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»Rühr mich nicht an«, schrie sie. »Meine Nachbarn werden in einer Minute da sein.«

»Du kannst schreien, soviel du willst. Ich habe sie gerade aus dem Haus gehen sehen.«

»O Gott…«

Er stürzte sich auf sie. Statt auf eine Gelegenheit zum Zustechen zu warten, warf Daphne ihm das Messer ins Gesicht. Es prallte mit der Schneide von seinem Kopf ab, ohne ihn zu verletzen. Daphne warf sich zur Seite und lief zur Tür. Gates hatte sie eingeholt, noch bevor sie die Hand auf den Griff legen konnte. Er brachte sie mit einem Rugby-Tackle zu Fall, obwohl sie sich wand und versuchte, ihm die Augen auszukratzen. Er war, wie sie vermutet hatte, sehr stark.

»Du spielst wohl gern, eh?« zischte er in ihr ins Ohr, während er ihren Kopf an den Haaren nach hinten riß, damit ihre Kehle freilag. »Ich könnte dir deinen hübschen, weißen Hals durchbeißen und dich auf der Stelle töten.«

»Bitte«, schluchzte sie. »Nicht…«

Sie hielt die Arme von sich gestreckt. Ihre Finger suchten irgend etwas, das sie als Waffe benutzen konnte. Der Lehrer der Women’s Survival Class hatte erklärt: Wenn du dich in einer lebensbedrohenden Lage befindest, benutz alles, was du hast, als Waffe: eine Hutnadel, einen scharfen Ring, selbst ein abgebranntes Streichholz. Versuche, die Augen zu treffen. Ein Mann, der nichts mehr sieht, kann dir nicht mehr weh tun. Blende ihn, wenn möglich. In einer lebensbedrohenden Situation heißt es, entweder du oder er, und es ist besser, wenn er blind ist, als wenn du tot bist, oder? Plötzlich wurde Daphne klar, was ihr Lehrer damit meinte. Sie hatte keine andere Wahl.

Sei kein williges Opfer. Frag nicht, was sie wollen. Stell überhaupt keine Fragen. Beantworte keine Fragen. Weise sie zurecht, beschimpfe sie, verletze sie, wenn du kannst, besonders an ihren empfindlichen Stellen. Sei unweiblich. Sei feindselig.

Sie spuckte ihm in die Augen.

Er riß ihr die Bluse auf, packte eine Brust und verdrehte sie brutal. Daphnes Augen füllten sich mit Tränen. Sie versuchte, ihm das Knie in die Leistengegend zu rammen, traf jedoch nur den Oberschenkel. Es schien ihm nicht weh getan zu haben, denn er lachte.

»Ich mach dich fertig, du dreckiger Bastard«, schrie sie ihm ins Gesicht. »Ich werde dir in die Eier treten, wenn ich aufstehe.«

Sie versuchte, ihm in die Hand zu beißen.

Ihre Verhaltensänderung ließ ihn zögern. Sein Griff lockerte sich. Daphne schnappte sich ein Buch. Wie sich herausstellen sollte, war es eine schöne, kompakte New English Bible. Sie rammte eine Ecke ins Gates rechtes Auge. Er stöhnte und gab sie frei. Sie krabbelte von ihm fort, trat aus und traf ihn an der Nase.

»Scheiße!« sagte er wütend.

»Was ist los?« schrie sie ihn an. »Ist das für dich die einzige Möglichkeit, eine Frau zu kriegen? Bist du impotent, oder was? Du verdammt jämmerlicher Ersatz für einen Mann…«

Blinde Wut überschwemmte ihn. Er stürzte sich auf sie.

Daphne nahm eine Tischlampe und versuchte sie ihm ins Gesicht zu rammen. Er wischte sie beiseite, steckte die Hand ins Taillenband von Daphnes Trainingshose und zerrte daran, bis die Vorderseite aufriß.

In diesem Augenblick schrie jemand: »Wenn du sie noch einmal anfaßt, blase ich dir deinen verdammten Kopf weg, Gates.«

Daphne schaute zur Tür. In der Öffnung stand Rajeb mit einer Pistole in der Hand, die auf Gates gerichtet war. Die eingekauften Lebensmittel waren über den Boden verstreut. Sie hatte weder Rajeb in die Wohnung kommen noch die Sachen zu Boden fallen hören.

Gates straffte sich und wischte sich den Staub von der Hose. »Sie hat mich darum gebeten, Patel. Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, daß Smith uns in der Jasmine Suite sehen will. Sie hat sich mir angeboten und dann ihre Meinung geändert…«

»Habe ich nicht«, sagte Daphne mit erstickter Stimme, von der Unaufrichtigkeit des Mannes entsetzt. »Habe ich nicht!«

Stan Gates lachte. »Nun, das mußte sie sagen, nicht wahr?«

Rajeb ging ein paar Schritte weiter, die Pistole immer noch auf Gates’ Kopf gerichtet. »Ich sollte dich wie ein Stück Müll verbrennen. Ich sollte dich hier und jetzt in Flammen aufgehen lassen.«

»Da gibt es nur ein Problem, mein Sohn«, sagte Gates gönnerhaft. »Dann würde dieses Haus auch in Flammen aufgehen, nicht wahr? Und vielleicht sogar deine Schlampe.«

Rajeb schlug ihm die Pistole quer durchs Gesicht. Eine Strieme erschien.

»Verschwinde von hier, Gates, bevor ich mich vergesse«, sagte er. »Ich werde mir dich später vorknöpfen.«

»Ich habe sie nicht angefaßt«, sagte Gates, der immer noch auf die Revolvermündung starrte. »Sie hat angefangen.«

»Hinaus!« schrie Rajeb.

Gates ging zur Tür und verschwand im Treppenhaus.

Daphne brach weinend zusammen. Rajeb hob sie vom Boden auf, trug sie ins Schlafzimmer, legte sie aufs Bett und begann, sie auszuziehen.

»Was machst du da?« fragte sie und packte ihn am Handgelenk.

»Dir was anderes anziehen. Die ganzen Sachen sind zerrissen. Und danach werde ich dich zum Arzt bringen.«

Daphne berührte ihre Brust. Sie tat sehr weh. »Ich habe nur ein paar Blutergüsse, mehr nicht. Der Arzt kann nichts für mich tun.«

»Ich möchte, daß er sich die Quetschungen anschaut.«

Sie half ihm beim Wechseln ihrer Sachen. Dann sagte sie: »Nein. Ich will nicht zum Arzt. Das bringt nichts. Du weißt genau, wie viele Vergewaltigungen schließlich vor Gericht landen. Du weißt, wie viele Vergewaltiger verurteilt worden sind. Und ich wurde noch nicht einmal vergewaltigt.«

»Dann kriegen wir ihn wegen gewalttätigen Angriffs dran. Er hat dich doch angegriffen, oder?«

»Ja, er hat mich angegriffen. Aber du weißt, was er sagen wird. Er wird ihnen erzählen, ich hätte ihn gereizt. Er wird sagen, ich hätte ihn aufgefordert und dann meine Meinung geändert. Du weißt doch, wie man das Ganze verdrehen kann. Du bist doch Polizist. Du weißt, wie sie es klingen lassen können, wenn jeder im Gerichtssaal ruhig und gelassen ist. Er ist auch ein Polizist. Er weiß, wie man manipuliert. Er weiß, wie man Reue zeigt, selbst wenn man sie nicht fühlt. Wenn wir Glück haben, kriegt er einen Verweis; aber ein Urteil können wir vergessen. Und das weißt du, Rajeb.«

Rajeb wußte es. Sein Gesicht verriet, daß er es wußte. Aber sie sah auch ein Versprechen darin; das Versprechen, daß er keine Ruhe geben würde, bis die Sache geklärt war. »Dann werde ich ihn mir selbst vorknöpfen«, sagte Raj. »Auf meine Art.«

Sie nickte. Sie tranken Kaffee mit Brandy. Dann setzten sie sich aufs Sofa, wo er sie eine Zeitlang nur in den Armen hielt, damit ihr Selbstvertrauen zurückkehrte.

»Danke, Raj«, sagte sie nach einer Weile.

»Wofür, Liebes?«

»Dafür, daß du keine Fragen stellst, zum Beispiel. Dafür, daß du mir glaubst, daß du nicht auf seine Lügen hörst. Ich liebe dich, Raj. Du hast nicht einen Moment lang in Betracht gezogen, daß er die Wahrheit sagen könnte, oder? Du hast mir geglaubt. Dafür liebe ich dich über alles, du liebenswerter Mann.«

Sie weinte, schluchzte an seiner Schulter. Er biß sich auf die Lippen, sagte nichts und hoffte, daß sie recht hatte. Es war ein solcher Schock, ein solcher Tumult in seinem Inneren gewesen, daß er nicht mehr wußte, wie er sich gefühlt oder was er gesagt hatte. Er war nur froh, daß sie seine Loyalität nicht anzweifelte. »Ich liebe dich auch, Babe«, flüsterte er in ihr Haar, »ich werde nicht zulassen, daß man dir noch einmal weh tut…«

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

Als die Fahrzeuge die magische Linie, hinter der die Motoren den Geist aufgegeben hatten, wieder überqueren konnten, fuhr Dave nach London zurück. Auf dem Weg durch die Stadt war er erneut von der Schönheit des Lichtdoms angerührt. Ihm fiel auf, daß hier Schönheit mit Geld in Konflikt geraten war – die Zerstörung hatte im Finanzdistrikt stattgefunden –, und daß der Erzengel damit vielleicht auf etwas hinweisen wollte. Vielleicht wollte er sagen: das hier ist ein falscher Gott. Benutzt Geld als ein Mittel, um das Tauschen zu erleichtern, aber fangt nicht an, es um seiner selbst willen anzubeten.