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»Könnte ich draußen ein Wort mit Danny sprechen?« fragte Petra.

»Bitte«, erwiderte Dave. »Sie können auch mehrere Worte mit ihm wechseln.«

Petra hakte sich bei dem wutschäumenden Danny ein und ging mit ihm vor die Tür.

Nachdem sie das Zimmer verlassen hatten, wandte Rajeb sich an Dave. »Sind Sie sicher, daß Sie das Richtige tun?«

Lloyd nickte. »Das hätte ich auch gern gewußt. Weshalb diese plötzliche Wendung, Lieutenant? Es ist nicht nur wegen der Frau, oder?«

Dave wand sich. »Ja und nein. Aber ich brauche es nur meinen Vorgesetzten in San Francisco erklären.«

Lloyd zuckte mit den Schultern. »Nun, wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern wieder auf mein Zimmer gehen. Ich finde diese harten Stühle äußerst unbequem. Lassen Sie mich wissen, ob es Sergeant Spitz gelungen ist, einen Flug zu bekommen.«

Er stand unbeholfen auf und hinkte davon.

»Brauchen Sie mich heute noch, Dave, oder kann ich mir frei nehmen?« fragte Rajeb. »Meine Freundin hat ein paar Tage schulfrei, und wenn wir hier nur herumsitzen und warten…«

»Gehn Sie. Viel Vergnügen.«

»Sarge?«

Stan Gates nickte. »Gut. Okay. Aber Sie sind immer noch in Bereitschaft. Melden Sie sich alle sechs Stunden telefonisch.«

»In Ordnung. Bis dann.«

Rajeb verließ das Zimmer, als Petra zurückkehrte. »Danny ist jetzt bereit zurückzufliegen«, sagte sie. »Ich habe ihm beim Kofferpacken geholfen, und wir haben uns verabschiedet. Ich werde nicht mit zum Flughafen fahren.« Dann wandte sie sich an Dave. »Er ist jetzt wieder in Ordnung.«

»Gut«, sagte Dave barsch, ohne sie anzuschauen.

Stan stand auf und ging. Petra sagte, man würde sich beim nächsten Treffen sehen und verschwand ebenfalls.

Dave saß allein am Tisch. »Was für ein Haufen Scheiße«, sagte er und starrte freudlos auf die Rauhfasertapete.

Nach einer Weile setzte er seine Sonnenbrille auf, ging nach draußen und lief die Theobald’s Road in Richtung Osten hinab, auf den großen Lichtdom zu, der ein unbeschreibliches Wesen beherbergte: geheimnisvoll, unüberwindlich, heilig, heilig, heilig, ein Herr der Heerscharen. Weshalb hatte Manovitch nicht versucht, es hier unten auf der Erde mit dem Erzengel aufzunehmen? Wahrscheinlich, weil er es nicht tun konnte, sonst hätte er es schon früher getan. Vielleicht war ein Erzengel unangreifbar, besonders auf fremdem Boden. Konnten Engel von Manovitch und seiner Armee toter Seelen vernichtet werden, aber Erzengel nicht?

Dave seufzte. Rajeb hatte recht. Er war verwirrt. Er wußte nicht, aus welchen Motiven heraus er Danny zurückgeschickt hatte. Es war beinahe eine spontane Reaktion gewesen, eine Entscheidung des Augenblicks. Er konnte seine Gründe nicht erklären, wenigstens nicht befriedigend – nicht einmal vor sich selbst. Aber seine Entscheidung kam ihm richtig vor. Natürlich gab es da den Petra-Aspekt – verdammt, schließlich war Dave auch nur ein Mensch. Wenn Danny sich eine normale Frau angelacht hätte, würde er sich für ihn gefreut haben. Aber er hatte dieses surrealistische Geschöpf gefunden, das einem Roman entsprungen zu sein schien. Nun, wie es aussah, hatte sie Danny gezähmt und in die Tasche gesteckt, soviel war sicher.

An der Straßensperre blieb er stehen, beugte sich vor und schaute auf die blendendweiße Halbkugel. Die strahlende Kuppel blendete nicht nur die Augen, sondern auch den Verstand. Sie besaß eine einzigartige Reinheit. Er fühlte sich wie ein Wanderer in einem unerforschten Gebiet, der plötzlich an einem prächtigen Wasserfall vorbeikommt, so sauber, klar und unberührt von der Welt, daß er dem Mund des Schöpfers selbst zu entströmen schien.

Aus dem Inneren der Kuppel streckte etwas seine Fühler nach Dave aus. Seiner Ehrfurcht war ein Gefühl der Wärme, der Sicherheit, beigemengt. Dieses Licht, dieses Glühen eines Leuchtkäfers Gottes, war nichts im Vergleich zu dem Licht im Zentrum des Universums, dem Licht des Schöpfers; eine Kerzenflamme im Angesicht der Sonne. Dennoch hatte es diese Sonne gestreift, besaß den Segen dieser Sonne, und der Friede, der dabei auf es übergegangen war, konnte auch von einem einfachen Polizisten aus San Francisco empfunden und verwundert zur Kenntnis genommen werden.

Dave stand lange Zeit dort, starrte die Kuppel an und nahm ihre friedliche Ruhe, ihre Gelassenheit in sich auf.

Auf dem Weg ins Hotel fiel ihm die Architektur der Stadt auf. Er konnte kein Gefühl für London als Ganzes bekommen, für diese Mischung aus allen möglichen Stilen und Perioden. Da standen reizlose moderne Bürohäuser neben großartigen georgianischen Gebäuden. Ägyptische Obelisken, Bronzelöwen, imposante Paläste, Eckläden, Museen mit Kolonnaden, winzige Zeitungskioske. Da gab es schmutzige Gassen wie Wild Court, in denen vergessene Bäume um ihren Anteil am Sonnenlicht kämpften, und Straßen wie die Sicilian Avenue mit ihren prahlerischen Restaurants und Geschäften. Dave bekam London nicht in den Griff. Es war zu mannigfaltig – ein zu großer Mischmasch aus zusammengewürfelten Gebäuden und Straßen –, um ein einheitliches Bild zu ergeben.

»Nun«, sagte er sich. »Danny wird es nicht vermissen. Der Penner ist ja kaum aus dem Schlafzimmer herausgekommen.«

Das stimmte zwar nicht ganz, aber Dave mußte sich mit dem Gedanken trösten, daß er das richtige tat. Er wäre gern selber nach Hause geflogen, aber sein Job war noch nicht getan. Manovitch, so mußte er sich insgeheim eingestehen, strich wahrscheinlich immer noch dort draußen herum.

KAPITEL NEUNZEHN

Petra verließ das Hotel und ging zur Holborn-U-Bahn-Station. Sie fuhr mit der Piccadilly bis zum Leicester Square und dann mit der Northern zum Südufer des Flusses. Schließlich nahm sie einen Bus bis zu einer bestimmten Straße im Elephant and Castle. Vor Besteigen des Busses hatte sie sich einen Schal um den Kopf und die untere Hälfte des Gesichtes geschlungen, um nicht erkannt zu werden.

Es war dunkel, als sie die kurze, verwahrloste Nebenstraße entlangging und rasch in eine Seitengasse einbog. Sie blieb stehen und lauschte, bevor sie in ihren eleganten, teueren Kleidern über einen Zaun kletterte und sich in einen mit Müll übersäten Hinterhof fallen ließ. Sie hatte in weiser Voraussicht Schuhe mit niedrigen Absätzen angezogen, die ihr gute Dienste leisteten, während sie versuchte, sich einen Weg durch den Sumpf aus Dosen, Flaschen, Lumpen und anderem Abfall zu bahnen. Es galt, verrostete Liegestühle und Fahrradrahmen und alle Arten von Müll zu umrunden, der im Laufe der Jahre von den zahllosen Familien aus den Fenstern geworfen worden war, die die fünf Stockwerke des Mietshauses bewohnten.

Petras Ziel lag im zweiten Stock. Sie bemerkte, daß die Vorhänge noch immer offen waren, obwohl in dem Zimmer dahinter bereits eine Lampe brannte. Petra kletterte auf die Trennmauer, die die Grundstücke voneinander teilte, kauerte sich an der Hauswand nieder und starrte in das Zimmer.

Obgleich billig möbliert mit dick gepolsterten Sofas und einem alten Eichentisch, war der Raum hinter der Scheibe makellos sauber. Am Tisch saß ein ungefähr zwölf Jahre alter Junge. Er schien über seinen Schulbüchern zu brüten und war zweifellos gerade dabei, seine Hausaufgaben zu machen. Sein Haar war eine Masse schwarzglänzender Kräusellocken, unter der ein breites, hübsches Gesicht zu sehen war. Eine tiefe Falte zog sich über seine Stirn. Er schien intensiv über etwas nachzudenken.

An der Wand hinter dem Jungen, der auf den Namen Abibi getauft worden war, aber von allen nur Abby gerufen wurde, hing eine Karte von Nigeria. Abby war noch niemals in Nigeria gewesen, ebensowenig wie die Zeichnerin der Karte, die mit Petra, 13 Jahre alt unterschrieben hatte. Nigeria war für beide ein in ein Geheimnis gehülltes Land: die Heimat ihrer Großeltern. Sie kannten viele Geschichten über Nigeria; Geschichten von mystischen Tieren, die zu den Menschen und miteinander sprachen; Geschichten von Stammesleidenschaft, Kriegen, von verlorenen, goldenen Königreichen. Sie waren beide von dem Land ihrer Ahnen fasziniert gewesen und hatten sich geschworen, es eines Tages zu besuchen, sobald sie genügend Geld und Zeit dafür haben würden.