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Der Priester ging nach unten, wo er feststellte, daß seine Tochter vor dem Fernseher saß, anstatt ihre Aufgaben zu machen.

»Hast du deine Hausaufgaben schon fertig?« fragte er.

»Eine Minute. Ich wollte mir nur noch das hier ansehen.«

Es war eine Seifenoper. Alle Kinder schienen sich Seifenopern anzuschauen. Der Priester seufzte. »Gut, sobald es vorbei ist, möchte ich, daß du den Fernseher ausschaltest und deine Hausaufgaben machst, Sam – hast du verstanden?«

»Ja, Dad«, sagte sie, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen.

Skip, der Familienhund, ein Golden Retriever, lag zu Füßen des Mädchens, und ließ zu, daß sie geistesabwesend mit seinem Ohr spielte. Ab und zu strich sie ihm übers Fell. Er schaute Samantha mit seinen feuchten braunen Augen an, wann immer es ihm passend erschien.

Als die Sendung vorüber war, schaltete Samantha gehorsam den Fernseher aus und tat, worum ihr Vater sie gebeten hatte. Er half ihr, wenn sie ihn fragte, während er schrieb. Schließlich war der letzte Strich gezogen, das letzte Wort geschrieben. Samantha stand auf und verkündete, daß sie zu Bett gehen wolle.

»Kann ich vorher noch Jacky anrufen?«

»Nein. Du kannst morgen in der Schule mit ihr reden.«

»Ich möchte sie nur etwas wegen der Hausaufgaben fragen.«

Der Priester seufzte erneut. »Bist du sicher, daß sie noch wach ist?«

»Natürlich. Sie darf viel länger aufbleiben als ich«, kam die Antwort.

»Gut, aber beeil dich.«

Bei dem Anruf ging es, wie er es geahnt hatte, nicht um die Hausaufgaben, sondern über die Sendung, die sie gerade gesehen hatte.

Schließlich kam Samantha ins Zimmer, gab ihm einen Kuß auf die Wange und sagte: »Nacht, Pops.«

»Für dich Vater.«

»Gute Nacht, Dad.« Sie lächelte.

Skip tapste hoffnungsvoll hinter ihr her, wurde jedoch vom Priester ins Wohnzimmer zurückbeordert.

»Keine Hundehaare in den Betten«, beschied er dem Tier streng.

Skip trottete gehorsam zu seinem warmen Platz auf der Matte neben dem Sessel, als verstünde er das Problem genau.

Als er glaubte, daß seine Kinder eingeschlafen waren, ging der Priester in die Küche, um das Geschirr zu spülen.

Nach dem Spülen entdeckte er, daß die Edelstahlspüle recht schmierig war. Er nahm einen Reiniger aus dem Spülschrank und machte sich daran, sie zu säubern. Während er putzte, meinte er, draußen ein Geräusch gehört zu haben. Er ging zum Küchenfenster und starrte in den dunklen Garten hinter dem Haus.

Das Haus war besonders ruhig gelegen. Außer den von Zeit zu Zeit auftauchenden Betrunkenen gab es kaum Störungen. Natürlich bestand immer die Möglichkeit, daß Einbrecher es heimsuchten, und darüber machte sich der Priester Sorgen, als er ins Dunkle spähte. Erst kürzlich hatte er überlegt, ob er sich nicht Sicherheitsleuchten anschaffen sollte. Doch er hatte den Gedanken wieder verworfen, weil er fürchtete, daß Katzen und Füchse sie ständig in Betrieb setzen und seine Frau beunruhigen könnten.

Als er draußen nichts entdecken konnte, wandte sich der Priester wieder der Spüle zu. Während er sie säuberte, dachte er über Serienmörder nach. Wuschen sie jemals ab, und machten sie hinterher die Spüle sauber? Interessierte es beispielsweise Terroristen, ob ihre Krawatte gerade saß und ihre Schuhe glänzten? Alle diese trivialen, weltlichen Dinge, die gewöhnliche Leute – Leute, die niemals einen Angriff auf ihre Mitmenschen verübt hatten – automatisch taten: kümmerten sie die Mörder und Vergewaltiger dieser Welt? Interessierte es sie, ob sie nicht zueinander passende Farben trugen, oder ob ihr Rasen am Wochenende gemäht oder ihr Wagen anständig gewaschen wurde; kümmerte es sie, wenn man Eselsohren in ihr Lieblingsbuch gemacht hatte, oder daß sie vor dem Bischof einen faux pas begangen hatten? Dachten Sie jemals an etwas anderes außer Essen, Trinken und Töten?

Das lag außerhalb seines Horizonts, aber er konnte sich nicht vorstellen, wie jemand sich um seinen Haarschnitt sorgen und gleichzeitig den nächsten Mord planen konnte, so wie er sich fragte, ob er für den Sonntagsgottesdienst einen sauberen Talar hatte und dabei seine Predigt plante. Er fühlte, daß Mörder nur zwei Dinge im Kopf hatten: ihre bereits verübten und ihre künftigen Morde.

Dann hörte er ein kratzendes Geräusch, als würde jemand das Dach hochklettern.

Mit klopfendem Herzen öffnete der Priester die Hintertür und ging in den Garten. Er sagte seiner Frau stets, sie solle die Polizei anrufen, sobald sie etwas Verdächtiges bemerke, aber er versäumte es, seiner eigenen Ermahnung zu folgen, aus Angst, sich zum Narren zu machen. Er schlich bis zum Ende des Gartens und schaute nach oben.

Durch einen Spalt im Vorhang konnte er das Nachtlicht im Zimmer der Jungen sehen. Sein Blick streifte über die V-förmigen Vertiefungen im Dach. Er versuchte zu erkennen, ob dort eine Katze saß, aber es war zu dunkel. Die Sterne leuchteten, doch der Mond war nicht zu sehen. Der Priester fragte sich, ob er eine Taschenlampe holen und das Dach begutachten solle, damit er endlich entspannen konnte, kam jedoch zu dem Schluß, daß es ein albernes Unterfangen wäre. Vielleicht war es eine Taube oder ein anderer Vogel gewesen, der schon längst wieder auf und davon war.

Als er wieder ins Haus ging, beschloß der Priester, den Hund in den Garten zu lassen. Skip war kein schlechter Wachhund, obgleich er dazu neigte, Katzen und andere Hunde anzubellen, was ihn im Freien unbrauchbar machte.

Anfangs bellte Skip ein wenig, doch nach einer Weile verfiel er in ein gelegentliches Knurren und Winseln, das tief aus seiner Kehle drang, als würde er sich über die Behandlung beschweren.

Der Priester verschloß die Hintertür, begab sich ins Arbeitszimmer und setzte sich an den Schreibtisch, um seine Schreibarbeit zu beenden. Es ging dabei um Sonntagsandachten zum erfolgreichen Ausgang der Konferenz, die gerade in London stattfand. Der Priester war, wie die meisten Geistlichen, ganz aufgeregt deswegen und wartete sehnsüchtig auf das Ergebnis. Er war der Gewalt in der Welt müde, die in vielen Ländern – darunter auch in seinem – im Namen seines Gottes verübt wurden. Diese Gewalt diente nur einem Zweck: die Verderbten mit menschlichem Blut zu tränken. Für ein solches Blutbad gab es keine Entschuldigung, und er hoffte, eine Verurteilung durch die vereinten Weltreligionen würde ausreichen, die Fanatiker und Extremisten ein für allemal auszumerzen.

Gegen zehn Uhr hörte er einen schrecklichen Schrei aus dem Zimmer der Jungen. Er sprang auf und lief auf den Flur, wo er auf seine Tochter traf.

»Was war das?« fragte sie.

»Geh wieder ins Bett, Liebes«, sagte der Priester. »Ich glaube, Noel hatte wieder einen Alptraum.«

Samantha tat wie ihr befohlen, und der Priester lief die Treppe hoch zum Zimmer der Jungen. Er fand Noel aufrecht im Bett sitzen, schweißbedeckt, weinend. Sein Bruder, der im Bett nebenan lag, schlief tief und fest.

»Was ist los, Sohn?« fragte der Priester leise. »Schlechte Träume?«

Anfangs sagte Noel nichts, sondern schluchzte nur, während der Priester ihn in den Armen hielt.

Dann starrte der Junge ängstlich zum Fenster und sagte: »Jemand hat versucht reinzukommen, Daddy.«

Der Priester warf einen Blick in Richtung Fenster und sagte: »Ich bin sicher, daß es nur ein Traum war, Noel. Nur ein dummer Traum.«

Der Priester holte ein Handtuch, um seinen Sohn abzutrocknen und strich ihm über die Stirn. Es dauerte nicht lange, da war der kleine Junge wieder eingeschlafen. Der Priester blieb noch eine Weile bei ihm sitzen und schaute ihn an. Dann starrte er zum Giebelfenster, stand auf, zog die Vorhänge beiseite und spähte ins Dunkel. Er konnte nichts sehen, aber er spürte etwas.

Er machte sich Sorgen; seine für übersinnliche Einflüsse empfänglichen Nackenhaare hatten sich aufgerichtet. Er spürte Dinge, die seinen Geist beunruhigten. Natürlich, sagte er sich, gab es viel Böses in der Welt, und so überraschte es nicht, wenn gelegentlich jemandes Geist beunruhigt war. Ein Mann wie er, der tagtäglich mit der metaphysischen Seite des Lebens zu tun hatte; ein Mann, für Veränderungen in der psychischen Atmosphäre empfänglich, war dazu verurteilt, ab und zu Schmerzen zu spüren, besonders, wenn er so nah an einer Stadt mit derart zwielichtigem Gesindel lebte.