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Es war die widerwärtigste Plage bisher.

Dave hatte sich noch nicht vom Schock über Dannys Tod erholt, als die Fliegen London angriffen. Er entschloß sich, ihnen ein paar Tage lang zu entfliehen und aufs Land zu fahren, nach Suffolk. Es war eine andere Welt: friedlich und ruhig und mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Hier draußen gab es auch Fliegen, aber in normaler Anzahl. Während der Fahrt schüttelte sich Dave, als er daran dachte, welchen Schmutz die Insekten mit sich bringen würden; Schmutz, der weitere Krankheiten im Gefolge haben würde.

Das Leben würde für eine Weile wieder einmal unerträglich, wie zu Zeiten der Frösche und Läuse.

Bei der Ankunft der Fliegen war Dave zum Glück in seinem Hotel gewesen, wo dickes Glas ihn schützte. Das Personal hatte rasch alles versiegelt. Aber draußen auf den Straßen starben die Menschen. Durch die Doppelglasscheibe hindurch beobachtete Dave, wie ein alter Mann in einer Wolke verschwand, die durch die Straßen schwebte, und würgend zu Boden ging, die Kehle verstopft, die Augen blind und tränend, Ohren und Nase voller Kriebelmücken. Er kam wieder auf die Füße, versuchte fortzulaufen und fiel drei oder vier Schritte weiter ein letztes Mal hin. Nachdem er von der schieren Masse ihrer toten Kameraden erstickt worden war, taten sich die lebenden Fliegen an seinen Körpersäften gütlich, die ihm aus allen Öffnungen sickerten.

Die Fliegen schwärmten weiter durch die Straßen, wobei sie sich fast wie ein einziger Körper bewegten. Ihr Gesumme war ohrenbetäubend. Es war, als flögen ganze Flugzeuggeschwader zwischen den Hochhäusern hindurch. Es war eine schwarze Masse geflügelten Unrats, die die Menschen binnen Sekunden in die Knie zwang, falls sie sich nicht schnell genug ein Taschentuch oder einen Schal um den Mund banden. Später sollten die Menschen Gasmasken tragen, aber anfangs war niemand auf eine solche Insektendichte vorbereitet. Die Londoner starben zu Dutzenden, schluckten massenweise Fliegen, füllten ungewollt ihre Mägen mit ihnen, als würden sie händeweise Kaviar in sich hineinstopfen.

Dave, dem es gelungen war, eine Gasmaske aufzutreiben, nahm die stadtauswärtsführende A12. Während der Fahrt sah er, wie die städtischen Müllmänner mit Masken, die seiner ähnelten, Leichen einsammelten und sie in die Müllwagen warfen. Für Feinheiten war jetzt keine Zeit. Dave sah Menschen mit eiternden, von der Läuseplage verursachten Wunden; Wunden, schwarz vor Fliegen, die sich am Eiter labten. Er sah Tote, die sich bewegten, als lebten sie noch, unter einer Decke aus Fliegen begraben. Es war eine unangenehme Reise.

Da seine Sicht behindert war, dauerte es eine Weile, bis er den Stadtrand von London erreichte. In dieser Zeit füllte sich der Wagen mit Fliegen. Doch einmal auf dem Lande, konnte er die Türen öffnen und die meisten von ihnen verscheuchen.

Er gehörte zu den Nachzüglern. Alle Hotels und Pensionen rund um London waren bereits ausgebucht, also fuhr er weiter bis zu einem kleinen Fischerdorf namens Walberswick.

Seemöwen und Meerschwalben schwebten über den rastlosen Wellen der grünen Nordsee. Im Süden machte er ein riesiges Gebäude aus, zweifellos ein Kraftwerk, und der Westen wurde von Sanddünen begrenzt. Der Rückzug der Flut hatte sumpfige Lachen hinterlassen, und Dave wäre beinahe auf ein Nest mit Vogeleiern getreten, das sich in einer kleinen Mulde aus Sand und Kies befand. Als er aufschaute, entdeckte er am Strand noch weitere Gelege.

»Paßt auf, Vogeleier«, sagte er.

Ein starker Wind blies, peitschte die Wellen empor. Dave spürte die Erregung des späten Frühlings in der Luft. Stelzvögel suchten dort, wo Meer und Land ineinander übergingen, nach Krusten- und Weichtieren. Im oberen Strandbereich wuchs Strandkohl. Gischtumspültes Treibholz, trockenes Seegras und käferförmige Eierschoten lagen in einer ordentlichen Wellenlinie an der Flutmarkierung und folgten der gewundenen Küste nach Süden.

Was für eine Müllhalde, dachte Dave. Wer kann hier leben? Hier gibt es nicht einmal richtige Wellen. Verglichen mit den Pazifikbrechern waren diese hier kaum der Rede wert. Und die einzigen Vögel, die er kannte, waren die guten, alten Möwen.

Er seufzte, als er an Danny dachte.

Was, vermisse ich den kleinen Kerl etwa? Er war ihm die meiste Zeit doch nur auf die Nüsse gegangen. Klar, er war ein guter Cop gewesen, aber er hatte diese seltsamen Angewohnheiten. Beispielsweise das Pulver vom Rand des Plastikkaffeebechers abzulecken. Hat mich immer wahnsinnig gemacht. Und dann die Huren und die Priester danach. Der Knabe war ein Ausbund an Komplexen.

Natürlich vermisse ich ihn, gestand er sich ein, oder ich würde ihn vermissen, wenn ich glauben könnte, daß er nicht mehr lebt. Dieser kleine Scheißer.

Daves Augen füllten sich im beißenden Wind der Nordsee mit Tränen, die er mit dem Handrücken fortwischte.

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Obgleich die Zahl der Fliegen abgenommen hatte, waren sie immer noch eine große Plage. Die Quälgeister schwebten in Wolken über bestimmten Gebieten, während sie in anderen nur noch vereinzelt vorkamen.

Die Fliegenpapiere an der Decke des Princess Louise waren schwarz vor Fliegen, wobei noch Dutzende von den blauen, in Käfigen untergebrachten Lichtern in den Ecken angezogen wurden, wo sie verschmorten. Andere ertranken in den mit Wasser und Marmelade gefüllten Gläsern, die auf der Theke standen; ein altes Hausrezept.

Stan Gates trank gerade ein Bier, als er in eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe aus Tilbury geriet, die nach Wembley gekommen war, um sich ein Fußballspiel zwischen Schottland und England anzuschauen. Die Tilbury-Fans betrachteten sich selbst als zähen Haufen und ließen keine Kritik gelten; weder an ihnen selbst noch an ihrer Fußballmannschaft. Stan, der schottische Vorfahren sein eigen nannte, wäre mit seiner Loyalität in Zwiespalt geraten, hätte er sich für Fußball interessiert.

»Und zu wem hältst du?« rief ein Tölpel aus der Gruppe.

Stan verscheuchte automatisch die Fliegen über seinem Bier und funkelte den Kerl, der ihn angesprochen hatte, finster an. Er hatte zugesehen, wie die Rowdys von Ale und Whisky zunehmend betrunkener geworden waren: und je betrunkener sie wurden, desto ärgerlicher wurde er. Er war ins Princess gekommen, um in aller Ruhe ein paar Biere zu trinken, nicht um sich von einem Haufen Hooligans anmachen zu lassen, die noch grün hinter den Ohren waren.

»Und?« schrie der andere. »Man redet mit dir, Kumpel.«

»Man redet mit mir, aber ich höre nicht zu«, erwiderte Stan, ohne sich umzudrehen. Er konnte die Gruppe im Barspiegel sehen. Es waren fünf kräftige Männer, wahrscheinlich Dockarbeiter, falls sie Arbeit hatten.

»Dann wird es langsam Zeit, daß du jemandem zuhörst, Freundchen«, sagte der mit dem blauen Kinn. »Du könntest Schwierigkeiten bekommen, weil du nicht zuhörst, wenn andere mit dir reden.«

Stan schaute sich den Mann im Spiegel an. Er hatte keine Lust auf Probleme.

»Hör zu, Arschgesicht, ich bin Polizist. Ich möchte keinen Ärger mit dir, aber wenn du darauf bestehst, bin ich gern bereit, dir das Vergnügen zu machen. Kapiert?«

Ein paar Augenblicke lang herrschte Schweigen am Tisch, dann murmelte jemand: »Blöder Arsch, oder?«

Stan wußte, daß die Menschen aus Tilbury, einer trostlosen, trüben Gegend, nur wenig Respekt vor der Autorität – vor jeder Autorität – hatten, aber vielleicht waren sie in der Großstadt zu unsicher, um einen Streit auszutragen. Doch nach einer Weile begannen die Sticheleien von vorn.

»Hey, Cop, was ist? Unterstützt du etwa die Mongolei bei der Weltmeisterschaft?«

Stan drehte sich um, lehnte sich zurück und stützte sich mit den Ellbogen an der Theke ab. Fliegen umsummten sein Gesicht.