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Dann sah Darrag zu den Orks hinüber. Obwohl einige Tote im Gras lagen, hatte er den Eindruck, daß es kaum weniger wurden. Diejenigen, die beim Angriff zurückgeblieben waren, hatten ganze Arbeit geleistet. Zwei Wagen waren aus dem zerschlagenen Karree gelöst und mit Baumstämmen beladen. Diesmal hatten die Schwarzpelze darauf verzichtet, Feuer zu legen. Schon formierten sie sich hinter den langen Deichseln, um die Wagen wie gewaltige Rammböcke durch die Verteidigungslinie der Menschen zu treiben. Die Ochsen, die nun als Hindernis zugunsten der Verteidiger hätten wirken können, flohen durch die Breschen im Karree, um sich in den umliegenden Hügeln zu verteilen. Jetzt ist es zu Ende, dachte Darrag. In Gedanken begann er ein altes Gebet zu Ingerimm, dem Gott der Schmiede. Da erklang eine vertraute Stimme neben ihm. »Laß uns diesen Weg gemeinsam gehen.«

Misira war vom Karren herabgestiegen, hielt Schwert und Schild erhoben und versuchte, tapfer und zuversichtlich drein zu blicken. Darrag war fasziniert. Diese Seite seiner Frau kannte er bis dahin kaum. Dann dachte er an ihre beiden Kinder und all die Dinge, die ihm bis jetzt so selbstverständlich erschienen waren und die sie nun nicht mehr gemeinsam erleben würden. Er mußte schlucken. Misira stieß ihr Schwert in den Boden und griff nach seiner Hand. Ich liebe dich und will ohne dich nicht leben.« Sie stockte.

»... und du sollst wissen, daß ich niemals einen Tag an deiner Seite bereut habe.«

Darrag wußte nicht, was er ihr sagen sollte. Ein dicker Kloß saß in seinem Hals. Da ertönte wieder ein Horn. Darrag blickte zu den Orks. Diesmal klang das Signal anders. Irgendwie vertraut. Unter den Schwarzpelzen herrschte Unruhe. Laute Schreie klangen von den umliegenden Hügeln. Und dann geschah das Unfaßbare. Sie wandten sich zur Flucht. Stürmten an den brennenden Wagen vorbei den Hügel hinauf und sprangen auf ihre drahtigen Ponys.

Darrag konnte noch immer nicht begreifen, was geschehen war, als erneut das Hornsignal erklang. Diesmal schon viel näher. Dann schrie jemand »Hurra!«, und immer mehr stimmten in das Siegesgeschrei mit ein. Darrag kletterte auf einen Karren. Die Orks waren schon nicht mehr zu sehen. Dafür näherte sich von Süden eine große Gruppe Reiter in schimmernden Rüstungen. Über ihnen flatterte das Banner des Kaiserreichs. Oberst von Blautann und seine Kürassiere!

Mehr als zwei Stunden hatte es gedauert, bis die unbeschädigten Wagen wieder flottgemacht waren und man die Ochsen zwischen den Hügeln eingefangen hatte. Alle, auch die Kürassiere, mußten mit anpacken, um die schweren Stämme wieder aufzuladen. Zuletzt hatte man die Verwundeten und Toten auf die Fuhrwerke gelegt und sich dann, flankiert von den Reitern, auf den Weg gemacht. Dreiundvierzig Frauen und Männer waren beim Angriff der Orks ums Leben gekommen. Weitere einundfünfzig waren so schwer verletzt, daß sie nicht mehr die Kraft hatten zu gehen. Wie viele von den dreißig berittenen Freischärlern überlebt hatten, konnte Oberst von Blautann dem Schmied nicht sagen. Jedenfalls erreichten einige der Freischärler die Stadt, und Marcian hatte umgehend den Befehl zur Rettungsaktion erteilt. »Aber, er hat mir auch verboten, die Orks zu verfolgen.« Nur mühsam konnte der junge Offizier die Wut in seiner Stimme unterdrücken. »Heute mittag haben wir schlechte Nachrichten erhalten. Ständig sind irgendwelche Späher von Lysandra unterwegs, um die Orks zu beobachten. Und bei denen tut sich zur Zeit einiges. Das Lager bei Orkenwall ist abgebrochen worden und die Schwarzpelze marschieren auf Greifenfurt zu. Eine zweite Kolonne kommt aus Richtung Hundsgrab. Es hat den Anschein, als seien dies frische Truppen, die erst in den letzten Tagen den Finsterkamm überquert haben. Angeblich mehr als fünfhundert Kämpfer und ein riesiger Troß.«

»Und was glaubt Ihr, wann sie vor der Stadt stehen?« fragte der Schmied kurzatmig.

»Wenn sie dieses Tempo beibehalten, spätestens übermorgen.«

Darrag seufzte. »Dann wird es jetzt also ernst.« Der Obrist blieb ihm eine Antwort schuldig. Der Schmied hatte kaum noch die Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Obwohl die Reiter ihm ein Pferd angeboten hatten, hatte er darauf bestanden, zu Fuß zu gehen. Er hatte die Stadt zu Fuß verlassen, und so würde er auch zurückkehren. Schließlich mußte auch die Bürgerwehr marschierend in die Stadt zurück, denn mit Toten und Verwundeten waren die Karren dermaßen überlastet, daß hier kein Fußkranker mehr Platz fand.

An seiner Seite versuchte Misira mühsam, mit ihm Schritt zu halten. Ein verirrter Pfeil hatte ihr eine tiefe Schramme am Arm beigebracht, doch sonst war sie unverletzt. Manchmal klammerte sie sich an seinen Arm und stützte sich für ein Stück des Weges auf ihn. Es war offensichtlich, daß sie mit ihren Kräften am Ende war. Doch sie hatte kein Wort der Klage verlauten lassen. Zuerst war Darrag über diese Haltung stolz, doch mittlerweile machte er sich Sorgen. Was wollte sie ihm damit beweisen?

Wieder blickte er zu seiner Frau hinüber. Sie hatte ihren Blick stur auf die Straße gerichtet und setzte wie unter einem Zauberbann einen Fuß vor den anderen. Plötzlich sackte sie vornüber. Darrag fing sie auf, und schon schlug Misira auch wieder die Augen auf. »Entschuldige, ich bin ein wenig müde. Laß mich jetzt los, es wird schon weitergehen.« »Für dich endet der Weg hier!« entgegnete Darrag mit gespielter Strenge. »Du setzt dich jetzt auf einen der Wagen!«

»Ich will hier keine Privilegien, nur weil ich deine Frau bin. Ich bin nicht schwächer als irgendein anderer.«

Misira setzte ihren Schmollmund auf. Doch diesmal blieb der Schmied hart. »Alle, die verletzt und erschöpft sind, sitzen schon längst auf einem der Wagen. Dort wirst du dich jetzt auch niederlassen!«

Misira gab den Widerstand auf. Im Grunde war sie ja froh, nicht mehr laufen zu müssen. Darrag hob sie auf einen Kutschbock, und erschöpft ließ sie sich gegen die Holzstämme sinken.

Die Kolonne war nun ungefähr eine Stunde von Greifenfurt entfernt, als es einen Tumult an der Spitze gab. Einige Reiter waren auf einem Hügel neben der Straße und diskutierten über etwas, das dort lag.

Darrag trennte sich von der Kolonne, um nachzuschauen, was los war. Müde erklomm er die Hügelkuppe und bahnte sich einen Weg. Dort lag ein grausam verstümmelter Mann im Gras. Sein Schädel war eine einzige blutverkrustete Masse. Erst auf den zweiten Blick erkannte der Schmied, wer dort lag. Bartka! Die Orks hatten ihn erwischt, gefoltert und skalpiert. Der Junge mußte furchtbare Qualen gelitten haben. Neben ihm schwelte immer noch ein kleines Feuer. Sein ganzer Körper war mit Brandmalen bedeckt.

»Was gafft ihr hier rum?« schnauzte Darrag die Reiter an. Er mußte seiner Wut Luft machen. »Macht ihn los und legt ihn zu den anderen Toten!« Der Schmied drehte sich um und ging. Als er die Marschkolonne fast schon wieder erreicht hatte, kam ihm einer der Männer hinterhergeeilt. Atemlos rief er den Namen des Schmieds. »Darrag, der Mann lebt noch. Er hat nach dir gefragt!« Verwundert hielt Darrag an. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Trotzdem kehrte er zum Hügel zurück. Bartka stöhnte leise. Einer der Reiter kniete neben ihm. »Er fragt wieder nach dir, Darrag.«

Der Schmied beugte sich über den Jungen. Mit der rechten griff er nach einer seiner verstümmelten Hände. »Ich bin bei dir. Die Orks sind fort. Du warst sehr mutig. Wir bringen dich jetzt zu deinem Vater, und dann wird alles wieder gut.« Innerlich verfluchte er sich für diese schamlose Lüge. Nichts würde jemals wieder gut werden. Sie hatten Bartka zum Krüppel gemacht.

Der Junge stöhnte. Es schien, als versuchte er etwas zu sagen. Darrag brachte sein Ohr an Bartkas Lippen. »... ist vorbei. Töte - mich!« Darrag war entsetzt. Das konnte er nicht! Bartka schlug die Augen auf. »Bitte!« murmelte er. Hilflos blickte der Schmied sich um. Hinter ihm stand der Oberst. Kalt blickte er auf den Verstümmelten hinab. »Tu ihm den Gefallen. Er wird diese Nacht nicht überleben. Du kannst ihm lange Qualen ersparen. Wenn du ihn jetzt tötest, ist das ein Akt der Barmherzigkeit.«