei Dunkelheit jagte. Ihn bei Tageslicht zu sehen brachte angeblich Unglück. Darrag mußte die Soldaten von dem Unglücksvogel ablenken! »Wie wäre es mit einem Lied?« schrie er die Kolonne entlang. Zaghaft stimmten einige ein Trinklied an.

»He, heute abend könnt ihr euch einen hinter die Binde kippen, aber jetzt wird marschiert. Barde, spiel uns das Lied der Thalionmel auf!« Lustlos begann der Spielmann auf seiner Laute zu klimpern. Doch bei der dritten Strophe, hatten fast alle eingestimmt. Thalionmel, eine Heilige der Kriegsgöttin Rondra, hatte vor langer Zeit ganz allein eine Brücke gegen eine Übermacht von Wüstenreitern verteidigt. Sie galt als eine der populärsten Heldinnen im Kaiserreich. Viel hatte sie von ihrem Ruhm allerdings nicht gehabt, denn auch sie überlebte das heldenhafte Gefecht nicht.

Langsam besserte sich die Stimmung. Darrag atmete auf.