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»Sie sind auf all meinen Sachen!« schrie sie.

Rajeb lief zu ihr und inspizierte erst ihre, dann seine Kleider, nur um festzustellen, daß sie alle voller Läuse waren.

Wie die Bettlaken und die Überdecke.

Und bei näherer Betrachtung auch der Teppich.

Die Läuse waren überalclass="underline" in den Wandrissen, hinter den Fußleisten, in den Küchenschränken, ja sogar in den Schlössern.

»Womit haben wir das verdient?« stöhnte er. »Wir werden bei lebendigem Leib aufgefressen.«

In ganz London hörte man den Satz: ›Wir werden bei lebendigem Leib gefressen.‹ Experten wurden vor die Kamera geholt, um zu erklären, daß nur wenige Läuserassen wirklich zubissen, daß die meisten von ihnen nur Blut saugten. Aber seltsamerweise beruhigte die Erklärung die Bevölkerung nicht sehr. Und sie senkte kaum die Zahl der grauenhaften Selbstmorde, die hauptsächlich von heiklen älteren Gentlemen und pedantischen alten Ladys verübt wurden, die Läuse als die höchste Schande ansahen und die sich über alle Maßen schämten.

Dann tauchten Experten auf, die andere, tröstliche Gedanken äußerten. »Nun, wie Sie wissen, werden Katzen und Hunde ihr ganzes Leben lang von Läusen geplagt. Wir versuchen natürlich, ihnen den Garaus zu machen, aber man kann sie nicht völlig ausrotten. Vielleicht sollten wir, soweit es Parasiten betrifft, es so machen wie unsere Haustiere. Einige Naturschützer halten dies für eine gute Sache – schließlich sind Läuse auch Lebewesen –, und wir wollen doch nicht, daß sie ausgerottet werden wie die Elefanten, oder?« Der Interviewer starrte den Experten an, während er eines jener winzigen Geschöpfe zwischen Zeigefinger und Daumen zermalmte, wobei er verdammt noch mal hoffte, daß es auf der Liste der gefährdeten Arten ganz oben stand.

In dem verzweifelten Versuch, der Plage zu entfliehen, flohen Menschen aus der Stadt und nahmen dabei die Läuse mit sich. Eine schreckliche Zukunft stand ihnen bevor, und sie wußten es. Chemiekonzerne würden ein Vermögen verdienen. Jeder in finanziellen Angelegenheiten Beschlagene hatte bereits Aktien gekauft.

Ganz London kribbelte.

Ein umherziehender Schauspieler aus Glasgow wurde von der Straße weg vors Mikrofon gezerrt, um im nationalen Radio Burn’s ›To a Louse‹ vorzulesen. Doch nur sehr wenige Menschen verstanden ihn, besonders, da er sich vor der Vorstellung gründlich betrunken hatte, aber sie erfaßten den Sinn des Gedichtes. Die Menschen begannen sich so zu sehen, wie die anderen sie sahen, und der Anblick war eher lustig als häßlich.

Die einzigen, die sich keine Sorgen machten und weiter so lebten wie bisher, waren die Obdachlosen, die Penner, die Landstreicher, die am Flußufer herumlungerten. Für sie hatte sich nichts verändert, und sie verstanden die ganze Aufregung nicht. Die meisten von ihnen wurden von Läusen, die für sie schon fast zu Haustieren geworden waren, begleitet, seit sie auf der Straße lebten.

Und natürlich kümmerte die Affen im Londoner Zoo die Läuseplage nicht im geringsten. Auch ihnen wäre der Aufstand seltsam vorgekommen. Schließlich förderte es den gesellschaftlichen Kontakt, seinen Partner oder Freund zu entlausen, ihm bedachtsam die Läuse aus dem Haar zu picken, während man mit ihm plauderte. Es war eine großartige Möglichkeit, eine oder zwei müßige Stunden miteinander zu verbringen, und es war fast so therapeutisch wirksam wie eine kollektive Umarmung.

Während er an diesem Abend ihren Schädel von Läusen befreite, sagte Rajeb etwas in dieser Art zu Daphne, worauf sie ihm einen Schlag auf die befallenen Körperteile versetzte.

KAPITEL ACHTZEHN

Selbst in den Krankenhausbetten wimmelte es von Läusen. Aber die Menschen sind bemerkenswert anpassungsfähig. Ein paar Tage nach der Ankunft der Plagegeister kratzten Menschen, die geschworen hätten, sie würden durchdrehen, wenn sie nur eine einzige Laus auf ihrem Körper fänden, leicht gereizt, aber geduldig die juckenden Stellen oder schlugen nach den Parasiten, und waren ihnen zwar widerwillige, aber resignierte Gastgeber. Man tat, was man konnte, um ihre Zahl auf ein Minimum zu beschränken; aber es war ja nicht möglich, ewig hysterisch schreiend durch die Straßen laufen.

Die Ozonschicht bekam von den Anti-Läuse-Spraydosen aus Armee-Restbeständen – die es nur in den A&N-Läden gab, da das Militär sich als die einzige große Institution in den letzten fünfzig Jahren auf eine Läuseinvasion vorbereitet hatte – einen schweren Schlag. Da die Spraydosen noch aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammten, waren sie nicht besonders umweltfreundlich.

Danny und Dave saßen neben dem Bett des Erzdiakons. Lloyd lag flach auf dem Rücken, Schweiß rann ihm über die Stirn, und er umklammerte ein Taschentuch so stark, als versuche er, Wasser aus einem Stein zu pressen.

»Es schmerzt«, klagte er. »Siebenundzwanzig Stiche.«

»Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte Dave, »aber wenigstens leben Sie noch.«

»O Gott, der arme Junge, lebendig verbrannt. Aber er hat mir so weh getan. Er muß verrückt gewesen sein.« Tränen liefen ihm übers Gesicht und straften seine Worte Lügen. »Was mir Schwierigkeiten macht, ist, daß der Schmerz, den er mir zugefügt hat, all die Zuneigung ausgelöscht hat, die ich für ihn empfunden habe. Er war wie ein Sohn für mich.«

Der mit Kummer vermischte Schmerz bewirkte einen totalen Gefühlsaufruhr bei Lloyd Smith; eine Situation, die zu beobachten Dave und Danny verlegen machte. Lloyd wollte den Menschen hassen, der ihm dieses Leid zugefügt hatte, doch dieser Mensch war ein junger Mann gewesen, den er geliebt hatte; in ihm kämpfte Liebe mit Haß. Lloyd war offenbar seelisch und körperlich erschöpft.

Als Dave spürte, daß er weitersprechen konnte, fuhr er fort: »Ich möchte Sie etwas fragen. Sie haben ihren Angreifer als einen freundlichen, netten Menschen beschrieben…«

»Das war er. Deshalb begreife ich es ja nicht.« Lloyds Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Ich dachte, ich würde den Jungen gut kennen. Es ist unglaublich, wie sehr er sich in den letzten Monaten verändert haben muß. Er war wie eine Bestie; ja, genau, es war, als lauere eine schreckliche Kreatur in seinem Inneren. Seine Augen… er hatte hypnotische Augen, die Augen eines Wahnsinnigen. Und dann war da noch diese gewaltige Energie… wie soll ich es erklären – es war so, als wäre in seinem Inneren ein wildes Tier gefangen, das um jeden Preis herauswollte.«

»Und sein, eh, Ding war…«

»Riesig. Siebenundzwanzig Stiche. Das sagt einiges.«

»Ihre Verletzungen gleichen denen einiger männlicher und weiblicher Opfer vom südlichen Ufer.«

Lloyd Smith Augen weiteten sich. Er setzte sich auf, obwohl es ihm einige Mühe zu machen schien.

»Manovitch?« schrie er.

»Ich bin überrascht, daß Ihnen der Gedanke noch nicht gekommen ist«, sagte Danny.

»Nun, ich habe nur nicht gedacht… er sah wie Holden aus«, sagte Lloyd. »Warum sollte Manovitch das Aussehen eines anderen annehmen? Es sei denn…?«

»Es sei denn, er war der andere?« fuhr Danny fort. »Vielleicht zog Manovitch es vor, in einen bereits fertigen Körper zu fahren, statt einen neuen zu erschaffen, wie es die Dämonen tun. Möglicherweise kann eine tote Seele sich keinen eigenen Körper machen.«

»Armer Holden«, sagte Lloyd mit Tränen in den Augen.

»Erst von einer derart verderbten Kreatur übernommen und benutzt und dann… und dann lebendig verbrannt zu werden.«

»Ich bezweifle, daß der ursprüngliche Besitzer des Körpers sich seines Todes bewußt war, oder daß er etwas fühlte. Holden starb wahrscheinlich an dem Tag, als Manovitch seinen Körper übernahm.«