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Die Bordwände der Schiffe, die dem von Orks beherrschten Ufer zugewandt waren, hatten die Schwarzpelze dicht an dicht mit Pfeilen gespickt. Überall auf den Decks lagen Verwundete. Einige der Boote trugen Hornissen, leichte Geschütze, die Pfeile von der Größe eines Armbrustbolzens verschossen und eine hohe Schußfolge hatten, wenn ihr komplizierter Mechanismus gerade mal nicht blockierte. Zwerge, die von Kriegern mit fast mannshohen Holzschilden abgeschirmt wurden, standen hinter den Hornissen. Auf dem vordersten Flußschiff waren auch einige Männer in langen, altertümlichen, weißen Roben auszumachen. Ihrem ganzen Erscheinungsbild nach mußten es Magier sein, hatten sich bislang zurückgehalten. Auch ihnen standen Krieger mit großen Holzschilden zur Seite.

Inzwischen waren im Hafen der Stadt alle verfügbaren Boote und Flöße bemannt worden. Die besten Schwertkämpfer aus allen Einheiten warteten auf das Signal zum Aufbruch. Geführt wurden sie von Gernot Brohm, Darrag und Zerwas. Keiner der Offiziere hatte dem anderen den Ruhm überlassen wollen, dieses Todeskommando allein überstanden zu haben. So hatte Marcian sie schließlich alle drei losgeschickt. Das vorderste Boot, dicht vor der Ausfahrt des Hafens, war mit Lancorian und der Auelfe Nyrilla Mondauge besetzt. Sie hatten eine dünne hölzerne Schutzwand in den Bug des Ruderbootes stellen lassen und kauerten nun hinter dieser spärlichen Deckung.

Marcian beobachtete angespannt den Hafen. Sobald das erste Boot durch die schmale Ausfahrt auf den Fluß unter der Mauer kam, sollten alle Bogner und Geschütze das Feuer auf die Orks am anderen Flußufer eröffnen. Ein scharfes Knallen gefolgt vom Geräusch splitternden Holzes ließ ihn zu den Schiffen blicken. Die Ballistas der Orks hatten das Feuer eröffnet. Über hölzerne Laufschienen verschossen sie Steinkugeln, die dicht über der Wasseroberfläche auf die Schiffe zuflogen. Eines der Geschosse hatte ein gezacktes Loch in die Reling des vordersten Flußschiffes gerissen. Zwei Soldatinnen lagen an Deck. Ein schriller Pfiff lenkte die Aufmerksamkeit des Inquisitors wieder auf den Hafen. Er zog sein Schwert aus der Scheide und hob den Arm hoch über den Kopf, so daß jeder entlang der Mauer es sehen konnte. Dann ließ er die Waffe sinken. Im selben Augenblick ertönte ein Sirren wie von Hunderten wütender Hornissen. Lysandras Bogenschützen hatten das Feuer eröffnet. Die Amazone in ihrer strahlenden Rüstung stand mitten unter ihnen. Auch die Geschützmannschaften unter dem Kommando von Yonsus begannen ihr tödliches Handwerk.

Auf dem anderen Flußufer war das Geschrei der Unterführer der Orks zu hören. Marcian konnte beobachten, wie kleine Fontänen aus Staub und Erde aufstiegen, wo die Geschosse von den Artilleristen der Stadt einschlugen. Doch auf die kurze Distanz gab es nur wenige Fehlschüsse. Die Treffer zerfetzten die Rietwände, als seien sie nicht mehr als Spielzeug aus dünnem Pergament.

Besorgt blickte Marcian zu den Schiffen. Obwohl die Orks unter schwerem Feuer lagen, hielten sie sich an ihre Order. Noch immer wurden die Flußschiffe von einem wahren Hagel aus Steinen und Pfeilen überschüttet. Marcian konnte beobachten, wie die Magier, gefolgt von ihren Schildträgern in der Deckung der Reling zum Bug krochen. Dann wurden die großen Schutzschilde aufgerichtet und mit der Bordwand verhakt. Todesmutig stellten sich die Zauberer hinter der unsicheren Deckung auf. Ein Felsbrocken der Orks traf eine der Wände am oberen Ende und überschüttete die Männer dahinter mit einem Regen von Holzsplittern. Wie dumpfe Donnerschläge konnte man die Treffer an den Schiffsrümpfen hören. Davon ungerührt legten die Magier nun gleichzeitig, wie auf ein stummes Kommando, jeweils ihre rechte Hand an die Schulter. Was dann geschah, konnte Marcian nicht genau erkennen, doch Augenblicke später zischten fünf Flammensäulen über das Wasser und vernichteten die vorderen Geschütze am Ufer in einem tobenden Feuersturm. Auch einige der Schwarzpelze waren von den Flammen erfaßt worden. Schreiend wälzten sie sich am Ufer. Andere sprangen in den Fluß.

Während er noch die Verwüstung beobachtete, zogen Nebelschwaden von Norden über das Wasser. Der Inquisitor blickte flußaufwärts. Der Nebel begann unmittelbar vor dem Boot Lancorians. Langsam wurde der Dunst immer dichter und zog wie ein schützender Schirm unmittelbar am Ufer der Gegner entlang und behinderte ihre Sicht. Mittlerweile hatte auch das letzte der Ruderboote den Hafen verlassen. Während man von den etliche Schritt hohen Mauern der Stadt immer noch gut über den Nebel in das Lager der Feinde schauen konnte, war den Orks nun fast völlig die Sicht auf den Fluß genommen. Marcian hörte mit Genugtuung die verwirrten Schreie der Unterführer, die versuchten, eine Panik unter den Schwarzpelzen zu verhindern. Dann ertönte der Ruf: »Für Sartassa!« am anderen Ufer. Die, ersten Boote hatten die Stellungen der Orks erreicht. Das helle Klingen von Schwertern klang durch den Nebel.

Zerwas lächelte grimmig, als er rings um sich seine Kämpfer Sartassas Namen rufen hörte. Offiziell war sie bei einem Wachgang auf der Ostmauer verschwunden. Das Opfer irgendeines bösen Zaubers der OrkSchamanen. So hatten die Offiziere beschlossen, als das spurlose Verschwinden der Halbelfe ruchbar wurde. Marcian hatte ihn an diesem Abend finster angeblickt. Er wußte besser, was mit Sartassa geschehen war und daß sie in dieser Nacht keinen Fuß auf die Nordmauer gesetzt hatte. Dennoch war er es, der die offizielle Lüge über ihr Verschwinden erfand. Und nun nahmen die Bürgerwehren in Sartassas Namen Rache an den Orks. Welch göttliche Ironie!

Mit Bedacht zog der Vampir ›Seulaslintan‹ aus der langen Scheide auf seinem Rücken und umklammerte den lederumwundenen Griff des Zauberschwertes mit beiden Händen. Dann schritt er die Böschung hinauf. Noch immer hüllten Nebelschwaden das Ufer ein. Wie aus dem Nichts tauchte ein Ork vor ihm auf. Mit einem Schrei versuchte er, dem Vampir sein Schwert in den Bauch zu rammen, doch Zerwas wich elegant aus, ließ sein schwarzes Schwert einmal über dem Kopf kreisen und rammte es dem Ork in die Seite. Wie vom Blitz getroffen stürzte der Ork zu Boden und begann, sich schreiend zu winden, während die Waffe ihm das kleine Fünkchen Unsterblichkeit aus dem Körper sog und seine Existenz auf immer beendete.

Dann stürmte der Vampir weiter. Er mußte zu seinen Leuten aufschließen. Er hatte sie zwar wochenlang gedrillt, doch sie hatten noch nie in einem wirklichen Kampf gestanden. Mit einem großen Schritt stieg er über eine Leiche. Ein Tuchmacher, der sich schon mit dem Holzschwert nicht sonderlich gut gehalten hatte. Vor sich hörte Zerwas ein Stöhnen. Dort lag an einen erdgefüllten Weidenkorb gelehnt Amber, eine arrogante Patrizierin, die er noch nie hatte leiden sehen. Krampfhaft preßte sie sich die Hände auf die Brust in dem vergeblichen Versuch, die Blutung einer klaffenden Wunde zu stillen.

»Hilf mir!« bat sie Zerwas mit erstickender Stimme. Der Vampir blickte sich um. Nebel umgab sie. Er leckte sich über die Lippen. Doch ein Brennen in den Handflächen erinnerte ihn daran, daß dies der Tag seines Schwertes sein sollte. Mit einer fließenden Bewegung stieß er Amber die schwarze Klinge in die Brust. Schreiend bäumte sich die Patrizierin noch einmal auf, die Augen in fassungslosem Entsetzen auf Zerwas gerichtet. Dann sank sie zurück. Noch einmal blickte er sich um und dankte Boron stumm für den Nebel. Niemand konnte ihn gesehen haben.

Vor ihm wurde der Kampflärm immer lauter. Mit einem einzigen Schritt ließ er den magischen Nebel hinter sich und stand wieder im grellen Sonnenlicht des Praiosnachmittags. Rund um ihn tobte der Kampf, und es geschah genau das, was Zerwas befürchtet hatte. Nachdem die Orks sich vom ersten Schrecken erholt hatten, formierten sie sich zum Gegenangriff.