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Zerwas musterte die Elfe. Er versuchte, ihre Gedanken zu durchforschen, doch sie schirmte sich vor ihm ab. Der Vampir zog sich aus ihrem Geist zurück.

»Vergiß nicht, was du mir versprochen hast«, war sein letzter Gedanke. Die Elfe blickte ihn an. »Mit Sicherheit nicht!« Sie lächelte zweideutig und entblößte dabei ihre Reißzähne.

Beide stellten sich gegenüber in die Mitte des Turmdachs und umklammerten jeweils mit der rechten Hand den Griff von ›Seulaslintan‹. Zerwas konzentrierte sich auf die bösen Kräfte der Waffe. Mit ihrer Hilfe würde er Sartassa zu ihrem Dämonenleib verhelfen. Es galt, die dunkle Seite der Elfe zu einer fleischlichen Gestalt werden zu lassen. Sartassa stöhnte auf. Die Verwandlung war schmerzhaft. Zerwas blinzelte sie an, sah, wie sich ihre Haut dunkler verfärbte und ein großer Höcker aus ihren Schultern wuchs. Mit der Linken griff er nach der Hand der Elfe, die das Schwert umklammerte. Sie durfte jetzt nicht loslassen. Immer weiter wuchs der Buckel. Sie beugte sich nach vorne, wand sich unter Schmerzen. Dann zerriß die Haut, und zwei große Fledermausflügel entfalteten sich. Füße und Hände der Elfe waren zu tödlichen Krallen geworden, doch sonst hatte sie ihre Gestalt in stärkerem Maße beibehalten als Zerwas. Ihre Haut war nun von nachtdunklem Blau. So wie das Böse, das jeder in sich trug, von Mensch zu Mensch verschieden war, so variierten auch die Körper, die entstanden, wenn die dämonische Seite der Seele entfesselt wurde. Sartassa bewegte ihre Flügel ungeduldig im Nachtwind.

»Laß uns fliegen!« Der Gedanke traf Zerwas mit fast schmerzhafter Intensität. Die Elfe war eine begabtere Telepathin als er. Vielleicht, weil sie schon von Geburt an magische Kräfte in sich trug.

Mit kräftigem Stoß hoben die beiden vom Turm ab. Sartassa hielt eine blitzende Klinge in ihrer Hand. Das Schwert des toten Jünglings. In einem weiten Bogen flogen sie auf das Hauptlager der Orks zu. Tief unter sich hörten sie Kampflärm. Die Kavallerie war im Begriff, die Orks in der Stellung vor dem Südtor niederzumachen. Es sah so aus, als wären die Schwarzpelze im Schlaf überrascht worden. Die meisten trugen keine Rüstungen und wurden von den kampferprobten Männern Oberst von Blautanns niedergemetzelt.

Mit wenigen kräftigen Flügelschlägen hatten sie das Hauptlager der Orks erreicht. Dort schien noch alles ruhig zu sein. Matt leuchteten verlöschende Lagerfeuer zwischen den Zelten, und nur wenige Wachen waren zu sehen. Die meisten Schwarzpelze schliefen auf einfachen Strohlagern unter freiem Himmel. Im Westen des Lagers, parallel zur Stadtmauer, standen in einer langen Reihe mehr als zehn Katapulte. »Wo wollen wir zuschlagen?« ging es Zerwas durch den Kopf. Er blickte über die Schulter. Sartassa flog kurz hinter ihm und hatte telepathisch mit ihm Kontakt aufgenommen.

»Am besten im Norden. Dort werden die Reiter zuletzt ankommen, wenn sie überhaupt so weit kommen.«

Langsam glitten die beiden Schatten am Himmel tiefer, um lautlos neben dem am weitesten im Norden stehenden Geschütz zu landen. Nur wenige Schritte vom Katapult entfernt lag seine Bedienungsmannschaft im hohen Gras. Keine Wache war zu sehen. Die Orks fühlten sich vollkommen sicher.

»Schneid ihnen die Kehlen durch. Und keine Spielchen! Wir wollen so viele töten, wie wir können.« Statt einer Antwort nickte die Elfe nur kurz. Ihre Flügel zitterten unruhig.

Zerwas hatte Sartassas Mordlust gespürt, als er kurz in ihren Geist eingedrungen war. Ihr Trieb, zu zerstören und zu töten, überlagerte alle anderen Gedanken. Er machte sich Sorgen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, die Elfe mitzunehmen. Sie hatte sich hinter einen dicken Ork gekauert, der friedlich auf der Seite liegend schlief. Wovon Orks wohl träumten? Zerwas drang in seine Gedanken ein und sah eine große Karrenherde über eine weite Steppenlandschaft ziehen. Im hohen Gras verborgen lagen einige Jäger. Eine Stimme gab ein Kommando. Die Jäger fächerten aus und schlichen in einem Halbkreis näher an die Herde heran. Eines der Leittiere hob aufmerksam den Kopf, blähte die Nüstern und blickte in Richtung der Orks.

Plötzlich durchschoß ein greller Lichtblitz die Szene. Zerwas spürte einen kurzen Schmerz und dann bleierne Müdigkeit. Schnell zog er sich aus dem Geist des Orks zurück. Sartassa hatte dem Krieger die Kehle durchschnitten. Sie kauerte noch immer hinter ihm. Blut schoß in kleinen Fontänen aus der tödlichen Wunde und bespritzte Sartassa. Als sie merkte, daß Zerwas sie beobachtete, hob sie ihr Schwert an die Lippen und leckte in obszöner Geste über die blutige Klinge.

Der Vampir wandte sich ab und zog seine Waffe. ›Seulaslintan‹ lag vibrierend in seiner Hand. Er würde sich um keinen der Träume der schlafenden Männer mehr scheren. Er war hier, um zu töten.

Sartassa schien in eine Art Blutrausch verfallen zu sein. Als er wieder zu ihr hinüberschaute, sah er, wie sie einem der toten Orks ihre Krallenhände tief in die Brust trieb, ihn regelrecht zerfetzte und sein Blut trank. Dann gellten Alarmrufe vom anderen Ende des Lagers. Die Reiter griffen an, und rings um sie erwachten die Orks aus dem Schlaf. Zunächst waren sie noch zu verwirrt, um zu begreifen, was geschah. Zerwas versuchte in den Geist der Elfe einzudringen. Es war an der Zeit, sich zurückzuziehen. Doch vergebens! Der Wunsch zu töten, war so mächtig in ihr, daß seine Stimme ungehört verhallte.

Noch war Gelegenheit zur Flucht. Die meisten Orks, die die beiden Dämonen sahen, suchten schreiend das Weite. Doch schon faßten die ersten Mut und traten ihnen in den Weg. Die Schwarzpelze waren Jäger und Krieger. Nach ihrem Ehrenkodex war es schlimmer, als Feigling zu leben, als in einem aussichtlosen Kampf zu sterben. Zerwas tastete nach dem Geist der Krieger, die ihn umgaben. Er spürte den inneren Kampf zwischen dem nackten Entsetzen und Ehrgefühl. Der Vampir gab sich Mühe, ihre Zweifel zu stärken. Flüsterte ihnen zu, daß von denen, die sich zum Kampf stellten, keiner überleben würde, um von der Feigheit derer, die fortliefen, zu berichten. Es wirkte: Wieder rannten etliche Orks in die weite Graslandschaft hinaus, um sichere Verstecke zu suchen.

Zerwas stürzte sich auf einen einzelnen Krieger, der sich zögernd zum Kampf stellte. Er trieb ihm wütend die Klinge durch den Hals und setzte einigen Flüchtenden nach. Doch es waren zu viele. Ihre schiere Masse machte ihnen Mut. Immer mehr griffen nach ihren Waffen, um sich zum Kampf zu stellen. Aus den Augenwinkeln konnte Zerwas sehen, wie Sartassa von zwei Pfeilen in den Rücken getroffen wurde. Im Zorn rasend fuhr sie herum, setzte mit einem Flügelschlag über einige Körper hinweg und riß dem Bogenschützen mit ihren tödlichen Krallen die Kehle heraus. Wütend schleuderte sie seinen Körper beiseite und stieß einen unirdischen Schrei aus, brüllte Haß und Schmerz in die Nacht hinaus. Erneut wichen die Orks zurück.