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»Bartka, nimm dir noch zwei Reiter und mach dich auf den Weg in die Hügel! Reite bis zur Straße nach Hundsgrab und halte nach den elenden Schwarzpelzen Ausschau! Und sollten euch unterwegs einige Hasen vor den Bogen laufen, gebt ihnen kein Pardon!«

»Zu Befehl, Kommandant!« Übermütig lachend wendete der Junge seinen Braunen, um zu den Kundschaftern zu reiten, die die Nachhut des Zuges bildeten. Über die Schulter rief er Darrag zu. »Ich werde mir alle Mühe geben, deine Tafel zu bereichern.« Dann gab er dem Pferd die Sporen und ritt an der Kolonne entlang.

Der kleine Ausflug würde dem Heißsporn guttun. Hier unter den Marschierenden war er mit seinem Pferd fehl am Platz. Außerdem fand Darrag auch die Aussicht auf einen Braten recht angenehm. Er trennte sich von der Kolonne und schritt ein Stück in die blühende Wiese seitlich der Straße. Ein paar Blumen würden Misira versöhnlich stimmen, wenn er heute abend nach Hause kam.

Der Schmied hatte schon einen ganzen Arm voller Blumen gepflückt, als ihn lautes Geschrei aufblicken ließ. Bartka kam den Hügel heruntergeritten. Der Junge trieb das Tier in halsbrecherischem Tempo den Hang hinunter. Dichtauf folgte ihm ein zweiter Reiter. Der dritte Mann fehlte!

Jetzt schrie er wieder. »Orks! Die Schwarzpelze kommen!«

Die Rufe wären nicht mehr nötig gewesen. Fünf Reiter auf kleinen drahtigen Pferden erschienen auf dem Hügelkamm, zügelten ihre Reittiere und musterten die Kolonne.

»Los, packt sie!« schrie Darrag und gab den berittenen Kundschaftern ein Zeichen. Lysandras Freischärler trennten sich von der Kolonne und trieben die Pferde den Hang hinauf. Inzwischen hatte Bartka fast den Schmied erreicht.

»Ruf sie zurück!« schrie der Junge. »Wir müssen hier weg!« Endlich brachte er sein Pferd neben dem Schmied zum Stehen. Völlig außer Atem keuchte er: »Das ist nur die Vorhut! - Wir müssen weg! - Da kommen über hundert Reiter! - Wenn wir hierbleiben, sind wir verloren!«

»Halt's Maul!« herrschte der Schmied ihn an. »Hast schon mal von einem Fußsoldaten gehört, der in offenem Gelände einem Reiter entkommen ist?«

Besorgt blickte sich Darrag um. Die Stelle war für einen Überraschungsangriff perfekt ausgesucht. Die Straße zog sich zwischen sanften Hügeln hindurch, so daß es schwierig würde, ein flaches Arenal zu finden, das groß genug war, aus den Holzkarren eine Wagenburg zu bauen.

»Nimm dir alle Reiter und brich nach Greifenfurt durch, Bartka. Ihr seid zu wenige, um uns in dieser Schlacht zu nutzen.«

Die Marschkolonne war mittlerweile zum Halten gekommen. Darrag blickte zur Hügelkuppe und fluchte. Die Orks waren verschwunden, und die Freischärler hatten den Gipfel des Hügels erreicht. Lauthals brüllte er: »Kommt zurück, ihr verdammten Hurensöhne!« Doch die Männer waren schon außer Rufweite.

»Bildet eine Wagenburg!« Darrag kletterte auf den Wagen neben ihm, zog sein Schwert und machte eine kreisende Bewegung in der Luft. Langsam setzten sich die Fuhrwerke wieder in Bewegung und verließen die Straße. »Schafft die Wagen auf diesen Hügelkamm! Und du Bartka, mach dich endlich auf den Weg nach Greifenfurt. Es liegt jetzt ganz allein bei dir. Bringst du uns bis heute abend den Obristen mit seinen Kürassieren, findest du hier vielleicht noch ein paar Überlebende.« Der Junge ritt davon. Einen Augenblick schaute der Schmied ihm nach. Er würde es nicht leicht haben. Darrag war sich sicher, daß die Orks Vorkehrungen getroffen hatten, um Reiter abzufangen, die versuchten, sich zur Stadt durchzuschlagen.

»Darrag, das schaffen wir unmöglich.« Der Kutscher seines Wagens hatte sich umgedreht. »Die Ochsen kommen mit den Fuhrwerken nicht den Hügel hinauf. Wenn wir alle absteigen und schieben, kriegen wir die Wagen vielleicht innerhalb einer Stunde da hinauf. Bis dahin haben uns die Schwarzpelze aber längst massakriert.«

Darrag fluchte. »Kommando zurück! Bringt die Wagen an den Fuß des Hügels. Schnell!« Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung. Kaum führte er das erste Mal Kommando, ging alles schief. Er hätte in seiner Schmiede bleiben sollen!

Ein Geräusch wie Donnergrollen brandete über die Hügel östlich der Straße. Zwei der Freischärler, die die Verfolgung der Orks aufgenommen hatten, kamen über den Hügel geprescht. Darrag winkte ihnen mit seiner Waffe und zeigte nach Süden. Die Männer hatten verstanden. Sie rissen die Pferde herum und ritten Richtung Greifenfurt. Vielleicht würde es ihnen gelingen durchzukommen.

Wieder brüllte der Schmied harsche Kommandos. Zwei weiteren Wagen waren die Achsen gebrochen, als sie von der Straße auf die Wiese gelenkt wurden. Die Holzstämme rissen sich aus der Halterung und fielen zwischen die Soldaten, die im Laufschritt auf den Hügel zuhasteten. In Panik sprangen sie auseinander. Eine Frau, die Darrag erst gestern als gute Schwertkämpferin aufgefallen war, wurde von einem der Stämme erfaßt und zerquetscht. Neben ihr lag ein schreiender Krieger, dem die Beine eingeklemmt waren. Freunde versuchten, ihn zu befreien. Vergeblich! Mittlerweile nahm die Wagenburg Konturen an. Die ersten Holzkarren standen in einer Reihe parallel zur Straße.

In diesem Augenblick verebbte das gleichmäßige Donnern. Die Orks hatten den gegenüberliegenden Hügelkamm erreicht. Eine gewaltige Reiterschar auf kleinen struppigen Pferden. Mitten unter ihnen glaubte Darrag, Sharraz Garthai zu erkennen. Während sich der Anführer der Schwarzpelze in die Steigbügel stellte und die Wagenburg musterte, schrie der Schmied weitere Befehle. Noch fünf oder sechs Wagen mußten auf die Rückseite des Karrees geführt werden, um die Verteidigungslinie zu schließen.

Sharraz Garthai hob seinen Reitersäbel und schrie einen unverständlichen Befehl in der kehligen Sprache der Orks. Darrag meinte, das Wort ›Tairach‹ gehört zu haben. Das hieß, daß die Orks keine Gefangenen machen würden. Sie wollten Rache für ihre toten Kameraden!

Wie die schwarze Sturmflut ergossen sich die Reiterscharen vom Hügel auf die Wagenburg zu. Noch immer war die hintere Verteidigungsfront nicht ganz geschlossen. Ein Wagen schien sich in der weichen Erde festgefahren zu haben. Verzweifelt hatte ein Dutzend Soldaten in die Speichen gefaßt, um den schweren Karren fortzubewegen.

Darrag sprang in Deckung. Vereinzelte Pfeile schwirrten über den Köpfen der Bürger. Die Orks hatten mittlerweile die Straße erreicht. Höchstens zwanzig Schritt trennten sie jetzt noch von den Greifenfurtern, die mit blanker Klinge hinter der hölzernen Mauer der Wagen warteten. Besorgt blickte der Schmied sich über die Schulter. Schreiend stürzte ein Kutscher vom Bock seines festgefahrenen Wagens. Ein verirrter Pfeil hatte ihn in die Brust getroffen. Verzweifelt stemmten sich die Ochsen in ihr Joch. Die Tiere waren nicht weniger in Panik als die Soldaten, die immer noch versuchten, den Wagen freizukriegen. Würde die Lücke in der Verteidigungslinie nicht geschlossen, wären sie alle verloren!

Darrag rannte quer durch das Karree. »Jeder bleibt auf seinem Posten. Denkt an das, was ihr gelernt habt! Keiner darf die Verteidigungslinie verlassen!«

Keuchend erreichte er den festgefahrenen Wagen. Hinter ihm hatten die ersten Reiter die vordere Front der Wagenburg erreicht. Lautes Kriegsgeschrei und das Klingen von Schwertern erfüllte die Luft. Auf alle Dämonen der Niederhöllen fluchend, stemmte Darrag sich mit den anderen gegen die Wagenräder. Endlich kam das schwere Fuhrwerk frei. Keinen Augenblick zu spät, denn im selben Moment, als der Wagen in die Lükke geschoben wurde, umrundeten die ersten Orks das Karree. Tobend vor Wut trieben sie ihre kleinen Ponys gegen die hölzerne Mauer. Doch die Greifenfurter kämpften mit dem Mut der Verzweiflung. Sobald ein Krieger fiel, schloß ein neuer Kämpfer die Lücke der Linie.

Die Schwachpunkte der Verteidigungslinie lagen dort, wo die Deichseln der Wagen aneinanderstießen. Die schmalen Stangen lieferten keine Deckung, denn die Ochsen waren ausgeschirrt und in der Mitte des Wagenvierecks getrieben worden. Immer wieder versuchten die Orks, an diesen Stellen durchzubrechen. Darrag stand wie ein Fels im Gefecht. Er strahlte Ruhe und Zuversicht aus, auch wenn er sich insgeheim in sein Schicksal ergeben hatte. Etliche Pfeile staken in seinem großen Schild und ließen ihn immer schwerer werden, während er mit seiner breiten Klinge auf die Reiter eindrosch.