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»Goodbye, Erde?« fragte Danny.

Lloyd nickte ernst. »Sie verstehen also, weshalb wir ihn erwischen müssen. Können wir Petra jetzt fragen, wie geduldig der Erzengel voraussichtlich sein wird?«

»Der Erzengel sagt, er sei auf die Erde gekommen, um die Konferenz vor Manovitch zu beschützen.«

»Rock ‘n’ Roll«, sagte Dave sarkastisch. »Aber das ist immer noch kein Beweis dafür, daß Sie mit ihm in Verbindung stehen. Sie könnten ein Dämon sein, nach allem, was wir wissen. Schön genug sind Sie ja. Ich vermute, es gibt auch weibliche Dämonen, stimmt’s, Bruder Tuck? Man nennt sie Sukkubi, oder?«

»Treib es nicht zu weit, Dave«, sagte Danny. »Ich weiß, daß du wegen der Sache zwischen mir und Petra sauer bist.«

»Sauer«, brummte Dave. »Weshalb sollte ich sauer sein? Ich versuche nur, dich zu schützen, du Idiot. Wir wissen nicht das geringste über diese Frau«, er schaute Petra ins Gesicht, »außer dem, was man uns gesagt hat. Ich bin skeptisch; und ich möchte einen Beweis dafür sehen, wer oder was sie ist, bevor wir weitermachen.«

»Und was meinen die anderen dazu?« fragte Lloyd. Dann wandte er sich an Petra: »Verzeihen Sie mir, meine Liebe, aber wir müssen diesen Punkt klären.«

»Natürlich«, erwiderte sie mit unbewegtem Gesicht.

»Ich schließe mich dem Lieutenant an«, sagte Stan Gates ruhig. »Ich bin altmodisch. Ich brauche einen kleinen Beweis.«

Rajeb Patel nickte, um zu zeigen, daß er der gleichen Meinung war.

»Nun, Sie werden Ihren Beweis nicht bekommen, Lieutenant«, sagte Petra, »weil ich vor niemandem einen Nachweis erbringen muß, am allerwenigsten vor Ihnen. Sie müssen mir glauben wie alle anderen. Das war’s.« Sie erhob sich und verließ das Zimmer.

KAPITEL ZWÖLF

Ein Mann stand auf der Westminster Bridge und starrte auf die Themse hinab. Er fiel nicht besonders auf: ein grau aussehender Mann in einem grauen Anzug. Der Anzug war zerknittert, ebenso wie der Kragen seines krawattenlosen Hemdes. Seine ganze Gestalt strahlte Verzweiflung aus: eine chronische Depression hatte ihn an den Rand eines wäßrigen Todes geführt, und er war dabei, diesen Rand zu überschreiten. Ein kalter, grauer Morgen ist für einen verbitterten, grauen Mann genau die richtige Zeit, um Selbstmord zu begehen: er schenkt ihm den Mut, den er braucht, um sein elendes Leben zu beenden.

Seiner Meinung nach hatte ihn die Stadt nicht sehr fair behandelt. Londons Majestät bewegte ihn nicht, seine schlafenden Häuser rührten ihn nicht. Das großes Herz der Stadt ruhte, und Walters fühllose Seele konnte an ihm vorübergehen, ohne es eines zweiten Blickes zu würdigen. Nur der süßwillige, träge dahingleitende Fluß interessierte ihn.

Walter Rainforth seufzte und dachte an sein Geschäft; wie es anfangs floriert hatte, und wie der Umsatz in den Neunzigern zurückgegangen war, bis es tief, sehr tief in die roten Zahlen geraten und reif für die Konkursverwalter war, und er, Walter, am Ende ein Bankrotteur. Walter war ein stolzer Mann. Sein Vater hatte ihm einst gesagt, daß er es zu nichts bringen würde, und jetzt war der Fluch wahr geworden. Walter haßte seinen Vater dafür, daß er recht behalten hatte, war aber froh, daß der alte Mann tot und nicht Zeuge der letzten Demütigung seines Sohnes war. Walter fragte sich, ob der alte Bastard ihn auf der anderen Seite lachend erwartete. Eine wirklich deprimierende Vorstellung.

Er kletterte auf das Brückengeländer und setzte sich auf den Rand. Walters Frau würde, da es sich um Selbstmord handelte, kein Geld von der Lebensversicherung bekommen. Aber das war ihm egal, denn er liebte seine Frau nicht sehr. Sie hatte ihn vor fünf Jahren wegen eines Metzgers verlassen. Als sie ihn verließ, hatte er zwar geweint, aber sein Testament nicht geändert. Sie war seine einzige Hinterbliebene. Sonst gab es niemanden, dem er seine Schulden hinterlassen konnte, abgesehen von einem Tierheim. Aber Walter haßte Tiere noch mehr als seine Frau. Walter haßte eigentlich alle Geschöpfe, die über diese egoistische und grausame Erde wandelten – einschließlich seiner selbst.

»Hallo, Sie da!«

Walter drehte sich um und sah einen Polizeiwagen auf der anderen Straßenseite, der langsam an ihm vorbeifuhr. Ein Constable beugte sich aus dem Fenster und winkte ihm zu. »Vorsicht, Kumpel«, rief er. »Oder wollen Sie ins Wasser fallen?«

»Ja«, antwortete Walter.

Der Polizeiwagen stoppte.

»Lebensmüde, oder was?« schrie der Polizist. »Seien Sie vernünftig. So schlimm kann es doch nicht sein.«

»Doch«, sagte Walter. »Schlimmer.«

Der Polizist stieg aus dem Wagen und überquerte die Straße.

»Wenn Sie näher kommen, springe ich«, drohte Walter.

Der Constable blieb stehen, ging wieder zum Wagen zurück und sagte etwas zum Fahrer, der ein Mikrofon nahm und hineinsprach. Walter wüßte, daß er Unterstützung anforderte. Er rutschte nach vorn und glitt langsam auf die Lücke zwischen der Brücke und dem Strom zu.

Er wäre gesprungen, wenn sich in diesem Augenblick nicht gerade die Sonne gezeigt hätte; doch der Sonnenaufgang war so schön, daß Walter auf seinem Weg nach unten innehielt. Er klammerte sich an die Betonbrüstung und starrte die Sonne an. Es war schon lange her, seit er das letztemal gesehen hatte, wie die riesige rote Scheibe am Horizont auftauchte und ihre Strahlen über die erwachende Welt schickte. Ihr Licht strich über Wolken und Dächer. Selbst die Kuppel des Erzengels sah rosig aus.

»Roter Himmel am Morgen, keine Sorgen«, murmelte Walter. »Nun, die werde ich auch nicht haben«, fügte er mit einer gewissen bitteren Befriedigung hinzu.

Er starrte auf den Fluß hinab, der jetzt scharlachrot leuchtete.

»Alles in Ordnung?« fragte der Polizist. »Stellen Sie nichts Verrücktes an.«

Unter Walter bewegte sich ein Lastkahn voller Gasflaschen flußaufwärts. Walter zuckte zurück. Wenn er jetzt gesprungen wäre, hätte er sich an diesen Metallflaschen den Rücken gebrochen und damit seine bereits schlimme Lage noch verschlimmert. Er wollte sterben, nicht mit einem gebrochenen Rückgrat im Krankenhaus liegen.

Der Kahnführer schaute mit einem verwunderten Blick aufs Wasser. Trotz seiner Lage war Walter neugierig. Der Fluß war sein Ziel, und wenn er jemanden verwirrte, wollte er wissen, weshalb.

»Was ist los?« rief Walter.

Der Kahnführer schaute hoch und schrie: »Der ganze Fluß ist rot.«

»Das ist die Sonne«, erklärte Walter.

»Nein«, erwiderte der Kahnführer, »es ist das Wasser – es ist dick und klebrig. Riecht so süß, daß einem schlecht werden kann. Es ist Blut. Ich schwöre, es ist Blut. Was machen Sie eigentlich da oben? Passen Sie auf, Kumpel, sonst fallen Sie noch runter.«

Blut? Walter klammerte sich an die Brückenbrüstung. Jetzt konnte er das Blut ebenfalls riechen. Jemand muß in der Nähe von Marlow oder weiter auf dem Land Vieh oder etwas anderes geschlachtet haben. Ekelhaft.

»Helfen Sie mir«, rief er dem Polizisten zu. »Helfen Sie mir, ich rutsche.«

Der Polizist, der bereits auf dem Weg zu ihm gewesen war, rannte über die Straße. Er erwischte Walters Jacke gerade in dem Augenblick, als sein Hintern von der Brücke rutschte. Walter schrie. Der Polizist hielt den Saum seiner Jacke umklammert.

Walter hing über der trägen, blutigen Themse, die Arme über den Kopf gestreckt. Der Polizist stand über das Brückengeländer gebeugt und hielt Walters Jacke fest. Walter glitt langsam aus der Jacke, wobei die Ärmel nach innen gekehrt wurden.

»Helfen Sie mir!« kreischte Walter. »Ich will nicht so sterben!«

Der Kahnführer stand am Heck und starrte interessiert hoch, dann verschwand er unter der Brücke.

Der Polizist versuchte, Walter hochzuziehen, aber dessen Arme glitten immer weiter aus den Ärmeln, bis er fast draußen war; seine Finger klammerten sich verzweifelt an den letzten, ihm verbliebenen Stoffrest. Er versuchte, sich mit den Schuhen an der Brückenmauer abzustützen; doch gerade, als seine Füßen einen Vorsprung gefunden hatten, hörte er, wie die Ärmelnähte rissen, und ihm fiel ein, daß er dazu übergegangen war, sich an den Marktständen billige Sachen zu kaufen, nachdem das Geschäft nicht mehr so gut lief.