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Wieder gingen Pfeile auf sie nieder. Misira riß ihren Schild hoch und wendete das Pferd. Drei Pfeile fing sie mit dem Schild ab. Ein vierter zog ihr eine tiefe Schramme über die Wange. Zerwas stöhnte auf. Ein Geschoß hatte sich in seinen Oberschenkel gebohrt. Wütend zerrte er an dem gefiederten Schaft. »Treib dein Pferd auf die Schanzen zu. Wir müssen in gerader Linie auf die Stadt zureiten. Die anderen holen wir sowieso nicht mehr ein.« Die Frau des Schmieds gab dem Braunen die Sporen. Darrag und der letzte seiner Männer folgten ihnen.

In gestrecktem Galopp jagten die drei Pferde auf die Schanze, einen niedrigen Erdwall, zu. Hatten sie diese letzte Verteidigungslinie überquert, wären sie gerettet. Misira sah als erste das Funkeln von Speerspitzen hinter dem Wall. »Für Ingerimm!« hörte der Vampir den Schmied brüllen, der mit seinem unverletzten Arm in weiten Kreisen seinen Hammer über den Kopf schwang. Misira murmelte leise ein Gebet. Dann erreichten sie den Erdwall. Ein halbes Dutzend Orks versuchte, sie aufzuhalten. Misira riß im letzten Moment ihr Pferd herum, wechselte die Richtung kurz vor dem Sprung und entging so zwei Speeren, die gegen den Pferdeleib gerichtet waren. Zerwas hörte einen scharfen metallischen Klang und das Geräusch von splitterndem Holz. Er hieb mit dem Schwert nach einem Ork, der plötzlich neben dem Pferd auftauchte. Dann blickte er nach hinten. Der verwundete Schmied hatte den Sprung über den Wall geschafft. Doch der andere Reiter war von den Orks niedergemacht worden.

»Gerettet«, schrie Darrag. »Nichts wie zurück!«

Zerwas spürte, wie ihm warmes Blut über den Arm floß, mit dem er Misiras Hüfte umklammerte.

»Was ist los mit dir? Wo hat es dich erwischt?«

»Das spielt keine Rolle mehr«, mühsam preßte Misira die Worte heraus. »Zerwas, gib mir ein Versprechen! ... Paß auf ... meinen Mann auf ... Du bist der beste Schwertkämpfer, den ich je gesehen habe ... Achte auf Darrag ... Er paßt oft ... nicht ... recht ... auf sich ... auf ...« Misira sank in die Arme des Vampirs. Zerwas mußte mit sich kämpfen. Der Geruch des warmen Blutes, das Haar, das der Wind in sein Gesicht wehte ... In ihm stieg das Verlangen auf, seine Zähne in ihren weichen Nacken zu graben. So konnte er sie vielleicht sogar retten. Aber er würde Darrag damit letzten Endes keinen Gefallen tun. Der Schmied hatte sein Pferd näher zu ihnen herübergetrieben.

»Gut, daß du zum Aufbruch geblasen hast, das war knapp.« Darrag ritt nun unmittelbar neben ihnen.

Misira hob mit letzter Kraft den Kopf. Sie wollte nicht, daß ihr Mann etwas merkte, bevor sie die schützenden Stadtmauern erreichten. Wenn sie nicht weiterritten, konnten sie hier immer noch von Verfolgern eingeholt werden. »Stimmt, das war knapp«, erwiderte sie matt.

»Zu Hause werden wir erst einmal feiern. Jedesmal wenn ich aus der Schlacht zurückkomme, fühle ich mich wie neugeboren. Selbst wenn ich dabei einen Pfeil in der Schulter habe.«

Zerwas konnte spüren, wie Misira am ganzen Leib zitterte. Noch immer blutete ihre Wunde. Vorsichtig löste er seine Hand von ihrer Hüfte und tastete sich höher. Darrag sollte nicht sehen, was mit ihr los war. Dicht unter ihrer rechten Brust ertastete er einen gezackten Schaft eines abgebrochenen Speers. Zerwas ließ seinen Arm hochgleiten, so daß er den Schaft verdeckte. »Danke«, flüsterte Misira leise. »Wenn ich nicht bis zur Stadt durchhalte, spiel ihm was vor ... Lenk ihn ab ... Ich will ... daß er in Sicherheit kommt.«

»Na, was turtelt ihr beiden denn da. Würde ich dich nicht so gut kennen, Zerwas, würde ich mit Sicherheit eifersüchtig.«

»Weißt du, daß ich dich liebe?« Misira hatte ihre letzte Kraft für diese Worte zusammengenommen.

»Natürlich weiß ich das, aber jetzt ist keine Zeit für romantisches Getue. Wir müssen schauen, daß wir die Stadt erreichen.« Der Schmied gab seinem Pferd die Sporen und preschte auf Greifenfurt zu.

Vor ihnen tauchte der dunkle Schatten der Stadtmauer auf. Sie waren in einem weiten Bogen geritten und hatten nur noch zwei Dutzend Pferdelängen bis zum Südtor vor sich. Fackelschein erleuchtete das von Türmen flankierte Tor. Marcian, von Blautann und Lysandra deckten die Rückkehr der letzten versprengten Krieger.

Noch bevor sie das Tor erreichten, sank Misira der Kopf auf die Brust. Ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper, dann lag sie still in Zerwas' Arm. Ihre Wunde hatte aufgehört zu bluten. Sie passierten das Tor. Während Darrag mit den anderen Offizieren scherzte und berichtete, wie sie den Orks entkommen waren, hielt sich der Vampir im Schatten. Er wollte nicht, daß hier schon auffiel, was geschehen war, sondern wollte allein mit dem Schmied reden. Mit den Schenkeln lenkte er das Pferd durchs Tor und in den Eingang einer angrenzenden Gasse. Die anderen Reiter machten sich auf den Weg zur Garnison. Geduldig wartete er, bis der Schmied an ihm vorbeikam und rief ihn aus dem Schatten der Gasse an.

»Hier steckt ihr beiden also. Ich hab' schon überall nach euch gesucht.« - Darrag hielt inne. »Was ist mit dir los, Misira?« Der Schmied lenkte sein Pferd zu ihnen herüber, und Zerwas wich zurück, so daß man sie von der Haupt-Straße nicht mehr sehen konnte. »Warum antwortest du nicht? Was soll das Spielchen?«

Zerwas leckte sich über die Lippen. Sein Mund war wie ausgedörrt. Er wußte nicht, wie er Darrag erklären sollte, was passiert war. »Weißt du, daß du eine sehr tapfere Frau hast, Darrag? Wenn sie uns am Katapult mit den anderen nicht gedeckt hätte, würden wir zwei jetzt nicht hier stehen.«

Darrag lachte. »Natürlich ist Misira mutig, aber was soll das Gerede. Laß uns hier verschwinden und unseren Sieg feiern. Was hältst du eigentlich von dem dummen Gewäsch, daß unser Henker hier von sich gibt?« Der Schmied blickte zu seiner Frau.

Zerwas schluckte. Für einen Moment war nur das Schnauben der Pferde in der engen Gasse zu hören. Darrag rutschte nervös auf seinem Sattel hin und her. Dann stieg er ab und griff nach den Zügeln, die Misira auch im Tod noch umklammerte. Er legte den Kopf schief und blickte sie an. »Misira, was ist mit dir?«

Unruhig tänzelte das Pferd auf der Stelle. Dadurch glitt einer von Misiras Armen leblos an ihrem Körper entlang. Darrag griff danach. Dann sah er die dunklen Flecken auf ihrem Küraß. Er zog ihr den Handschuh ab, drückte ihre kalten Finger und murmelte wieder. »Was ist mit dir? Du mußt zu einem Heiler, du bist verletzt.«

»Darrag, du bist ein tapferer Mann ...«, setzte Zerwas an. »Du wirst jetzt mehr Mut und Stärke brauchen als in der Schlacht. Deshalb sind wir in der Gasse, wo wir beide allein sind.«

»Laß meine Frau los, Henker! Siehst du nicht, daß sie dringend die Hilfe eines Medicus braucht.« Zerwas ließ los; Misira rutschte vom Pferd und fiel dem Schmied in die Arme.

»Sie braucht jetzt keinen Heiler und keinen Medicus mehr. Sie ist zu den Göttern gegangen.« Die Stimme des Vampirs war tonlos.

»Nein, sie wird leben!«

Zerwas stieg vom Pferd. »Sei kein Narr, Darrag. Sie ist tot.« Er legte dem Schmied die Hand auf die Schulter.

»Aber ich habe doch eben noch mit ihr gesprochen.« Darrag schluchzte und blickte in Misiras leblose Augen. »Wann ...«

»Die letzten Worte, die sie in dieser Welt an dich gerichtet hat, sprachen von Liebe. Vergiß das nie!«

Tränen liefen dem Schmied über die Wangen. »Wer war das? - Wie ist das passiert?« stammelte er fassungslos.

»Als wir über die Schanze geritten sind, hat sie das Pferd beiseite gerissen, um den Speeren der Orks auszuweichen und uns beide gerettet. Dabei muß sie verwundet worden sein. Ich habe es selbst erst bemerkt, als wir die Schanze schon ein ganzes Stück hinter uns gelassen hatten.« »Du sagst, daß der Hund, der meine Frau getötet hat, noch lebt?« Darrag bebte vor Wut. »Dem werde ich die Haut abziehen! Du wirst ihn bis ins Totenreich schreien hören.«